Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman


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du die bekannte Leere?«

      »So ist es. Deshalb rufe ich auch an. Habt ihr das Haus voll oder könnte ich mich für ein paar Tage bei euch einnisten?«

      »Es wäre sogar sehr schön, wenn du kämst, wir haben nämlich eine junge Frau hier, die sicherlich eine interessante Gesprächspartnerin für dich wäre. Sie ist gerade aus Afrika zurückgekehrt, wo sie zwei Jahre lang als Ärztin gearbeitet hat.«

      »Etwa Bettina von Rabenfels?«, fragte Konstantin.

      »Du kennst sie?«, rief Friedrich erstaunt.

      »Ja, ich habe ihren Vortrag gehört neulich, und wir sind hinterher ins Gespräch gekommen. Fritz, sag ihr nicht, dass ich komme – dann kann ich sie überraschen.«

      »Von mir aus gern«, erwiderte der Baron.

      Zufrieden kehrte er in den Salon zurück, wo er sich dieses Mal den kleinen Paul schnappte, der ein wenig schüchterner als seine Schwes­ter war. Doch auch er zeigte ein seliges Lächeln, als der Baron ihn hoch über seinem Kopf durch die Luft schwenkte.

      »Mir scheint«, stellte Bettina fest, »ihr braucht in absehbarer Zeit ein paar Enkelkinder, Sofia und Fritz.«

      »Bevor ich dreißig bin, kriege ich keine Kinder«, sagte Konrad sofort.

      »Männer kriegen sowieso keine Kinder, Konny«, kicherte Anna.

      »Sehr witzig«, brummte er. »Du weißt aber doch, was ich gemeint habe, oder?«

      »Und wie lange willst du warten, Anna?«, erkundigte sich Bettina.

      »Keine Ahnung – auch noch ziemlich lange, schätze ich.«

      »Du hörst es, Tina!«, lächelte Sofia. »Du wirst uns mit den Zwillingen einfach häufig besuchen müssen.«

      Bettina nickte, aber sie sah die Baronin dabei nicht an. Ihr Blick ruhte auf Miriam, die zufrieden auf Christians Schoß saß und an seinen Haaren zog. Sie biss sich auf die Lippen. Als der kleine Fürst jedoch unvermutet den Kopf hob und sie direkt ansah, wandte sie sich hastig ab. Wenig später stand sie auf. »Ich mache einen kleinen Spaziergang«, erklärte sie. »Kann ich die Kinder bei euch lassen? Ich muss ein biss­chen nachdenken.«

      »Wir sind froh, wenn du sie hier lässt, das weißt du doch!«, lächelte die Baronin.

      Bettina ging also. Christians nachdenklicher Blick folgte ihr.

      *

      »Und wieso erfahre ich das erst jetzt?«, rief Helen Marienhagen. »Meine kleine Schwester verliebt sich, und ich bin die Letzte, der sie es erzählt!«

      »Das stimmt doch gar nicht, Helen. Du bist die Erste, wenn du es genau wissen willst – und Moritz hat es auch erst einem Menschen erzählt, nämlich seinem Freund Konstantin.«

      »Du und Moritz«, murmelte Helen. »Auf die Idee wäre ich im Leben nicht gekommen. Wieso kanntet ihr euch eigentlich nicht?«

      »Seinen Namen hatte ich schon gehört, aber den Mann noch nie gesehen«, lächelte Lili. »Ich kenne ja auch Konstantin nicht besonders gut.«

      Helen umarmte ihre Schwester. »Ich freue mich für dich. Und für Moritz. Wenn ich es mir recht überlege, seid ihr füreinander geschaffen.«

      Lilis Wangen röteten sich. »Glaubst du das wirklich oder sagst du das jetzt nur so?«

      »Das glaube ich wirklich. Jetzt erzähl mir aber ganz genau, wie das passiert ist!«

      Lili hatte eben angefangen mit ihrem Bericht, als es klopfte und Konstantin erschien. Er sah ein wenig müde, aber sehr zufrieden aus. »Hallo, Helen, hallo, Lili – ich störe nicht lange. Hier ist das Manuskript, Helen, wie versprochen.«

      Sie umarmte ihn. »Du hast es also wirklich geschafft!«, rief sie strahlend, bevor sie ihm das dicke Paket abnahm. »Dann kann ich mich ja gleich an die Arbeit machen.«

      Er lächelte. »Ja, jetzt bist du an der Reihe – und ich bin froh, dass ich diese Last erst einmal los bin. Die letzten Wochen waren verdammt stressig, das muss ich schon sagen.«

      Auch Lili umarmte ihn nun. »Herzlichen Glückwunsch, Konstantin.«

      »Noch ist das Buch nicht fertig«, wehrte er ab. »Es könnte ja sein, dass deine Schwester die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, Lili, weil es ihr nicht gefällt.«

      »Das wäre dann aber das erste Mal«, stellte Helen fest. »Was machst du jetzt, Tino?«

      »Abschalten, ein paar Tage wegfahren, an nichts denken. So etwa habe ich mir das vorgestellt. Aber wenn etwas sein sollte, weißt du ja, wie du mich erreichen kannst.«

      Er umarmte die beiden Frauen zum Abschied und ging wieder.

      »Er ist nett«, stellte Lili fest.

      »Und sehr, sehr gut«, setzte Helen hinzu. »Mein bester Autor – ohne ihn könnte mein kleiner Verlag einpacken. Wenn ein neues Buch von ihm herauskommt, kann ich sicher sein, dass es sich gut verkauft. Wenn ich doch bloß noch einen wie ihn fände!« Sie erinnerte sich an Lilis Neuigkeit und zog ihre jüngere Schwester zu dem bequemen Sofa, mit dem sie eine Ecke ihres Büros möbliert hatte. »Aber nun reden wir nur noch von dir. Beziehungsweise von dir und Moritz. Erzähl endlich!«

      Das tat Lili nur zu gern.

      *

      »Alexa!«, sagte Henning von Rabenfels bittend. »Du warst doch neulich schon viel weiter – aber jetzt haderst du wieder mit deinem Schicksal. Nimm es doch einfach, wie es ist!«

      »Nein«, sagte sie so heftig, dass er erschrak. »Das kann ich nicht. Die Zwillinge sind süß, ich habe sie von Herzen gern. Aber darum geht es nicht. Ich kann mich nicht damit abfinden, dass unsere Tochter sich durch ihr Verhalten selbst ins Abseits gestellt hat. Sie wird von niemandem mehr eingeladen werden, sie hat sich gesellschaftlich ins Aus manövriert. Die schlimmsten Folgen können wir vielleicht zunächst abfedern, aber wie wird das später sein? Miriam und Paul bleiben nicht immer die niedlichen Babys, bei deren Anblick die Leute in Entzückensschreie ausbrechen. Irgendwann werden sie unleidliche Teenager sein – und Bettina eine alleinerziehende Mutter von zwei schwarzen Kindern, die keinen Vater haben. Damit kann ich mich nicht abfinden, ich bin schließlich ihre Mutter!«

      Sie schwieg einen Augenblick, bevor sie hinzusetzte: »Und ich verstehe wahrhaftig nicht, wie du das so leicht nehmen kannst. Sie ist auch deine Tochter – und dir muss so klar wie mir sein, was auf sie zukommt.«

      »Ich glaube nicht, dass das, was du erwartest, auf sie zukommt«, erwiderte Henning bedächtig.

      Sie starrte ihn ungläubig an. »Ach, und wieso glaubst du das nicht? Du bist doch nicht blind, Henning. Und du kennst die Regeln, die bei uns herrschen. Davon hat Tina gleich mehrere verletzt. Sie wird auf keinen Fall ungeschoren davonkommen, das weißt du so gut wie ich.«

      »Doch, ich denke schon«, widersprach Henning, »und ich will dir auch sagen, warum.«

      »Da bin ich aber gespannt.«

      Er überging ihren spitzen Tonfall und hielt ihr eine längere Rede, der sie mit wachsender Verwunderung lauschte.

      »Aber wie kommst du denn darauf?«, rief sie schließlich. »Hast du mit ihr gesprochen? Hat sie etwas in der Richtung gesagt?«

      »Kein Wort. Dennoch glaube ich, dass ich Recht habe. Ich kenne Tina – und du kennst sie auch.«

      Sie ließ sich alles, was er gesagt hatte, noch einmal durch den Kopf gehen.

      »Könnte sein«, gab sie endlich zu, »aber eine Garantie ist das nicht. Genauso gut ist es möglich, dass du dich irrst.«

      »Das stimmt«, gab er ohne zu zögern zu, »aber mein Gefühl sagt mir, dass es sich so verhält, wie ich denke. Ich kenne die Gründe nicht, aber irgendwann werden wir sie erfahren, da bin ich ganz sicher.«

      Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich fühle mich etwas benommen«, gestand sie. »Warum hast du mir nicht schon früher gesagt, was