hart und kleinlich. Aber den klugen Sinn und die wohlwollende Absicht, die hinter solchen Erlässen erkennbar war, lernte der Sohn doch ehren, und er selbst eignete sich allmählich eine Menge von Detailkenntnissen an, die sonst einem Fürstensohn nicht geläufig werden: Werte der Güter, Preise der Lebensmittel, Bedürfnisse des Volkes, Gewohnheiten, Rechte und Pflichten des kleinen Lebens. Es ging sogar auf ihn viel von dem Selbstgefühl über, womit der König sich dieser Geschäftskenntnisse rühmte. Und als er der allmächtige Hauswirt seines Staates geworden, da wurde der unermeßliche Segen offenbar, den seine Kenntnis des Volkes und des Verkehrs haben sollte. Nur dadurch wurde die weise Sparsamkeit möglich, mit welcher er sein eigenes Haus und die Finanzen verwaltete, seine unablässige Sorge für das Detail, wodurch er Landbau, Handel, Wohlstand, Bildung seines Volkes erhob. Wie die Tagesrechnungen seiner Köche, so wußte er die Anschläge zu prüfen, in denen die Einkünfte der Domänen, Forsten, der Akzise berechnet waren. Daß er das Kleinste wie das Größte mit scharfem Auge übersah, das verdankte sein Volk zum größten Teil den Jahren, in denen er gezwungen als Assessor am grünen Tische zu Ruppin saß. Und zuweilen begegnete ihm selbst, was zu seines Vaters Zeit ärgerlich gewesen war, daß seine Kenntnis der geschäftlichen Einzelheiten doch nicht groß genug war, und daß er hier und da, grade wie sein Vater, befahl, was gewaltsam in das Leben seiner Preußen einschnitt und nicht durchgeführt werden konnte.
Kaum hatte Friedrich die Schläge der großen Katastrophe ein wenig verwunden, da traf ihn ein neues Unglück, seinem Herzen ebenso schrecklich wie das erste, in seinen Folgen noch verhängnisvoller für sein Leben. Der König zwang ihm eine Gemahlin auf. Herzerschütternd ist das Weh, in dem er ringt, sich von der erwählten Braut loszumachen. »Sie soll frivol sein, so viel sie will, nur nicht einfältig, das ertrage ich nicht.« Es war alles vergebens. Mit Bitterkeit und Zorn sah er auf diese Verbindung bis kurz vor der Vermählung. Nie hat er den Schmerz überwunden, daß der Vater dadurch sein inneres Leben zerstört habe. Seine reizbare Empfindung, das liebebedürftige Herz, sie waren in rohester Weise verkauft. Nicht allein er wurde dadurch unglücklich, auch eine gute Frau, die des besten Schicksals wert gewesen wäre. Die Prinzessin Elisabeth von Bevern hatte viele edle Eigenschaften des Herzens, sie war nicht einfältig, sie war nicht häßlich und vermochte selbst vor der herben Kritik der Fürstinnen des königlichen Hauses erträglich zu bestehen. Aber wir fürchten, wäre sie ein Engel gewesen, der Stolz des Sohnes, der im Kern seines Lebens durch die unnötige Barbarei des Zwanges empört war, hätte dennoch gegen sie protestiert. Und doch war das Verhältnis nicht zu jeder Zeit so kalt, wie man wohl annimmt. Sechs Jahre gelang es der Herzensgüte und dem Takt der Prinzessin, den Kronprinzen immer wieder zu versöhnen. In der Zurückgezogenheit von Rheinsberg war sie in der Tat seine Hausfrau und eine liebenswürdige Wirtin seiner Gäste, und schon wurde von den österreichischen Agenten an den Wiener Hof berichtet, daß ihr Einfluß im Steigen sei. Aber der bescheidenen Anhänglichkeit ihrer Seele fehlten zu sehr die Eigenschaften, welche einen geistreichen Mann auf die Dauer zu fesseln vermögen. Die aufgeweckten Kinder des Hauses Brandenburg hatten das Bedürfnis, ihr leichtbewegtes Innere launig, schnell und scharf nach außen zu kehren. Die Prinzessin wurde, wenn sie erregt war, still, wie gelähmt, die leichte Grazie der Gesellschaft fehlte ihr. Das paßte nicht zusammen. Auch die Art, wie sie den Gemahl liebte, pflichtvoll, sich immer unterordnend, wie gebannt und gedrückt von seinem großen Geiste, war dem Prinzen wenig interessant, der mit der französischen geistreichen Bildung nicht wenig von der Frivolität der französischen Gesellschaft angenommen hatte.
Als Friedrich König wurde, verlor die Fürstin schnell den geringen Anteil, den sie sich am Herzen ihres Gemahls etwa erworben hatte. Die lange Abwesenheit im Ersten Schlesischen Kriege tat das Letzte, den König von ihr zu entfernen. Immer sparsamer wurden die Beziehungen der Gatten, es vergingen Jahre, ohne daß sie einander sahen, eine eisige Kürze und Kälte ist in seinen Briefen erkennbar. Daß der König ihren Charakter so hoch achten mußte, erhielt sie in der äußeren Stellung. – Seine Verhältnisse mit Frauen waren seitdem wenig einflußreich auf sein inneres Empfinden; selbst seine Schwester von Baireuth, kränklich, nervös, verbittert durch Eifersucht auf einen ungetreuen Gemahl, wurde dem Bruder auf Jahre fremd, und erst, als sie sich für das eigene Leben resigniert hatte, suchte dies stolze Kind des Hauses Brandenburg alternd und unglücklich wieder das Herz des Bruders, dessen kleine Hand sie einst vor den Füßen des strengen Vaters gehalten hatte. Auch die Mutter, der König Friedrich immer ausgezeichnete kindliche Verehrung bewies, konnte der Seele des Sohnes wenig sein. Seine andern Geschwister waren jünger und nur zu geneigt, im Haus stille Fronde gegen ihn zu machen; wenn der König sich herabließ, einmal einer Hofdame oder einer Sängerin Aufmerksamkeiten zu zeigen, so waren diese in der Regel für die Betroffenen ebenso angstvoll als schmeichelhaft. Wo er freilich Geist, Grazie und weibliche Würde zusammen fand, wie bei Frau von Camas, der Oberhofmeisterin seiner Gemahlin, da wurde die Liebenswürdigkeit seiner Natur in vielen herzlichen Aufmerksamkeiten laut. Im ganzen aber haben die Frauen seinem Leben wenig Licht und Glanz gegeben, kaum je hat die innige Herzlichkeit des Familienlebens sein Inneres erwärmt, nach dieser Seite verödete sein Gemüt. Vielleicht wurde das ein Glück für seine Nation, sicher ein Verhängnis für sein Privatleben. Die volle Wärme seiner menschlichen Empfindung blieb fast ausschließlich dem kleinen Kreise der Vertrauten vorbehalten, mit denen er lachte, dichtete, philosophierte, Pläne für die Zukunft machte, später seine Kriegsoperationen und Gefahren besprach.
Seit er vermählt in Rheinsberg lebte, beginnt der beste Teil seiner Jugendzeit. Dort wußte er eine Anzahl gebildeter und heiterer Gesellschafter um sich zu vereinigen, die kleine Genossenschaft führte ein poetisches Leben, von welchem Teilnehmer ein anmutiges Bild hinterlassen haben. Ernsthaft begann Friedrich an seiner Bildung zu arbeiten. Leicht fügte sich ihm der Ausdruck erregter Empfindung in den Zwang französischer Verse, unablässig arbeitete er, sich die Feinheiten des fremden Stils anzueignen. Aber auch über Ernsterem arbeitete sein Geist, für alle höchsten Fragen des Menschen suchte er sehnsüchtig Antwort bei den Enzyklopädisten, auch bei Christian Wolf, er saß über Karten und Schlachtenpläne geneigt, und unter den Rollen des Liebhabertheaters und den Baurissen wurden andere Projekte vorbereitet, welche nach wenig Jahren die Welt aufregen sollten.
Da kam der Tag, an welchem sein sterbender Vater der Regierung entsagte und den Offizier, der die Tagesmeldung tat, anwies, von dem neuen Kriegsherrn Preußens die Befehle einzuholen. Wie der Prinz von seinen politischen Zeitgenossen damals beurteilt wurde, sehen wir aus der Charakteristik, welche kurz vorher ein österreichischer Agent von ihm gemacht hatte: »Er ist anmutig, trägt eignes Haar, hat eine schlaffe Haltung, liebt schöne Künste und gute Küche, er möchte seine Regierung gern mit einem Eklat anfangen, ist ein soliderer Freund des Militärs als sein Vater, hat die Religion eines honetten Mannes, glaubt an Gott und die Vergebung der Sünden, liebt Glanz und großartiges Wesen, er wird alle Hofchargen neu etablieren und vornehme Leute an seinen Hof ziehen.« [1] Nicht ganz ist diese Prophezeiung gerechtfertigt worden. Wir suchen in dieser Zeit andre Seiten seines Wesens zu verstehen. Der neue König war von feuriger enthusiastischer Empfindung, schnell erregt, leicht kamen die Tränen in seine Augen. Wie seinen Zeitgenossen war ihm leidenschaftliches Bedürfnis, das Große zu bewundern, sich weichen Stimmungen elegisch hinzugeben. Zärtlich blies er sein Adagio auf der Flöte, wie andern ehrlichen Zeitgenossen ward auch ihm in Wort und Vers der volle Ausdruck innigen Gefühls nicht leicht, aber die pathetische Phrase rührte ihm Tränen und Empfindsamkeit auf. Trotz aller französischen Sentenzen war die Anlage seines Wesens auch nach dieser Richtung sehr deutsch.
Sehr ungerecht haben ihn die beurteilt, welche ihm ein kaltes Herz zuschrieben. Nicht die kalten Fürstenherzen sind es, die am meisten durch ihre Härte verletzen. Solchen ist fast immer vergönnt, durch gleichmäßige Huld und schicklichen Ausdruck ihre Umgebung zu befriedigen. Die stärksten Äußerungen der Nichtachtung liegen in der Regel dicht neben den herzgewinnenden Lauten einer weichen Zärtlichkeit. Aber in Friedrich war, so scheint uns, eine auffallende und seltsame Verbindung von zwei ganz entgegengesetzten Richtungen des Gemüts, welche sonst auf Erden in ewig unversöhntem Kampfe liegen. Er hatte ebensosehr das Bedürfnis, sich das Leben zu idealisieren, als den Drang, sich und anderen ideale Stimmungen unbarmherzig zu zerstören. Seine erste Eigenschaft war vielleicht die schönste, vielleicht die leidvollste, mit welcher ein Mensch für den Kampf der Erde ausgestattet wird. Er war allerdings eine Dichternatur, er besaß in hohem Grade jene eigentümliche Kraft, welche