Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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      1

       In Amt und Gut.

       Inhaltsverzeichnis

      Als an dem Tage, an welchem die Scharen des Fürsten Wratislaw durch die Schäfte des Waldes zurückgedrängt worden waren, der Abend heran kam, erreichten die Männer des Waldes die Anhöhe, welche ihnen von dem Herzoge Wladislaw als Nachtlagerungsplatz bestimmt worden war.

      Sie breiteten sich auf der Höhe aus, und suchten die Stellen, welche sich zur Nachtruhe eigneten.

      Witiko ließ Sifrid von Milnet zu sich rufen, und sagte zu ihm: »Sifrid, bist du von dem Kampfe so ermattet, daß du in der heutigen Nacht nicht noch einen Dienst tun könntest, und ist dein Pferd noch im Stande, einen mäßigen Ritt von einigen Stunden zu ertragen?«

      Sifrid antwortete: »Ich habe gesagt, daß meine Glieder sind wie die eines andern Mannes, und daß ich tun will, was ich kann: und da nun der andere Mann den Dienst täte, so tue ich ihn auch, und oft haben wir den ganzen Tag gearbeitet, und in der Nacht getanzt. Und was das Pferd anlangt, so habe ich dir ja erzählt, Witiko, daß ich die Pferde des alten Roder Peter warte, und ich warte sie sehr gut, und weiß, was sie ertragen, und habe mir das beste ausgesucht, da ich fort geritten bin.«

      »Also wirst du reiten?« fragte Witiko.

      »Ich werde reiten«, sagte Sifrid.

      »Also, höre. Hast du dir alles gemerkt, was heute in dem Kampfe geschehen ist?« fragte Witiko.

      »Ich habe es mir gemerkt«, antwortete Sifrid.

      »Wie heißt der Führer der Scharen, die gegen uns gekommen sind?« fragte Witiko.

      »Es ist Wratislaw, der Herzog von Brünn, ein nichtsnutziger Vetter unseres erleuchten Herzoges Wladislaw«, antwortete Sifrid.

      »Gut, und wie viele Stunden sind wir seitwärts nach rechts in der Verfolgung gegangen, und wie viele wieder links zu unserem Wege, und wohin sind die meisten der Feinde geritten, und wie heißt der Berg, auf dem wir jetzt stehen?« sagte Witiko.

      »Wir sind vielleicht drei Stunden gegen Sonnenuntergang hinter den Feinden her gewesen, und sind dann vier oder fünf Stunden wieder in der Richtung gegen Sonnenaufgang gezogen, und die Feinde sind zerstreut gegen Sonnenuntergang geritten, und der Berg, auf dem wir stehen, heißt Braniš«, antwortete Sifrid.

      »Es ist, wie du sagst«, entgegnete Witiko, »reite nun zu dem Herzoge, und berichte ihm das alles genauer als meine ersten Boten konnten, und erzähle ihm, was du von dem Kampfe der Wahrheit nach weißt, sage, daß ich dich sende, und daß wir wenige Männer verloren haben. Ich werde dir noch vier Begleiter mitgeben. Stärket euch und die Pferde durch Nahrung und etwas Ruhe. Dann reitet zu Bolemil, Bolemil wird euch einen Boten zu dem nächsten Führer geben, dieser gibt euch wieder einen, und so jeder, bis ihr zu dem Herzoge kommt. Zu Bolemil werde ich auch noch einen andern Boten schicken.«

      »Es wäre mir lieb, wenn ich selber meine Begleiter auslesen dürfte«, sagte Sifrid, »ich kenne Genossen, die den Ritt gut vollbringen werden.«

      »So wähle sie«, entgegnete Witiko, »und wenn ihr bei dem Herzoge gewesen seid, dann reitet wieder an den Scharen rechts herüber, und sehet, daß ihr morgen wieder bei unserem Zuge seid.«

      »Ich werde alles genau tun, wie du gesagt hast«, antwortete Sifrid, »und meine Genossen werden in jedem folgsam sein.«

      »So gehe, und sei an der Sache«, sprach Witiko.

      Sifrid ging.

      Als dieses geschehen war, ließ Witiko die Obmänner der Abteilungen zu sich rufen. Und ehe diese dem Rufe des Hornes von ihren Stellen her folgen konnten, wurde das große rosenrote Banner vor Witiko aufgerichtet, und es wurde ein Gezelt für ihn zu Stande gebracht. Als die Obmänner vor dem Gezelte und vor dem rosenroten Banner erschienen waren, sprach Witiko zu ihnen: »Ehrenvolle Männer! Wir sind auf dem Boden der Feinde, und schon unter den Feinden, und es tut not, daß wir alle Vorsicht üben, welche der Krieg gebietet. Wir werden zu allen Zeichen gehen, um ihre Anstalten für die Nacht zu betrachten.«

      »Wir werden dir folgen«, sagte einer der Männer.

      Witiko ging nun mit den Führern rechts von seinem Gezelte zu dem weißen Banner mit der dunkelroten Waldrose, welches die Fußgänger von Plan in den Boden gesteckt hatten. Er sah den Lagerplatz der Männer an, und die Wachen, welche sie ausgestellt hatten. Dann ging er wieder weiter rechts zu dem grünen Banner der Männer von der Mugrauer Heide, und betrachtete ihr Lager und ihre Wachen. Dann ging er zu dem weißen Banner der Männer von dem schwarzen Bache, dann zu dem blauen Banner der Männer von der unteren Moldau, dann zu dem weißen Kreuze der Männer vom Rathschlage, dann zu der Stange, auf welche die Männer vom Eckschlage Geierfedern gebunden hatten, und überall betrachtete er die Lagerung und die Wachen. Dann ging er wieder zurück bis zu seinem Gezelte, und ging von demselben links zu dem weißen Banner mit der dunkelroten Waldrose, welches die Männer von dem Wangetschlage hatten, und dann weiter links zu dem rosenroten Banner der Männer von Friedberg, und dann zu dem roten Kreuze der Männer von der Steinleithe, und dann zu dem gelben Fähnlein der Männer von der Friedau, und dann zu der Stange mit dem grünen Kranze der Männer des neuen Kirchenschlages, und dann zu der Stange mit den himmelblauen Bändern der Männer der Waldmoldau, des Heurafels und der Stift, welche Bänder die vom schwarzen Bache unter ihrem weißen Banner abgelöst, und ihnen gegeben hatten. An allen diesen Stellen betrachtete Witiko auch die Lagerungen und die Wachen, und sah, daß die Sachen recht waren. Dann ging er zu den Reitern, und sah auf ihre und ihrer Pferde Nachtstellen und auf die Wachen. Und auch diese Dinge waren geordnet.

      Als dieser Umgang vollendet war, entließ er die Führer.

      Dann sammelte er ein Geleite, in welchem sich auch seine Befehlsträger Augustin, Urban und Mathias befanden, und ging mit diesem Geleite zu den Männern von Plan, und hieß die Männer sich ordnen, und blieb vor ihrem Banner stehen. Da die Männer geordnet waren, sprach er: »Stephan, sie haben dich zu ihrem Obmanne gewählt, du hast heute Zucht und Festigkeit gewahret, und die Männer haben gezeigt, daß sie auf dem Wysoka gewesen sind, und auf den Zinnen von Prag, und daß sie der Kriegsfelder immer mächtiger werden. Es gebührt ihnen Ehre und Dank. Und wenn die rote Rose in solcher Blüte wie heute bleibt, so wird sie ein Zeichen der hohen Achtung der Geschlechter werden. Haltet gute Nachtruhe, Männer, und gedenkt meiner, wie ich eurer.«

      »Gute Nacht, Witiko«, rief der Schmied, »wir gedenken deiner.«

      Dann ging Witiko zu den Männern der Mugrauer Heide, und sprach: »Wolfgang, du hast die Männer im Streite gut geführt, und sie haben die Führung gelohnt. Das grüne Banner ist hinter keinem geblieben. Habet Dank und gute Nacht, ihr lieben Leute.«

      »Gute Nacht, Witiko«, riefen die Männer.

      Dann ging er zu denen vom schwarzen Bache, und sagte: »Simon, dir und den Deinigen gebühret Lob und Dank, und wenn euer Banner immer so leuchtet, so wird es eine Sonne der Ehre. Genießet eine gute Nachtruhe, ihr geliebten Männer.«

      »Gute Nachtruhe, Witiko«, riefen die Leute.

      Und hierauf ging Witiko zu den Männern der unteren Moldau, und sagte: »Veit, du hast mit deinen Leuten eifrig gekämpft, und ihr verdienst Dank und Erkennung. Ruhet in der Nacht wohl aus von den Mühen des Tages.«

      »Ruhe auch wohl, Witiko«, sagte Veit, »du bedarfst der Ruhe am meisten.«

      »Sie wird kommen, wenn die Zeit ist«, antwortete Witiko.

      Dann ging er zu den Männern vom Rathschlage, und sprach: »Gregor, sie haben recht an dir gewählt, du bist standhaft und stark mit ihnen gewesen. Habet alle einen großen Dank und eine gute Nacht.«

      »Gute Nacht, Witiko«, sagte Gregor, und »gute Nacht« riefen noch mehrere Männer.

      Darnach ging er weiter zu denen vom Eckschlage, und sagte: »Michael,