es doch lieber im Verborgenen bleiben? Darauf hatte sie immer noch keine Antwort.
*
Es war schon spät, als Daniel und Fee Norden in dieser Nacht in ihre Kabine zurückkehrten.
»Hoppla«, kicherte Fee, als sie auf dem Weg dorthin hin und her schwankte. »So viel hab ich doch gar nicht getrunken.« Sie klammerte sich an ihrem Mann fest, doch an seinem Arm erging es ihr nicht besser.
»Es liegt auch nicht an dir«, beruhigte Daniel sie und streckte gerade noch rechtzeitig die Hände aus, ehe er gegen die Wand geschleudert wurde. »Wenn ich mich nicht irre, haben wir ganz schönen Seegang. Einer der Kellner meinte vorhin, dass ein Tropensturm direkt auf uns zusteuert.«
Die Flasche Rotwein, die sie mit dem Ehepaar Forberg geleert hatten, hatte die Stimmung gelöst. Fee konnte diese Drohung nicht ernst nehmen.
»Ein Sturm? Davon stand aber nichts in der Reisebeschreibung.« Sie musste schon wieder kichern, während sie an Daniels Arm auf ihre Kabine zu schwankte.
Zum Glück war das Ziel gleich erreicht und das Ehepaar Norden in Sicherheit.
»Ich bin ja mal gespannt, ob ich bei diesem Geschaukel überhaupt schlafen kann«, murmelte die Ärztin noch, als sie sich in den Arm ihres Mannes schmiegte.
Daniels Antwort hörte sie schon nicht mehr.
»Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier spricht der Kapitän. Wir sind in einen Tropensturm geraten, der schwerer ausgefallen ist als gedacht. Bitte bleiben Sie in Ihren Kabinen. Wir informieren Sie, sobald die Gefahr vorüber ist.«
Diese Worte waren das nächste, was Fee Norden wahrnahm. Ihren Sinn verstand sie allerdings nicht. Gleichzeitig spürte sie, wie sie von zwei Armen festgehalten wurde.
»Dan, was ist los?«, murmelte sie, ohne die Augen zu öffnen. »Warum rüttelst du mich so?«
»Das bin nicht ich«, verteidigte sich ihr Mann. »Das ist der Sturm.« Er hatte noch nicht ausgesprochen, als Fee einen scharfen Schmerz spürte. Sie riss die Augen auf und presste die Hände an den Kopf. »O Mann, was war das denn?« Tränen verschleierten ihren Blick.
»Dein Kopf hat eben Bekanntschaft mit der Bettkante gemacht«, erklärte Daniel und beugte sich über seine Frau. Er bemerkte ihre Tränen. »Ist es so schlimm?«, erkundigte er sich besorgt.
»Die Schmerzen doch nicht«, gab Felicitas unwirsch zurück. »Aber dieses Licht ist die Hölle. Kann man das nicht dimmen?«
Dr. Norden lachte erleichtert auf. Er tastete nach dem Schalter, und tatsächlich gelang es ihm, den Lichtschein zu dämpfen. »Besser?«
»Ja. Aber jetzt tut der Kopf weh«, seufzte Fee.
Einen Moment lang hörte das Schwanken auf, und sie sank zurück in die Kissen.
»Die könnten aber auch an dem einen Glas Rotwein zu viel liegen«, stellte ihr Mann umgehend eine Diagnose.
Noch immer hielt er seine Frau im Arm. Er war vom Wellengang erwacht, gerade noch rechtzeitig, um Fee vor einem Sturz aus dem Bett zu bewahren. Kurz darauf hatte auch schon der Kapitän zu den Passagieren gesprochen.
»Soll ich dir eine Tablette holen?«, fragte er.
»Damit du stürzt und dir das Bein brichst?«, fragte sie entgeistert. »Nein, danke. Das halte ich schon aus.«
»Meine tapfere Frau!« Daniel zog sie näher an sich. Eine Weile lag das Ehepaar eng umschlungen im Bett und lauschte auf die Brandung. »Ich glaube, der Seegang lässt langsam nach«, stellte Dr. Norden nach einer gefühlten Ewigkeit fest, als unvermittelt ein Blitz den Himmel draußen taghell aufleuchten ließ. Der Donner folgte ihm auf den Fuß und erschütterte das ganze Schiff.
Diesmal schrie Felicitas nicht auf, doch sie zuckte zusammen und drückte sich noch enger an ihren Mann. Obwohl sie kein schreckhafter Mensch war, raste ihr Herz.
»Wenn das so weitergeht, bin ich am Ende der Kreuzfahrt ein Pflegefall«, erklärte sie, nachdem sie sich beruhigt hatte.
Daniel lachte noch über ihren unerschütterlichen Sinn für Humor, als er auf das Klopfen an der Tür aufmerksam wurde.
»Kann ich aufmachen, oder fällst du dann aus dem Bett?«
»Wie du schon gesagt hast: Die Schaukelei wird zum Glück besser«, erwiderte Fee, und ein Gedanke schoss ihr in den Kopf. »Felix! Du liebe Zeit, den haben wir gestern Abend ja ganz vergessen.«
Während sich Daniel aus dem Bett kämpfte und sich bemühte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, lächelte er auf seine Frau hinab.
»Keine Sorge, zum Glück hat dieses Schiff ein ausgezeichnetes Telefonnetz. Ich habe gestern Abend noch mit ihm gesprochen. Er schien nicht böse zu sein, dass ich unsere Verabredung abgesagt habe. Ganz im Gegenteil schien er sich gut zu amüsieren. Er hatte kaum Zeit für mich«, erklärte er auf dem Weg zur Tür.
Immer wieder musste er sich an den Wänden abstützen, um nicht zu stolpern oder gar zu stürzen. Wieder klopfte es, diesmal vehementer. Außerdem war jetzt ein Schluchzen zu hören, das ganz und gar nicht nach seinem Sohn klang.
Daniel öffnete die Tür.
»Nele, was machst du denn hier?« Erschrocken sah er die Frau an, die wie ein Häuflein Elend vor ihm stand. Aus einer Platzwunde an der Stirn rann Blut, und ihre Lippe war geschwollen. »Was ist passiert?«
»Oh, Daniel, es tut mir so leid, dass ich euch stören muss …«, begann sie, als der Arzt sie sanft am Arm nahm und sie ohne viel Federlesens in die Suite zog.
»Davon kann überhaupt keine Rede sein«, versicherte er und eilte ins Bad, um ein mit Wasser getränktes Handtuch zu holen. Damit betupfte er ihr Gesicht. Zum Glück sahen die Verletzungen schlimmer aus, als sie waren. »Wie ist das passiert?«
»Der Wellengang … mir war schlecht … ich wollte aufstehen und ins Bad gehen. Dabei bin ich hingefallen«, stammelte sie eine Erklärung und sah dem Arzt dabei tapfer ins Gesicht. »Aber bei mir ist es gar nicht so schlimm. Du musst bitte sofort in die Kabine kommen. Lars wollte mir helfen. Eine besonders starke Welle hat ihn an die Wand geschleudert. Beim Abstützen ist irgendwas mit seinem Arm passiert. Er war kurz ohnmächtig vor Schmerz. Bitte … du musst schnell kommen«, flehte sie Daniel an. Der dachte nur kurz nach.
»Ich sehe sofort nach ihm. Du bleibst inzwischen hier bei Fee. Sie versorgt deine Wunden. Mach dir keine Sorgen.« Er schickte Felicitas einen Blick.
Sie verstand auch ohne Worte und nickte.
Erst jetzt erlaubte sich Nele, sich zu entspannen.
»Vielen Dank.«
Während Fee aus dem Bett kletterte und sich einen Morgenmantel überwarf, sank sie auf den Stuhl am Schreibtisch und betrachtete ihr zerschundenes Gesicht im Spiegel, verzweifelt darum bemüht, nicht zu weinen.
*
Die Tür zur Suite der Familie Forberg stand halb offen. Trotzdem klopfte Daniel an.
»Ja?« Eine Mädchenstimme antwortete ihm, und Daniel trat ein. Er entdeckte die junge Frau auf dem Bett. Mit wirren blonden Haaren starrte sie ihn aus grauen Augen misstrauisch an. Lars Forberg saß neben ihr.
»Ich bin Dr. Norden«, stellte sich Daniel trotzdem vor. »Du bist sicher Lilli.«
Das Mädchen nickte, sagte aber kein Wort. Fast schien es, als wollte sie sich gewaltsam davon abhalten, so fest presste sie die Lippen aufeinander.
Dafür hob Lars den Kopf und lächelte unter Qualen.
»Ah, Daniel, danke, dass du gleich gekommen bist.« Er hielt sich den rechten Arm, sein Gesicht war blass vor Schmerzen.
»Das ist doch selbstverständlich.« Der Arzt setzte sich neben den Kollegen und nahm behutsam seinen Arm.
Lars stöhnte leise, ließ ihn aber gewähren.
»Nele ist aus dem Bett gefallen«, erklärte er, während