Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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»Michael von dem schwarzen Bache. Johannes aus den Heurafelwaldhäusern. Arnold von der unteren Moldau. Jobst von dem Rathschlage. Sebastian aus Friedberg. Ruprecht vom Kirchenschlage. Simon von Mugrau.«

      »Es sind zwei, die so heißen«, sagte Witiko.

      »Es ist der kleine«, antwortete Andreas. »Dann haben wir noch den alten Lenz von dem Schwenberggute. Er hat drei Wunden, und sein weißer Bart ist ganz blutig. Wir müssen die Grube erst zuwerfen, und beten.«

      »Gebt ihr jedem eine Grube?« fragte Witiko.

      »Wir geben jedem eine«, sagte Andreas, »wenn auch die Arbeit mehr ist, weil wir treulich an einander halten müssen, und weil sie es uns in der andern Welt danken werden. Es halfen uns fremde Leute, die aus der Stadt gekommen sind, und die Pfarrer in dem Walde werden den Segen beten, wenn wir nach Hause kommen.«

      »Sie werden ihn beten«, sagte Witiko. »Habt ihr keinen mehr gefunden, der schwer verwundet ist?«

      »Nein«, antwortete Andreas, »unsere Verwundeten haben wir sorgsam schon früher ausgesucht, und die von andern Scharen sind auch schon fortgebracht worden. Wir haben viele Verwundete.«

      »So forschet nur fort nach den Toten«, sagte Witiko, »und schreibe sie sorgfältig auf. Hier hast du noch ein Stück Papier, schreibt sie zwei Male auf, und gebt an zwei verschiedene Männer die zwei Zettel, daß der andere übrig ist, wenn einer verloren würde.«

      Er reichte nach diesen Worten ein Papier an Andreas.

      »Wir werden tun, wie du sagst«, antwortete Andreas.

      »Es ist trübselig, die Gruben mit den Heimatleuten in der Fremde auf dem öden Felde zu füllen.«

      »Es ist ein christliches Werk, und es ist ein Trost für die daheim«, sagte Witiko.

      »Wir tun es auch gerne«, sagte Andreas, »wie sie es uns getan hätten, wenn uns das Unheil widerfahren wäre.«

      »Seinen Vater verteidigen, seine Mutter, seine Schwester, sein Weib, seine Kinder, seine Braut, die Greise und Greisinnen der Heimatgenossen, die Kranken und alle, die nicht mitziehen können, ist ein schönes und heiliges Werk, das nur immer ein Mann verrichten kann«, sagte Witiko, »und wenn er in dem Werke sein Leben lassen muß, so ist es ein noch heiligeres, und alle müssen sein Andenken ehren, für die er ausgezogen ist.«

      »Wir ehren es auch, die wir doch mit ihm gezogen sind«, sagte Andreas.

      »Wenn ihr in dem Walde gegen die Wölfe geht, da sie sich einmal zu sehr mehren«, sagte Witiko, »und wenn ein Mann durch diese Wölfe im Streite verunglückt, so tragt ihr es.«

      »Wir tragen es, wenn es auch ein Unglück ist, weil es sein muß«, sagte Andreas, »und diese Menschen, die gegen uns und den Herzog sind, diese sind auch wie Wölfe, die sich vermehrt haben.«

      »Wohl ist es so«, sprach Witiko, »nur daß den Wolf sein Hunger treibt; diese aber ihr Gelüste.«

      »Und darum müssen wir gegen sie noch mehr gehen, als gegen die Wölfe«, sagte David, der Zimmerer.

      »Wir gehen«, sprach Witiko, »und wir werden mit den andern Scharen und mit Gottes Hilfe alles vollenden.«

      »Wir werden alles vollenden riefen mehrere Männer.

      »Ich werde euch in eurer Arbeit ablösen lassen«, sagte Witiko.

      »Wenn du Leute sendest«, sprach Andreas, »so können sie uns helfen; aber wir bleiben auch hier.«

      »Tut, wie ihr übereinkommt«, sagte Witiko, »und gehabt euch wohl, lieben Männer.«

      »Gehabe dich wohl«, riefen ihm die Männer zu.

      Witiko ritt mit seinen Begleitern nun noch auf andere Stellen des Schlachtfeldes. Er sah, wie man überall beschäftiget war, die Toten, Freund und Feind, zu bestatten, und einen oder den andern, in welchem noch Leben war, er gehöre zu Konrad oder Wladislaw, zu laben, und zu versorgen. Er fand Rowno, der seinen Oheim Stan verloren hatte, er fand Diet, er fand Osel, er fand Wyhon und manche andere.

      Dann ritt er wieder in das Lager der Seinigen, und sandte sogleich Männer, denen auf dem Schlachtfelde zu helfen.

      Er ging jetzt zu den Verwundeten. Man hatte aus Balken, Brettern, und wessen man habhaft werden konnte, ein Nothaus zu bauen begonnen, und in demselben waren bereits die Verwundeten. Es war ein Arzt aus dem Lager des Herzogs gekommen; aber die Männer Witikos vertrauten mehr den Mitteln, die sie sonst anwendeten, wenn der Wald Wunden brachte.

      Witiko sprach, da er unter ihnen war: »Meine lieben Freunde und Heimatleute, ich bin zuerst zu den Toten auf das Schlachtfeld gegangen, weil sie das höchste irdische Gut verloren haben, das Leben. Ich habe sie besucht, und habe innerlich ein kurzes Gebetlein gesagt. Wir werden alle, wenn es an der Zeit ist, auf ihre Grabstätte gehen, und zu ihrer Ruhe beten. Ich bin auch darum hinaus gegangen, ob nicht noch einer draußen ist, der an einer schweren Wunde leidet. Aber es ist keiner mehr. Dann bin ich zu euch gekommen, denen das zweite Gut dieser Welt unterbrochen worden ist, die Gesundheit. Gott wird sie euch allen wieder geben, wir bitten ihn darum, und wollen alles tun, was wir mit unseren Kräften vermögen, euch zu helfen. Man macht jetzt über euch ein Obdach; aber wenn ihr wollt, werden wir euch in gute feste Häuser der Stadt bringen.«

      »Lasse mich bei unsern Leuten«, sagte Adam, der Linnenweber aus Plan, »ich stürbe in der Stadt.«

      »Mich auch«, sagte Sebastian, der Schuster von Plan.

      »Mich lasse auch da, Witiko«, sagte Tobias, der Hirt von Plan, »ich weiß schon, wie man mit Wunden tun muß, und habe meinen Sohn unterrichtet, und er wird zu Hause bei den Tieren Rat geben, wenn einem etwas zustößt.«

      »Mich lasse auch da«, sagte Raimund von der Mugrauer Heide.

      »Mich lasse auch da«, sagte ein anderer Mann.

      »Mich auch«, sagte wieder einer.

      »Männer«, antwortete Witiko, »wer nicht in die Stadt gebracht werden will, der kann an dieser Stelle bleiben, so lange das Lager dauert, und wir werden sorgsam für ihn sein. Und wer in ein Gemach der Stadt begehrt, der wird auf einer guten Tragbahre dahin gebracht werden. Saget nur denen, die euch warten, was ihr wollt, und sie werden eure Wünsche zu mir bringen.«

      »So ist es recht«, »so ist es gut«, sagte einer und der andere der Verwundeten.

      Und nun ging Witiko zu jedem, fragte ihn um seinen Zustand, und ließ sich erzählen wie er verwundet worden sei, und was man jetzt gegen seine Wunden an ihm getan habe. Dann tröstete er ihn, und redete daneben von der Zeit, in der er wieder fröhlich bei seinen Kampfesbrüdern sein, und von der Zeit, in der er wieder die grünen Bäume seines Waldes sehen werde.

      Witiko blieb noch eine lange Zeit in dem Hause der Verwundeten.

      Es waren viele von den Waldleuten da, einige waren gekommen, ihre Freunde zu besuchen, andere, welche Kenntnisse hatten, wie man bei Verwundungen verfahren müsse, waren als Pfleger da. Frauen aus dem Lager halfen in allen Dingen, und der Priester von Daudleb hatte sich als Krankenwärter eingerichtet.

      Witiko ging von den Verwundeten zu seinen andern Leuten, um zu besorgen, was nach der Lage der Dinge zu besorgen war.

      An dem nämlichen Tage ritt auch der Herzog Wladislaw noch mit einem Geleite auf das Schlachtfeld, und er kam dann zu den Verwundeten der Waldleute.

      Als schon die Nacht eingebrochen war, kamen die Männer Witikos, die mit dem Begraben der Toten beschäftigst gewesen waren, in das Lager, sagten, sie seien fertig, und Andreas gab Witiko die beiden Zettel, auf denen die Namen der Begrabenen geschrieben waren.

      Witiko dankte ihnen, und sagte, sie sollen ruhen, und sich nach der kläglichen Arbeit pflegen.

      In dieser Nacht sendete Witiko auch noch einen Boten an seine Mutter nach Landshut fort.

      Am andern Morgen fragte er den Priester von Daudleb, welche der Verwundeten sich zur Überbringung in die Stadt gemeldet hätten.

      »Sie wollen