noch so ungleich sein, steckten selbstverständlich nicht auf. Gewiß, sie hatten einiges Pech gehabt, doch im Grunde konnte sie so etwas kaum aus dem seelischen Gleichgewicht bringen. Dazu waren sie viel zu trainiert, dazu hatten sie sich schon in ganz anderen Situationen befunden.
Parker übernahm die Führung und schwamm los. Mike Rander schloß sich seinem Butler an und mußte bald feststellen, daß Josuah Parker auch im Wasser ein einsamer Meister war. Trotz der hinderlichen Kleidung, die Parker natürlich nicht abgestreift hatte, entwickelte er ein Tempo, das Rander die Luft nahm.
Parker fand sehr schnell heraus, daß er sein Tempo drosseln mußte. Er paßte sich der Geschwindigkeit seines jungen Herrn etwas besser an. Rander entledigte sich der Oberkleidung und war einer ersten Erschöpfung nahe, als nach gut einer Stunde endlich vor ihnen die vagen Umrisse einer Insel zu erkennen waren.
»Ist das die Insel, die wir bereits angelaufen hatten?« fragte er keuchend seinen Butler.
»Das, Sir, läßt sich mit Sicherheit leider nicht feststellen«, erwiderte der Butler mit ruhiger, fast entspannter Stimme. »Die Konturen dieser Insel sind mir fremd.«
»Ist vielleicht auch besser so!« Rander legte sich auf den Rücken, um etwas zu verschnaufen. Dann, er glaubte nicht richtig gesehen zu haben, erhielt er so etwas wie einen elektrischen Schlag.
»Haie, Parker, Haie!« rief er und deutete auf eine riesige Dreiecksflosse, die sich ihnen schnell näherte.
»Ich bin bereits orientiert, Sir«, meldete der Butler. »Ich werde, wenn Sie gestatten, einen ersten Kontakt aufnehmen. Vielleicht handelt es sich um einen alten Bekannten.«
Die Dreiecksflosse kam immer näher heran. Sie kreiste um die beiden im Wasser treibenden Männer, um dann... wie von Furien gehetzt, in rasender Schnelligkeit davonzujagen.
»Das war ein alter Bekannter, Sir«, meldete der Butler, und der Anflug eines leisen Lächelns glitt über sein Gesicht. »Ich glaube nicht, daß sich ein Angriff wiederholen wird.«
Parker vermutete richtig.
Die Dreiecksflosse und der dazugehörige Hai tauchten weg und wurde nicht mehr gesehen. Rander und Parker konnten ungestört auf das Eiland zuschwimmen. Auffallend war ein Brandungssaum weit vor der Insel. Das Wasser brach sich daran. Hinter dem Brandungssaum befand sich eine weite, vollkommen ruhige Lagune.
Parker übernahm jetzt wieder die Führung. Mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms kettete er seinen jungen Herrn an sich. Dann schwamm er beherzt in die donnernde Brandung hinein und ließ sich samt seinem jungen Herrn durch einen gewaltigen Brecher in die stille Lagune tragen.
Sie kamen ohne jede Schrammen in stilles Wasser und wurden wenig später von einer sanften Unterwasserströmung auf eine schmale Landzunge zugetrieben. Minuten später hatten sie festen Sandboden unter sich und konnten sich niederlassen.
Erst jetzt merkte Mike Rander, wie erschöpft er war. Die Muskeln und Nerven vibrierten und zitterten. Nach Luft schnappend legte Rander sich auf den Rücken und blieb ausgepumpt liegen.
»Wenn Sie erlauben, Sir, sehe ich mich etwas um«, hörte er die Stimme seines Butlers.
»Tun Sie, was Sie wollen, aber lassen Sie mich erst mal in Ruhe«, gab Rander müde zurück. »Sie befinden sich in einer unverschämten Form.«
»Sie beschämen mich, Sir«, gab Parker würdevoll zurück. »Im übrigen empfehle ich, sich unter das Strauchwerk dort zurückzuziehen, zumal man wirklich nicht wissen kann, wer sich hier auf der Insel außer Ihnen und meiner bescheidenen Wenigkeit noch befindet.«
Rander hörte den knirschenden Sand unter den Schuhen des Butlers. Sekunden später umgab ihn völlige Ruhe, die äußerst einschläfernd auf ihn wirkte.
Er erinnerte sich der Worte seines Butlers, kroch mit letzter Kraft unter das dichte Strauchwerk der schmalen Landzunge, schloß die Augen und war wenig später eingeschlafen!
*
Parker ließ sich vom Frieden, der um ihn war, nicht täuschen. Er war und blieb mißtrauisch. Das Buschwerk als Deckung nutzend, arbeitete er sich an die eigentliche Insel heran. Die schmale, sichelförmige Halbinsel hatte er bereits hinter sich gelassen. Rechts von ihm befand sich die Lagune. Links von der Landzunge donnerten schwere Brecher gegen das Land. Dahinter befand sich der weite Atlantik, und weit am Horizont eine zweite, kleine Insel.
Parker sah sich die Lagune genauer an.
Sie glich, geschützt vom Riff, einem stillen See. Spuren von Menschen waren am Strand nicht zu erkennen. Hier sah alles jungfräulich aus. Und dennoch wurde Parker das Gefühl nicht los, daß irgend etwas nicht stimmte.
Vorsichtig ging er weiter. Er vermied jedes unnötige Geräusch. Und von Schritt zu Schritt sagte ihm sein Instinkt immer deutlicher, daß Gefahr in der Luft lag.
Tappte er blindlings in eine Falle? Wurde Parker bereits belauert? Unwillkürlich schlossen seine Finger sich noch fester um den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms. Er wollte einem plötzlichen Angriff sofort begegnen können.
Hinter einem mannshohen Strauch blieb er stehen und beobachtete eine Art Wasserlauf, der von der Lagune aus im Strauchwerk der Insel verschwand. Um einen kleinen Fluß konnte es sich unmöglich handeln. Dazu war die Insel zu klein, dazu fehlte ihr jedes Gefälle. Befand sich hinter dem dichten Vorhang der tropischen Pflanzen eine zweite Lagune?
Parker wollte gerade weitergehen, als er plötzlich von irgendwoher einen schrillen Pfiff hörte.
Wie erstarrt blieb er stehen.
Hatte der Pfiff ihm gegolten? Ausgeschlossen...!
Wenig später war das Plantschen von Wasser zu hören. Ein großer Gegenstand schien sich ins Wasser gestürzt zu haben. Ein Her? Vielleicht ein Wildschwein? Das war nicht ausgeschlossen, denn die Insel konnte sehr gut von Eingeborenen bewohnt werden. Von den eigentlichen Bahamas kamen immer wieder Fischer, die sich auf den kleinen Inseln niederließen.
Dann sah Parker das Her, das geschmeidig wie ein Biber durch das Wasser glitt...
Der geschmeidige Biber aber war eine ausgewachsene Frau, die sich elegant und kraftvoll im Wasser bewegte und auf die große Lagune zuhielt. Sie schwamm einfach meisterhaft.
Und mußte es auch tun, denn sie wurde offensichtlich von einem Kanu verfolgt, in dem zwei ausgewachsene Männer saßen, die ihrer Sache vollkommen sicher waren.
Sie handhabten die kurzen Stechpaddel kraftvoll und mit Präzision. Sie schoben sich immer näher an die Frau heran, deren Gesicht der Butler nicht erkennen konnte. Er sah nur das gelöste, lange, dunkle Haar, das über ihren Schultern hing.
Josuah Parker war fasziniert. Er kam sich wie ein unbeteiligter Zuschauer vor, der Augenzeuge einer schweigenden Jagd wurde. Die beiden Männer im Kanu blieben vollkommen ruhig.
Es handelte sich übrigens um Weiße, wie Parkers Augen zur Kenntnis nahmen.
Die junge Frau hatte inzwischen eingesehen, daß sie nicht mehr entwischen konnte.
Sie handelte auf den ersten Blick hin vollkommen unlogisch. Sie bremste nämlich ab und legte sich auf den Rücken. Ruhig und ohne Angst sah sie dem schnell näher kommenden Kanu entgegen. Sie schien aufgesteckt zu haben.
Das Kanu war mit wenigen Paddelschlägen heran.
Einer der beiden Männer lachte fast amüsiert. Dann legte er sein Paddel aus der Hand und beugte sich zu der Frau hinunter. Er streckte seine Arme aus, um sie an Bord zu ziehen.
Die junge Frau - sie mochte knapp zwanzig Jahre alt sein - griff nach den Händen. Dann aber, durch eine blitzschnelle Drehung aus der Hüfte heraus, brachte sie den Mann um sein Gleichgewicht und ließ ihn geschickt ins Wasser fallen.
Blitzschnell tauchte sie weg.
Parker gestattete sich in Anbetracht der Situation ein leichtes Schmunzeln. Er zollte der jungen Frau damit seine ehrliche Bewunderung. Sie hatte zumindest einen ihrer Verfolger sehr geschickt und energisch aus dem Konzept gebracht.
Der