Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 7 – Arztroman


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du immer noch Kopfweh?«, erkundigte er sich liebevoll und blieb neben ihrem Stuhl stehen, den sie nah an die Reling gezogen hatte.

      Als er nach dem Besuch im Hospital in die Suite zurückgekehrt war, war Nele verschwunden gewesen. Fee hatte wieder im Bett gelegen und den Schlaf des Gerechten geschlafen. So war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich neben sie zu legen und seinen Gedanken, die unaufhörlich kreisten, Schweigen zu verordnen.

      In seine Überlegungen hinein schüttelte Fee den Kopf.

      »Nein, sie sind wie weggeblasen. Das muss an deiner Therapie liegen.« Zärtlich lächelnd streichelte sie über seinen Rücken. »Du hast mich die ganze Nacht im Arm gehalten, obwohl der Sturm längst vorbei war.«

      Daniel blickte hinüber auf das geschäftige Treiben im Hafen, dann drehte er sich um. Hinter ihm lag das Meer da, als wäre nichts geschehen.

      »Schon komisch, dass plötzlich alles wieder ruhig ist«, teilte er seine Gedanken mit seiner Frau.

      Während sie an ihrer Tasse nippte, schickte sie ihm einen Seitenblick. Sie spürte, dass etwas in der Luft lag, wollte ihm aber Gelegenheit geben, den richtigen Zeitpunkt zu finden.

      So vertiefte auch sie sich in den Anblick des Hafens, der immer deutlicher aus dem Nebel auftauchte.

      »So hab ich mir das wirklich nicht vorgestellt.«

      Daniel sah sie fragend an.

      »Was genau meinst du? Den Sturm oder den Anblick des Hafens?«, forschte er.

      »Beides«, erklärte sie ohne Zögern. »Aber im Augenblick spreche ich eher vom Hafen. Ich bin extra früh aufgestanden, weil ich sehen wollte, wie wir in eine malerische Atlantikbucht einfahren.« Missmutig betrachtete sie die Containerfrachter, die im Hafen vor Anker lagen.

      Ölgestank lag in der Luft, und sie hielt sich die Nase zu.

      »Wie? Findest du das etwa nicht romantisch?«

      Im ersten Augenblick wollte Fee widersprechen. Doch dann bemerkte sie den Schalk, der trotz der frühen Stunde in den Augen ihres Mannes blitzte.

      »Du hast recht. In letzter Zeit scheine ich noch anspruchsvoller geworden zu sein als ohnehin schon.« Sie hauchte ihm einen Kuss zu, als sie die dunklen Schatten um seine Augen bemerkte.

      »Aber ich hab dich noch gar nicht gefragt, wie es Lars geht«, erinnerte sie sich schlagartig an den Besuch der vergangenen Nacht. »Ist seine Verletzung denn sehr schlimm?«

      »Er hat sich den Arm gebrochen und eine Prellung am Rücken zugezogen. Für die Dauer der Reise wird er wohl nicht mehr arbeiten können.«

      »Das ist ja ein bisschen wie Glück im Unglück«, stellte Fee fest. »Dann kann er wenigstens Zeit mit seiner Familie verbringen. Nele hat ja gestern erzählt, wie wenig sie sich sehen, seit er als Schiffsarzt arbeitet.«

      »Apropos Familie.« Daniel war ein anderer Gedanke in den Sinn gekommen, der auch Lars‘ Stellenangebot kurzfristig in den Hintergrund treten ließ. »Ich weiß ja nicht, wie es dir geht. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei der Familie Forberg etwas nicht stimmt.«

      Überrascht drehte sich Fee zu ihm um. Die Sonne war inzwischen am Himmel so hoch gestiegen, dass sie sie blendete. Zum Schutz hielt sie die Hand über die Augen und blinzelte ihren Mann an.

      »Du meinst, weil Lars seine Frau hin und wieder so schwach angeredet hat?«, hakte sie nach. Auch ihr waren die Frotzeleien aufgefallen. »Aber das machen gefühlte 99 Prozent aller Paare.«

      »Außer uns.«

      »Sag ich doch.« Fee lächelte.

      »Das ist aber ehrlich gesagt nicht der Grund für meine Bedenken«, gestand Daniel. »Es geht um Neles Sturz und Lars‘ Unfall. Beide haben unterschiedliche Versionen ein- und derselben Geschichte erzählt«, teilte er seiner Frau seine Beobachtung mit. »Sie hat erzählt, dass ihr schlecht war und sie aufgestanden ist. Er meinte, sie wäre aus dem Bett gefallen.«

      Wieder einmal staunte Felicitas über die Aufmerksamkeit ihres Mannes.

      »Dass dir so was auffällt, noch dazu in so einer Nacht«, machte sie keinen Hehl aus ihrer Bewunderung. »Trotzdem würde ich mir nichts dabei denken. Wahrscheinlich waren beide ganz schön durcheinander. Nele hat sich den Kopf übel angeschlagen. Und Lars sah auch nicht danach aus, als ob es ihm besonders gut gegangen wäre.« Während sie noch einmal über die turbulente Nacht und die Konsequenzen nachdachte, schüttelte sie den Kopf. »Hoffentlich ist der Bruch nicht kompliziert. Nicht, dass er operiert werden muss.«

      »Bevor ich den Kaffee geholt habe, war ich schon in der Ambulanz«, verriet Daniel. Wie zum Beweis hob er seine Tasse und trank den letzten Schluck. »Der Bruch war glatt, und der Arm ist schon ruhig gestellt.« Nicht genug damit, hatte Lars an diesem Morgen seinen Vorschlag wiederholt. Daniel überlegte noch, wie er Fee von dem unwiderstehlichen Angebot erzählen sollte, als ein Handy klingelte.

      Felicitas horchte auf.

      »Das ist nicht meines!«, erkannte sie am Klingelton.

      »Ich geh schon.« Daniel beugte sich über sie, um ihr einen Kuss zu geben, und verschwand dann nach drinnen, um nachzusehen, wer um diese Uhrzeit schon nach ihm verlangte.

      *

      Obwohl das Telefonat mit seinem Vater zumindest teilweise den erhofften Erfolg gebracht hatte, war Danny Norden sehr nachdenklich, nachdem er aufgelegt hatte. Das, was er erfahren hatte, deckte sich nicht mit dem, was ihm seine Patientin Rebecca Salomon erzählt hatte. Was sollte er jetzt tun? Sollte er überhaupt etwas unternehmen oder den Dingen ihren Lauf lassen? Schließlich entschied er sich für Letzteres. Im Augenblick konnte er ohnehin nicht viel tun, denn Rebecca Salomon wurde erst gegen vierzehn Uhr in der Klinik erwartet, und Danny kannte ihren derzeitigen Aufenthaltsort nicht.

      Doch auch in der kleinen Pension hätte der Arzt seine Patientin nicht angetroffen. Becky hatte nämlich inzwischen eine Entscheidung getroffen und sich todesmutig einen Termin in der Kanzlei von Dr. Bernhard Schaller geben lassen. Noch immer wusste sie nicht, an welcher Krankheit sie litt, und solange sie noch dazu in der Lage war, wollte sie sich mit ihrer Vergangenheit aussöhnen.

      »Immerhin ist das einer der Gründe, warum ich nach Deutschland gekommen bin.«

      Das sagte sie sich immer wieder, als sie schon im Wartezimmer von Dr. Schaller saß und am liebsten wieder die Flucht ergriffen hätte. Doch dann wäre die ganze Mühe und das viele Geld, das sie in ihr Äußeres investiert hatte, umsonst gewesen. Und das wollte sie auch nicht.

      So saß Rebecca nervös wie ein junges Mädchen bei ihrer ersten Verabredung auf dem Stuhl im Wartezimmer und trommelte mit den Fingerspitzen auf die Lehne.

      »Frau Salomon bitte.« Die Stimme der Assistentin ließ sie hochfahren. Ihre Tasche fiel von ihrem Schoß, und der Inhalt ergoss sich über den Boden.

      Seufzend ging Becky auf die Knie, um Geldbeutel und Schlüsselbund, Handcreme, Haargummis, eine angebrochene Tüte Gummibärchen und anderen Krimskrams wieder einzusammeln. Sie war so vertieft, dass sie gar nicht bemerkte, wie schwarze Lederschuhe vor ihr auftauchten.

      »Du magst also immer noch Gummibärchen«, stellte eine Stimme über ihr fest, die ihr selbst nach so vielen Jahren noch einen Schauer über den Rücken jagten.

      Rebecca schluckte und nickte, ehe sie den Kopf hob und sich eine braune Strähne aus dem Gesicht blies.

      »Aber nur die orangenen und roten. Den Rest musst du essen.« Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie aufstand und das Kleid glattstrich, das sie sich zur Feier des Tages gegönnt hatte. Es war aus fliederfarbenem Chiffon, über und über mit bunten Blümchen bedruckt. Der weiche Stoff schmeichelte ihrer Figur, die Pastellfarbe ihrem Gesicht. Mit der neuen Frisur wirkte sie wieder wie das Mädchen, das Bernd einst geliebt hatte. Das erkannte er in dem Moment, in dem sie hochblickte und ihn aus grauen Augen ansah.

      Er schluckte.

      »Du bist es also tatsächlich.« Seine