Andy, wie die Salonausgabe des Steinzeitmenschen hieß, nickte, entsicherte einen handlichen Colt und verschwand unter Deck.
»Gut, wir haben die Blondine an Bord genommen«, sagte Mike Rander. »Sie befand sich in Seenot. Was paßt Ihnen daran nicht?«
»Maul halten!« kommandierte der Mittelgroße. Von einer Unterhaltung mit ihm konnte keine Rede sein.
Der Steinzeitmensch kam an Deck zurück. Er nickte seinem Partner nur zu.
»Ist sie unten?« vergewisserte sich der Mittelgroße.
»Sie pennt!« antwortete der Neandertaler. »Möglich, daß die ihr was in den Drink gekippt haben! Ich bekomm’ sie nich’ hoch.«
»Was haben Sie mit ihr gemacht?« fragte der Mittelgroße, sich an Mike Rander wendend.
»Nichts! Was sollen wir mit ihr gemacht haben? Sie kippte plötzlich um. Und wenig später tauchten Sie bereits auf. Das ist alles!«
»Los, Andy, hol’ sie rauf und trag’ sie ins Boot!«
»Darf man fragen, Sir, warum Sie uns mit solch einer furchteinflößenden Waffe bedrohen?« wandte Parker sich an den Mittelgroßen. »Vielleicht verwechseln Sie uns mit Personen, die Ihr Mißfallen erregt haben.«
»Was haben Sie da draußen vor der Insel gemacht?« fragte der Mittelgroße, ohne auf Parkers Frage überhaupt einzugehen. »Seit zwei Tagen treiben Sie sich da draußen rum.«
»Mr. Rander und meine bescheidene Wenigkeit sind zwei harmlose Sportfischer«, erläuterte der Butler in seiner höflichen Art.
»Da haben Sie sich das richtige Wasser ausgesucht«, meinte der Mittelgroße und grinste. »Die Inseln hier sind von Haien verseucht.«
»Hallo, Clem, hier is sie!«
Der Steinzeitmensch erschien erneut an Deck. Auf seinen langen, starken Armen trug er Susan Kelly. Die Last schien dem Mann überhaupt nichts auszumachen.
»Ins Boot mit ihr«, befahl Clem. Dann wandte er sich an Rander und Parker: »Und ihr, Leute, werdet gleich freundlicherweise ins Wasser hüpfen, klar?«
»Habe ich Sie richtig verstanden, Sir? Mr. Rander und meine bescheidene Wenigkeit sollen ins Wasser hüpfen, wie Sie sich auszudrücken beliebten?«
»Na und?« wiederholte Clem noch einmal, um gleichzeitig die Mündung der Waffe anzuheben. »Das ist doch euer Problem, oder?«
»Sie, Sie wollen uns ermorden?« fragte Mike Rander kalt.
»Sie sind ein verdammt schneller Denker, Mr. Rander. Schnüffler können wir nicht ausstehen!«
»Haben Sie vielleicht auch Marty Conwell umgebracht?«
»Das geht Sie einen Dreck an, Rander! Los, springen Sie! - Oder soll ich Sie erst mit ein paar Bleibohnen anbohren? Blut im Wasser, das ist genau das, was Haie anlockt. Bleiben Sie aber heil, haben Sie ’ne knappe Chance, noch mal davonzukommen.«
»Und das Boot, Sir? Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß es nur geliehen ist.« Parker sah den Gangster vorwurfsvoll an.
»Keine Sorge, der Verleiher ist garantiert versichert«, meinte Clem grinsend. »Wenn nicht, hat er eben Pech gehabt!«
Rander hatte längst eingesehen, daß dieser Mann nicht scherzte. Hier wurde ein klarer Doppelmord geplant. Die Gründe dafür waren ihm unbekannt, aber darauf kam es im Augenblick auch gar nicht an.
Rander sah zu Parker hinüber, der nach wie vor einen gelassenen und vielleicht auch etwas naiven Eindruck machte. Hatte Parker nicht verstanden? Hatte er nicht genau zugehört? Hier sollte doch ein Doppelmord begangen werden!
»Los, jetzt springt, Leute, sonst knallt’s!«
Clem war ein erstklassiger Schütze.
Um Josuah Parker und Mike Rander über die Reling zu treiben, feuerte er zwei Schüsse ab. Die Geschosse bohrten sich dicht vor Randers und Parkers Schuhspitzen in die Decksplanken. Holzsplitter zischten wie böse und gereizte Hummeln durch die Luft.
»Die nächsten Dinger sitzen anders«, sagte Clem gelassen. »Wird’s bald? Los, springt!«
Mike Rander war völlig überrascht, als sein Butler tatsächlich über die Reling hinunter ins Wasser sprang. Parker hatte nicht den geringsten Versuch einer Gegenwehr unternommen. Das war etwas, was Mike Rander eigentlich noch nie erlebt hatte.
Clem grinste, als der Butler samt Melone und Universal-Regenschirm über die Reling gehopst war. Dann wandte er sich Mike Rander zu.
»Los, jetzt sind Sie dran«, sagte er.
Mike Rander merkte, daß Clem innerhalb der nächsten Sekunden gezielt schießen würde. Um einem Treffer zu entgehen, entschloß sich Mike Rander, seinem Butler zu folgen.
Wütend und gereizt stieg Rander über die Reling und ließ sich in das aufrauschende Wasser fallen. Als er wieder an die Oberfläche kam, sah er sich nach seinem Butler um.
Josuah Parker paddelte bereits im Atlantik und schien sich in Anbetracht der Umstände recht wohl zu fühlen. Mit schnellen Stößen schwamm Mike Rander zu ihm hinüber. Als er ihn erreicht hatte, legte er sich auf den Rücken und sah zum Motorkreuzer hinüber.
Clem war bereits in den Außenborder übergestiegen. Er bückte sich und hob einen kreisrunden schwarzen Gegenstand hoch, den er mit einem Strick, den er an der Reling festband, an der Bordwand herunterhängen ließ.
Der Außenborder löste sich vom Motorkreuzer und nahm Fahrt auf. Er rauschte etwa einhundert Meter vom Motorkreuzer weg und drehte dann bei.
Sekunden später geschah es.
Eine donnernde Explosion! An der Bordwand, dort also, wo der kreisrunde schwarze Gegenstand befestigt worden war, brach eine orangerote Stichflamme hoch. Und dann wirbelten Wrackteile durch die Luft, daß Mike Rander unwillkürlich den Kopf einzog.
Als sich Rauch und Feuer gelegt hatten, sank der Motorkreuzer bereits. Er war von der Sprengmine zerrissen worden. Es mußte sich um eine sehr starke Ladung gehandelt haben.
»Diese, diese verdammten...« Rander wollte einen derben Kraftausdruck hinzufügen, doch eine Welle verstopfte ihm den Mund.
»Der Außenborder, Sir!« meldete Parker. Seine Stimme klang unbeeindruckt. Er schien sich mit der neuen und tatsächlich hoffnungslosen Situation bereits abgefunden zu haben.
Rander drehte sich in die neue Richtung.
Der Außenborder hatte wieder Fahrt aufgenommen und hielt direkt auf sie zu.
»Sie, sie wollen uns rammen«, keuchte Rander, der wieder mit einem Wasserschwall, der seinen Mund erreicht hatte, kämpfen mußte. »Aufpassen, Parker!«
Der Außenborder rauschte heran, doch der erwartete Rammversuch blieb aus.
Clem richtete sich auf und winkte ironisch.
»Viel Vergnügen«, rief er dann. »Schöne Grüße an die Haie!«
Dann hatte er plötzlich einen Benzinkanister in Händen, öffnete den Verschluß und goß eine blutrote Flüssigkeit ins Wasser.
»Das ist, doch...«, Rander spuckte Wasser und brachte seinen Satz nicht zu Ende.
»Das ist Blut, Sir«, stellte Parker fest. »Ich möchte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behaupten und feststellen, daß sich innerhalb weniger Minuten die ersten Haie einfinden werden!«
Parker hatte sich in seinen Voraussagen keineswegs getäuscht.
Aufgeschreckt durch die Explosion des auseinanderplatzenden Motorkreuzers näherten sich drei ausgewachsene Haie. Durch Erfahrung gewitzigt wußten sie, daß leichte Beute in Sicht war. Kraftvoll und geschmeidig peitschten sie das Wasser und peilten die Unglücksstelle an. Ihre Körper glichen gefährlichen Torpedos.
Wenig später witterten sie zusätzlich noch frisches Blut. Die drei Haie kamen sofort auf