Gustav Freytag

Aus dem Staat Friedrichs des Großen


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Sanssouci die müden Augen schloß, hat jeder mit seinen Tugenden und Fehlern wie eine notwendige Ergänzung seines Vorgängers gelebt. Kurfürst Friedrich Wilhelm, der größte Staatsmann aus der Schule des deutschen Krieges, der prachtliebende erste König Friedrich, der sparsame Despot Friedrich Wilhelm I., zuletzt er, in welchem sich die Anlagen und großen Eigenschaften fast aller seiner Vorfahren zusammen fanden, im 18. Jahrhundert die Blüte des Geschlechts.

      Es war eine freudeleeres Leben im Königsschloß zu Berlin, als Friedrich heranwuchs, so arm an Liebe und Sonnenschein, wie in wenig Bürgerhäusern jener rauhen Zeit. Man darf zweifeln, ob der König, sein Vater, oder die Königin größere Schuld an der Zerrüttung des Familienlebens hatten, beide nur durch Fehler ihres Naturells, welche in den unaufhörlichen Reibungen des Hauses immer größer wurden. Der König, ein wunderlicher Tyrann, mit weichem Herzen, aber einer rohen Heftigkeit, die mit dem Stocke Liebe und Vertrauen erzwingen wollte, von scharfem Menschenverstand, aber so unwissend, daß er immer in Gefahr kam, Opfer eines Schurken zu werden, und in dem dunklen Gefühl seiner Schwäche wieder mißtrauisch und von jäher Gewaltsamkeit; die Königin dagegen, keine bedeutende Frau, von kälterem Herzen, mit einem starken Gefühl ihrer fürstlichen Würde, dabei mit vieler Neigung zur Intrige, ohne Vorsicht und Schweigsamkeit. Beide hatten den besten Willen und gaben sich ehrlich Mühe, ihre Kinder zu tüchtigen und guten Menschen zu machen, aber beide störten unverständig das gesunde Aufleben der Kinderseele. Die Mutter hatte die Taktlosigkeit, die Kinder schon im zarten Alter zu Vertrauten ihres Ärgers und ihrer Intrigen zu machen; denn über die unholde Sparsamkeit des Königs, über die Schläge, die er so reichlich in seinen Zimmern austeilte, und über die einförmige Tagesordnung, die er ihr aufzwang, nahm in ihren Gemächern Klage, Groll, Spott kein Ende. Der Kronprinz Friedrich wuchs im Spiel mit seiner älteren Schwester heran, ein zartes Kind mit leuchtenden Augen und wunderschönem blonden Haar. Pünktlich wurde ihm gerade so viel gelehrt, als der König wollte, und das war wenig genug: Französisch, etwas Geschichte und was einem Soldaten damals für nötig galt, dazu kaum etwas lateinische Deklination, und zwar gegen den Willen des Vaters, – der große König ist nie über die Schwierigkeiten des Genitivs und Dativs herausgekommen. Die Frauen brachten dem Knaben, der sich gern gehen ließ und in Gegenwart des Königs scheu und trotzig aus den Kinderaugen sah, das erste Interesse an französischer Literatur bei; er selbst hat später seine Schwester darum gerühmt, aber auch seine Gouvernante war eine kluge Französin. Daß dem König das fremde Wesen verhaßt war, trug sicher dazu bei, es dem Sohne wert zu machen, denn fast systematisch wurde in den Appartements der Königin das gelobt, was dem strengen Hausherrn mißfiel. Und wenn der König in der Familie eine seiner polternden frommen Reden hielt, dann sahen die Prinzeß Wilhelmine und der junge Friedrich einander so lange bedeutsam an, bis das herausfordernde Gesicht, das eines der Kinder machte, die kindische Lachlust erregte und den Grimm des Königs zum Ausbruch brachte. Dadurch wurde der Sohn schon in frühen Jahren dem Vater ein Gegenstand des Ärgers. Einen effeminierten Kerl schalt er ihn, der sich malproper halte und eine unmännliche Freude an Putz und Spielereien habe.

      Aber aus dem Bericht seiner Schwester, deren schonungslosem Urteil der Tadel leichter wird als das Lob, ist auch zu sehen, wie die Liebenswürdigkeit des reichbegabten Knaben auf seine Umgebung wirkte. Wenn er mit der Schwester heimlich eine französische Geschichte las und den ganzen Hof in die komischen Charaktere des Romans umdeutete, wenn sie mit Flöte und Laute verpönte Musik machten, wenn er die Schwester verkleidet besuchte und sie die Rollen einer französischen Komödie gegeneinander rezitierten. Aber selbst bei diesen harmlosen Freuden wurde der Prinz fortwährend in Lüge, Täuschung, Verstellung gedrängt. Er war stolz, hochgesinnt, großmütig, von rücksichtsloser Wahrheitsliebe. Daß ihm die Verstellung innerlichst widerstand, daß er sich, wo sie verlangt wurde, nicht dazu herablassen wollte, und wo er es einmal tat, ungeschickt heuchelte, das machte seine Stellung zum Vater immer schwieriger, größer wurde das Mißtrauen des Königs, immer wieder brach dem Sohn das verletzte Selbstgefühl als Trotz hervor.

      So wuchs er auf, von plumpen Spionen umgeben, welche dem König jedes Wort zutrugen. Ein Gemüt von den reichsten Anlagen, der feinsten geistigen Begehrlichkeit, ohne jede männliche Gesellschaft, die für ihn gepaßt hätte. Kein Wunder, daß der Jüngling auf Abwege geriet. Der preußische Hof konnte im Vergleich zu den andern Höfen Deutschlands für einen sehr tugendhaften gelten; aber die Frivolität gegen Frauen und die Unbefangenheit, mit welcher die bedenklichsten Verhältnisse behandelt wurden, waren auch dort sehr groß. Seit einem Besuch an dem liederlichen Hofe in Dresden begann es Prinz Friedrich zu treiben wie andere Prinzen seiner Zeit, er fand gute Kameraden unter den jungen Offizieren seines Vaters. Wir wissen aus dieser Zeit wenig von ihm, aber wir dürfen schließen, daß er dabei allerdings in einige Gefahr kam, nicht zu verderben, aber in Schulden und unbedeutenden Verhältnissen wertvolle Jahre zu verlieren. Es war sicher nicht der steigende Unwille des Vaters allein, der ihn in dieser Zeit verstimmte und ratlos umherwarf, ebensosehr ein inneres Mißbehagen, das den unfertigen Jüngling um so wilder in die Irre treibt, je größer die stillen Ansprüche sind, die sein Geist an das Leben macht.

      Er beschloß nach England zu entfliehen. Wie die Flucht mißlang, wie der Zorn des Obristen Friedrich Wilhelm gegen den fahnenflüchtigen Offizier aufbrannte, ist bekannt. Mit den Tagen seiner Gefangenschaft in Küstrin und dem Aufenthalt in Ruppin begannen seine ernsten Lehrjahre. Das Fürchterliche, das er erfahren, hatte auch neue Kraft in ihm wachgerufen. Er hatte alle Schrecken des Todes, die greulichsten Demütigungen mit fürstlichem Stolze ertragen. Er hatte über die größten Rätsel des Lebens, über den Tod und was darauf folgen soll, in der Einsamkeit seines Gefängnisses nachgedacht, er hatte erkannt, daß ihm nichts als Ergebung, Geduld, ruhiges Ausharren übrigbleibe. Aber das bittere, herzfressende Unglück ist doch keine Schule, welche nur das Gute herausbildet, auch manche Fehler wachsen dabei groß. Er lernte in stiller Seele seine Entschlüsse bewahren, mit Argwohn auf die Menschen sehn und sie als seine Werkzeuge gebrauchen, sie täuschen und mit einer kalten Klugheit liebkosen, von welcher sein Herz nichts wußte. Er mußte dem feigen, gemeinen Grumbkow schmeicheln, und froh sein, daß er ihn allmählich für sich gewann; er mußte sich jahrelang immer wieder Mühe geben, den Widerwillen und das Mißtrauen des harten Vaters klug zu bekämpfen. Immer sträubte sich seine Natur gegen solche Demütigung, durch bittern Spott suchte er sein geschädigtes Selbstgefühl geltend zu machen; sein Herz, das für alles Edle erglühte, bewahrte ihn davor, ein harter Egoist zu werden, aber milder, versöhnlicher wurde er nicht. Und als er längst ein großer Mensch, ein weiser Fürst geworden war, blieb ihm aus dieser Zeit der Knechtschaft doch eine Spur von kleinlicher Hinterlist zurück, der Löwe hat einigemal nicht verschmäht, in niedriger Rachsucht wie ein Kater zu kratzen.

      Doch er lernte in diesen Jahren auch etwas Nützliches ehren: die strenge Wirtschaftlichkeit, mit welcher die beschränkte aber tüchtige Kraft seines Vaters für das Wohl des Landes und seines Hauses sorgte. Wenn er, um dem König zu gefallen, Pachtanschläge machen mußte, wenn er sich Mühe gab, den Ertrag einer Domäne um einige hundert Taler zu steigern, wenn er auch auf die Liebhabereien des Königs mehr als billig einging und ihm den Vorschlag machte, einen langen Schäfer aus Mecklenburg als Rekruten zu entführen, so war im Anfang allerdings diese Arbeit nur ein lästiges Mittel, den König zu versöhnen; denn Grumbkow sollte ihm einen Mann schaffen, der die Taxe statt seiner machte, die Amtleute und Kammerbeamten selbst gaben ihm an die Hand, wie hie und da ein Plus zu gewinnen war, und über die Riesen spottete er immer noch, wo er das ungestraft konnte. Aber die neue Welt, in die er versetzt war, die praktischen Interessen des Volkes und des Staates zogen ihn doch allmählich an. Es war leicht einzusehen, daß auch die Wirtschaftlichkeit seines Vaters oft tyrannisch und wunderlich war. Der König hatte immer die Empfindung, daß er nichts als das Beste seines Landes wollte, und deshalb nahm er sich die Freiheit, mit der größten Willkür bis in das einzelne in Besitz und Geschäft der Privatpersonen einzugreifen. Wenn er befahl, daß kein Ziegenbock mit den Schafen ausgetrieben werden dürfe, daß alle farbigen Schafe, graue, schwarze, melierte binnen drei Jahren gänzlich abgeschafft und nur feine weiße Wolle geduldet werden solle; wenn er genau vorschrieb, wie die kupfernen Probemaße des Berliner Scheffels, die er durch das ganze Land – auf Kosten der Untertanen – verschicken ließ, aufbewahrt und verschlossen werden sollten, damit sie keine Beulen bekämen; wenn er, um die Linnen- und Wollenindustrie in die Höhe zu bringen, verordnete, seine Untertanen sollten durchaus nicht den modischen Zitz und Kattun tragen, hundert Taler Strafe und drei Tage