Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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heraus, und legte es vor Heinrich und Wiulfhilt auf den Tisch. Das Pergament war schneeweiß, und auf dem weißen Grunde war das Bild einer Burg und eines Waldes an ihren Seiten in Farben.

      »Wie schön«, sagte Heinrich.

      »Das ist ein Bild, der Aufbewahrung wert«, sprach Wiulfhilt.

      »Es wird auch aufbewahrt«, antwortete Witiko. »Diese Fenster sehen nach Mittag, diese nach Morgen, die auf den Rückseiten, welche auf dem Bilde nicht erscheinen, sehen nach Mitternacht und Abend, und innerhalb aller dieser Fenster sind rings die Gemächer des Burgherrn und der Burgfrau. Über diesen sind andere Gemächer, und unter ihnen ist die Burgkirche, der Saal, und andere Gelasse. Hier sind die Vorbauten mit Wohnungen, und zwischen dem Vorbaue und dem Hauptbaue ist der Burghof. Hier sind Ställe und Vorratsräume, und hier schließt sich die Verteidigungsmauer. In den andern Blättern sehet ihr die innere Ausdehnung und Einteilung.«

      Witiko zog noch mehrere Blätter aus der Ledertasche, auf welchen Zeichnungen mit Linien waren.

      Heinrich betrachtete die Blätter sehr genau, dann sagte er: »So wie ich jetzt meine, ist die Burg gut erdacht und überlegt. Hat sie der Baumeister Eppo erfunden?«

      »Ich habe ihm den Platz beschrieben, auf dem die Burg stehen soll«, antwortete Witiko, »und habe ihm gesagt, wie ich mir die Burg denke. Dann hat er auf Blättern zu zeichnen angefangen, wir haben daran abgeändert, bis die Sache so wurde, wie sie ist. Dann hat er die Abbildungen verfertigt, und mir die Nachbilder auf Pergament gemacht.«

      »Und er baut jetzt die Burg«, sagte Heinrich.

      »Er baut sie«, antwortete Witiko.

      »So sei der Segen Gottes über ihm«, sprach Heinrich.

      »Er möge es sein«, sagte Witiko.

      Dann reichte er das Pergament mit dem Farbenbilde an Bertha.

      Bertha betrachtete es, gab es dann wieder zurück, und sagte: »Witiko, es ist ein schönes Bild und ein schönes Haus.«

      »Und die drinnen wohnen werden, sollen glücklich sein«, sprach Witiko.

      Dann ordnete er die Blätter wieder in die Ledertasche, schloß die Tasche, und schickte sie in sein Gemach.

      Es waren hierauf noch verschiedene Gespräche zwischen Heinrich, Wiulfhilt, Bertha und Witiko.

      Dann verabschiedete sich Witiko, und ging in sein Gemach.

      Das Abendessen war in dem Waldhause wie in früheren Zeiten.

      Des andern Morgens ging Witiko zu dem Köhler Mathias.

      Der Köhler und sein Weib erhoben einen Freudenruf, als sie Witiko erblickten.

      »Witiko, Witiko«, rief die Frau, »jetzt ist alles gut, jetzt hat Gott mein Gebet erhört, wir wissen es, und wissen schon alles, es ist alles gut.«

      Und sie reinigte mit einem Tuche die Bank, auf welche sich Witiko setzen sollte.

      »Der Himmel hat Euch gesegnet, seit Ihr an jenem Sonntage von uns fort geritten seid, und wir freuen uns des Segens«, sagte Mathias.

      »Ich weiß es«, sagte Witiko, »ich habe eurer oft gedacht, und werde eurer noch denken.«

      »Wollt Ihr eine Milch, sie ist die beste in dem Walde«, sprach die Frau.

      »Gib mir später eine Milch, Margaretha«, sagte Witiko, »jetzt aber nenne und bringe mir einen Mann, Mathias, der sicher eine Botschaft zu meiner Mutter in unsern Hof Pric trägt.«

      »Ich weiß schon«, sagte Mathias, »das muß Eure Mutter schnell erfahren, und weil meine Meiler rauchen, muß der alte Peter gehen, er geht in seinem Ledergewande in einem und unausgesetzt fort, bis er dort ist, und dann geht er wieder zurück.«

      »Und bürgst du für ihn?« fragte Witiko.

      »Ich bürge für ihn«, antwortete Mathias.

      »So hole ihn«, sprach Witiko.

      Mathias ging fort, und kam nach einer Zeit mit Peter zurück, und sagte: »Er wird nach Pric gehen.«

      »Bist du des Weges kundig?« fragte Witiko den Mann.

      »Wie der Diele meiner Stube«, antwortete der Mann.

      »So trage den Brief, der in diesem Tuche ist, nach Pric«, sagte Witiko, »gib ihn Wentila, meiner Mutter, und bringe mir die Antwort am achten Tage nach Friedberg. Hier hast du Lohn für den Hinweg, in Friedberg erhältst du ihn für den Rückweg. Rüste dich, daß du bald fort gehen kannst. Spute dich, raste, wo du es bedarfst, und genieße deiner Nahrung.«

      »Ich raste nicht viel«, sagte der Mann, »und habe meine Nahrung bei mir.«

      Witiko gab ihm den Brief und etwas an Gelde. Peter nahm beides, und ging fort.

      Witiko blieb noch eine Weile bei den Köhlerleuten, und trank etwas von der Milch, welche ihm Margaretha nun reichte. Die Kinder kamen von dem Walde, und Witiko beschenkte sie. Die Köhlerleute sprachen von den Dingen, die geschehen waren, und Margaretha sagte, sie habe Witiko geweissagt, da er einmal von ihnen Abschied genommen habe; denn sie habe die Worte gesagt: Erlebet recht große Dinge.

      »Sie sind so groß nicht geworden«, sagte Witiko.

      Nach einer Zeit verabschiedete er sich, und ging wieder in das Waldhaus Heinrichs von Jugelbach zurück.

      Er lebte nun als Gast in dem Hause mit Heinrich, Wiulfhilt und Bertha. Heinrich zeigte ihm genau alle Zubehör des Hauses, und sie sprachen von der Gebarung mit Feld, Wiese, Wald und Viehstand. Einmal waren alle und drei Dienstmannen Heinrichs, die gekommen waren, auf dem Fels der drei Sessel, und ein anderes Mal waren sie bei dem schwarzen See, und wieder andere Male an verschiedenen Stellen des großen Waldes. An einem Vormittage saßen Witiko und Bertha auch auf den Steinen der Sperwiese, da die Sonne auf dieselben schien.

      Am sechsten Tage, da Witiko in dem Hause Heinrichs war, ging er des Nachmittages allein im Walde auf dem Wege, der zu den Sesseln führt. Da sprang über grünbemooste Steine zwischen den Stämmen Wolf zu ihm, blieb stehen, sah ihn an, und sprach: »Ihr habt mir schon im Hauzenberge Vergunst zum Reden gegeben, gebt sie mir heute auch.«

      »Die hast du immer, Wolf«, sagte Witiko, »ich habe mit dir in dem Speisesaale geredet, und du mit mir, und du hast alle Tage mit mir reden können.«

      »Aber geheim und allein«, sagte Wolf.

      »So rede geheim und allein«, sprach Witiko.

      »Es muß so sein«, antwortete Wolf. »Ich bitte Euch, nehmet mich in Eure Dienste.«

      »Willst du deinen Herrn, Heinrich von Jugelbach, verlassen?« fragte Witiko.

      »Ich will ihn nicht verlassen«, antwortete Wolf, »sondern recht bei ihm bleiben, nämlich bei Bertha, seiner Tochter. Ihr werdet sie heiraten, und da werden Frauen mit ihr zu Euch gehen, ihr zu dienen, ich weiß nicht, ob auch Männer mitgehen, die ihre und Eure Diener sind; aber es soll einer mitgehen, und ich ginge mit.«

      »Bist du Bertha so zugetan?« fragte Witiko.

      »Freilich, und ich muß ihr ja in vielem helfen«, sagte Wolf, »sie ist hochgeistig wie ihr Vater, und hilft sich in manchem nicht, was sie will. Es wäre eine wahre Schandtat gewesen, wenn Ihr sie nicht geheiratet hättet. Und seit Ihr mit den zwei andern da gewesen seid, seid Ihr wieder gar nicht gekommen, was nicht recht ist.«

      »Bertha sagt, es ist recht gewesen«, sprach Witiko.

      »Sie sagt es; aber ich sage, es ist gar nicht recht gewesen«, antwortete Wolf, »da seid Ihr aber doch gekommen, und alles ist gut geworden, ich weiß es schon, alles ist mir gelungen.«

      »Dir ist es gelungen«, sagte Witiko.

      »Da Ihr einmal bei uns gewesen seid, und da ich mit Euch auf dem Sesselfels und auf dem Hohenstein und bei dem schwarzen See gewesen bin«, sprach Wolf, »und da Ihr fort geritten waret, und da Ihr so lange in dem oberen Plane wartet, da bin ich manches Mal in den Wacholderbüschen gelegen, wenn Ihr