mit dem ganzen Zauber eines beweglichen Gefühls, mit der Grazie seiner Phantasie das Bild seiner Lieben sich zuzurichten und das Verhältnis, in das er sich frei zu ihnen gesetzt hatte, auszuschmücken. Es war immer etwas Spiel dabei; auch wo er am leidenschaftlichsten empfand, liebte er mehr sein verschönertes Bild des andern, das er in sich trug, als diesen selbst. In solcher Stimmung hat er Voltaires Hand geküßt. Wurde ihm irgendeinmal in empfindlicher Weise der Unterschied zwischen seinem Ideal und dem wirklichen Menschen fühlbar, so ließ er den Menschen fallen und hielt sich an das Bild. Wem die Natur diese Anlage gegeben hat, Liebe und Freundschaft vorzugsweise durch das bunte Glas poetischer Stimmungen zu empfinden, der wird nach dem Urteil anderer in der Wahl seiner Lieben immer Willkür zeigen; eine gewisse gleichmäßige Wärme, welche rücksichtsvoll alle bedenkt, scheint solchen Naturen versagt zu sein. Wem der König in seiner Weise Freund geworden war, gegen den war er von der größten Aufmerksamkeit und Ausdauer, wie sehr auch seine Stimmung in einzelnen Momenten wechselte. Er konnte dann in seiner Trauer über den Verlust einer solchen Gestalt sentimental werden, wie nur irgendein Deutscher aus der Wertherperiode. Er hatte mit seiner Schwester von Baireuth viele Jahre in einiger Entfremdung gelebt, erst in den letzten Jahren vor ihrem Tode, unter den Schrecken des schweren Kriegs, war ihm ihr Bild als das einer zärtlichen Schwester wieder lebendig aufgegangen. Nach ihrem Tode fand er einen düstern Genuß darin, das Herzliche dieses Verhältnisses sich und andern vorzustellen, er baute ihr einen kleinen Tempel und wallfahrte oft dahin. Wer seinem Herzen nicht durch Vermittlung poetischer Empfindungen nahetrat, nicht die liebespinnende Poesie ihm anregte, ja wer gar etwas in seinem reizbaren Wesen störte, gegen den war er kalt, nichtachtend, gleichgültig, ein König, der nur frug, wieweit der andere ihm nütze, er warf ihn vielleicht weg, wenn er ihn nicht mehr brauchte. Solche Begabung vermag allerdings das Leben des jungen Mannes mit einem verklärenden Schimmer zu umgeben, sie verleiht bunten Schein und holde Farbe auch Gewöhnlichem, aber sie wird mit viel guter Sitte, Pflichtgefühl und einem Sinn, der Höheres will als sich selbst, verbunden sein müssen, wenn sie denselben Mann in höherem Alter nicht isolieren und verdüstern soll. Sie wird auch im günstigsten Falle neben den wärmsten Verehrern bittere Feinde aufregen. Etwas von dieser Anlage hat der edlen Seele Goethes schwere Schmerzen, dauerlose Verhältnisse, viele Enttäuschungen und ein einsames Alter bereitet. Sie wird doppelt verhängnisvoll für einen König, dem andere so selten sicher und gleichberechtigt gegenübertreten, dem die offenherzigsten Freunde immer noch bewundernde Schmeichler werden, ungleich in ihrem Verhalten, bald unfrei im höfischen Banne seiner Majestät, bald im Gefühl ihrer Rechte unzufriedene Tadler.
Dem König Friedrich aber wurde dieses Bedürfnis nach idealen Verhältnissen und die Sehnsucht nach Menschen, die seinem Herzen Gelegenheit gaben sich rückhaltslos aufzuschließen, zunächst durch seinen durchdringenden Scharfblick gekreuzt, und durch eine unbestechliche Wahrheitsliebe, welche allen Täuschungen todfeind war, sich gegen jede Illusion unwillig sträubte, den Schein überall verachtete, immer dem Kern der Dinge nachspürte. Diese prüfende Auffassung des Lebens und seiner Pflichten allein mochte ihm ein guter Schutz gegen die Täuschungen werden, welche den phantasievollen Fürsten, wo er Vertrauen schenkt, häufiger kränken als den Privatmann. Aber sein Scharfsinn zeigte sich auch als wilde Laune, welche schonungslos, sarkastisch und spottlustig verwüstete. Woher ihm diese Anlage kam? War es märkisches Blut? War es ein Erbteil seiner Urgroßmutter, der Kurfürstin Sophie von Hannover, und seiner Großmutter, der Königin Sophie Charlotte, jener geistvollen Frauen, mit denen Leibniz über die ewige Harmonie der Welt verhandelt hatte? Sicher hatte die rauhe Schale seiner Jugend dazu beigetragen. Scharf ist sein Blick für die Schwächen anderer; wo er eine Blöße erspäht, wo ihn fremde Art ärgert oder reizt, da rührt sich ihm die bewegliche Zunge. Freunde und Feinde trifft schonungslos sein Wort: auch wo Schweigen und Ertragen von jeder Vorsicht geboten ist, vermag er nicht sich zu beherrschen; dann ist seine Seele wie verwandelt, erbarmungslos, unendlich, übertreibend verzieht er sich das Bild des andern zur Karikatur. Sieht man näher zu, so ist freilich auch hierbei die Freude an der geistigen Produktion die Hauptsache, er befreit sich selbst von einem unholden Eindruck, indem er gegen sein Opfer improvisiert, er malt ins Groteske mit innerem Behagen, und er wundert sich wohl, wenn der Betroffene tief verletzt auch wieder gegen ihn in Waffen tritt. Sehr auffallend ist darin seine Ähnlichkeit mit Luther. Daß es nicht würdig ist und vielleicht nicht geziemend, kümmert den König so wenig als den Reformator, beide sind in einer Aufregung, wie auf der Jagd, beide vergessen über die Freude des Kampfes gänzlich die Folgen. Beide haben sich selbst und ihrer großen Sache dadurch ernsthaft geschadet und sich aufrichtig gewundert, wenn sie das einmal erkannten. Freilich sind die Keulenschläge oder die Streiche mit der Pritsche, welche der große Mönch des 16. Jahrhunderts führt, bei weitem furchtbarer als die Stiche, welche der große Fürst im Zeitalter der Aufklärung austeilt. Aber wenn der König neckt und höhnt und vielleicht einmal boshaft zwickt, so wird ihm das unartige Wesen schwerer verziehen; denn es ist häufig kein gleicher Kampf, den er mit seinen Opfern führt. So hat der große Fürst alle seine politischen Gegner behandelt und tödliche Feindschaft gegen sich aufgeregt; über die Pompadour in Frankreich, über Kaiserin Elisabeth und Kaiserin Maria Theresia hat er an der Tafel gescherzt, beißende Verse und Pamphlete in Umlauf gesetzt. So hat er sein Dichterideal Voltaire bald gestreichelt, bald gescholten und gekratzt. So verfuhr er aber auch mit Menschen, welche er wirklich hoch schätzte, denen er das größte Vertrauen schenkte, die er in den Kreis seiner Freunde aufgenommen. Er hatte den Marquis d'Argens an seinen Hof gezogen, zum Kammerherrn gemacht, zum Mitglied der Akademie, zu einem seiner nächsten und liebsten Genossen. Die Briefe, welche er ihm aus den Feldlagern des Siebenjährigen Krieges schrieb, gehören zu den schönsten und rührendsten Erinnerungen, die uns von dem Könige geblieben sind. Als Friedrich aus dem Kriege heimkehrt, ist ihm eine liebe Hoffnung, daß der Marquis bei ihm in Sanssouci wohnen soll. Und wenige Jahre darauf ist dieses schöne Verhältnis in der peinlichsten Weise gelöst. Wie war das doch möglich? Der Marquis war vielleicht der beste Franzose, den der König an sich gefesselt, ein Mann von Ehre, feinfühlend, gebildet, dem König in Wahrheit ergeben. Aber er war weder ein bedeutender, noch ein besonders kräftiger Mann. Lange Jahre hatte der König in ihm einen Gelehrten bewundert, was er nicht war, einen weisen, klaren, sichern Philosophen mit gefälligem Witz und frischer Laune, er hatte sich sein Bild ganz gemütlich und poetisch zugerichtet. Jetzt, bei dem täglichen Zusammensein, fand der König sich getäuscht, ›ein weichliches Wesen des‹ Franzosen, das mit der eigenen Kränklichkeit hypochondrisch spielte, ärgerte ihn, er begann zu erkennen, daß ›der gealterte Marquis weder ein großes Talent‹ noch ›von starkem Geist‹ war, das Ideal, das er sich von ihm gemacht, wurde zerstört. Da beginnt der König ihn wegen seiner Weichlichkeit zu verspotten, der empfindliche Franzose erbittet Urlaub, zur Herstellung seiner Gesundheit auf einige Monate nach Frankreich zu reisen. Der König ist durch dies übellaunische Wesen verletzt, und fährt fort, in den Freundesbriefen, welche er ihm nachsendet, dies Kranktun zu höhnen. In Frankreich solle sich jetzt ein Werwolf zeigen, kein Zweifel, daß der Marquis dies sei, als Preuße, und in seiner kläglichen Krankenhülle. Ob er jetzt kleine Kinder esse? Die Unart habe er doch sonst nicht gehabt, aber auf Reisen ändere sich vieles am Menschen. Der Marquis bleibt statt weniger Monate zwei Winter; als er zurückkehren will, sendet er Zeugnisse seiner Ärzte; wahrscheinlich war der wackre Mann in der Tat krank gewesen, aber den König verletzt diese unbehilfliche Legitimation eines alten Freundes im Innersten. Und wie dieser zurückkehrt, ist das alte Verhältnis verdorben. Noch will ihn der König nicht loslassen, aber er gefällt sich darin, durch Stachelreden und starke Scherze den Treulosen zu strafen. Da fordert der Franzose, in tiefster Seele gekränkt, seine Entlassung. Er erhält sie, und man erkennt den Schmerz und Zorn des Königs aus dem Bescheide. Als der Marquis in dem letzten Brief, den er vor seinem Tode dem König schrieb, noch einmal nicht ohne Bitterkeit vorhielt, wie höhnend und schlecht er einen uneigennützigen Verehrer behandelt, da las der König schweigend den Brief. Aber an die Witwe des Toten schrieb er betrübt von seiner Freundschaft für ihren Gatten, und ließ ihm in fremdem Land ein kostbares Denkmal errichten. – Mit den meisten seiner Lieben ging es dem großen Fürsten so; magisch wie seine Kraft, anzuziehen, ebenso dämonisch war seine Fähigkeit, abzustoßen. Wer aber darin einen Fehler des Mannes schelten will, dem sei die Antwort, daß es in der Geschichte kaum einen andern König gegeben hat, der in so großartiger Weise sein geheimstes Seelenleben seinen Freunden aufgeschlossen hat, als Friedrich.
Wenige Monde trug Friedlich II. die Krone, da starb Kaiser