ob es nicht schon reicht, dass du in den kommenden vierzehn Tagen als Schiffsarzt arbeitest.«
Daniel verschluckte sich an seinem Orangensaft und hustete, bis ihm die Tränen kamen.
Engelsgleich lächelnd reichte Fee ihm eine Serviette.
»Woher weißt du das?«, gelang es ihm endlich zu fragen.
Wenn möglich, wurde das Lächeln auf Fees Gesicht noch tiefer.
»Nicht umsonst bin ich seit einer gefühlten Ewigkeit deine Frau. Außerdem bin ich noch nicht so alt wie du und kann immer noch ganz gut eins und eins zusammenzählen«, konnte sie es sich nicht verkneifen, ins selbe Horn wie ihr Sohn zu stoßen.
In dieser heiklen Situation verzichtete Daniel vorsichtshalber auf eine Reklamation.
»Hab ich dir in letzter Zeit eigentlich mal gesagt, dass du die beste Ehefrau von allen bist?«, fragte er stattdessen und beugte sich zu Fee hinüber.
»Hab ich schon Ja gesagt zu deinen Plänen?«, gab sie schlagfertig zurück. Doch das Blitzen in ihren Augen verriet sie, ehe sie sie schloss, um sich vom zärtlichen Kuss ihres Mannes in andere Sphären entführen zu lassen.
*
Auf der Suche nach ihrer Tochter trat Nele Forberg auf die Terrasse der Brasserie und sah sich um. Die Tische unter dem grünen Blätterdach waren gut besucht. Als sich eine Hand hob, um ihr zu winken, dachte sie zuerst an Lilli. Doch dann erkannte sie Fee Norden, und am liebsten wäre sie wieder im Bauch des Schiffes verschwunden. Nicht, dass sie die reizende Arztfrau nicht gemocht hätte. Ganz im Gegenteil fand sie Felicitas ungemein sympathisch. Sie funkten unverkennbar auf einer Wellenlänge. Und genau das war es, was Fee so bedrohlich machte für Nele.
Doch es war zu spät für einen Rückzieher, und Nele schlängelte sich an Stühlen vorbei zum Platz des Arztehepaares.
»Guten Morgen, ihr zwei Hübschen«, begrüßte sie die beiden und lächelte.
Dabei schmerzte ihre immer noch geschwollene Lippe.
Daniel bemerkt es sofort.
»Du hast dich ja ziemlich verletzt, du Arme.« Aufmerksam, wie er war, rückte er ihr einen Stuhl zurecht.
»Ach, halb so wild«, winkte Nele ab und zögerte. »Eigentlich bin ich ja auf der Suche nach Lilli.«
»Die ist vorhin mit einem Teller hier vorbei gekommen. Felix hat sich sofort an ihre Fersen geheftet«, berichtete Daniel. »Hoffentlich ist er nicht zu aufdringlich.«
»Das glaube ich nicht«, beeilte sich Nele zu versichern. Inzwischen hatte sie ihre Tochter an einem der Tische entdeckt. Tatsächlich war sie nicht allein. Felix saß bei ihr und redete auf sie ein, während sie demonstrativ auf ihren Teller starrte. Damit war Neles Fluchtweg verstellt, und innerlich seufzend fügte sie sich in ihr Schicksal. »Es tut ihr ganz gut, wenn sich mal ein junger Mann um sie bemüht. Die meisten ziehen sich zurück, wenn sie von ihrer Krankheit erfahren.«
Daniel runzelte die Stirn.
»Lilli ist krank?«
Nele erschrak schon wieder. An diesem Tag hatte sie sich einfach nicht im Griff. Offenbar hatte ihr Kopf doch etwas abbekommen. Sonst war sie nicht so unvorsichtig mit ihren Äußerungen.
»Eine chronische Geschichte«, redete sie sich rasch heraus und bestellte Eistee bei der Bedienung. »Nichts Dramatisches. Aber ihr wisst ja, wie junge Leute so sind. Die nehmen immer alles auf die schwere Schulter und sind wahnsinnig empfindlich.«
Fee bemerkte die Not ihrer neuen Freundin und wollte sie erlösen.
»Dabei können sie austeilen wie die Weltmeister«, lachte sie und berichtete, wie Felix seinen Vater in letzter Zeit immer auf den Arm nahm. »Zum Glück verschont er mich noch damit. Zumindest hat er mich in meiner Gegenwart noch nicht ›alte Frau‹ genannt«, erzählte sie gutmütig.
Staunend hatte Nele dem Bericht der Ärztin gelauscht.
»So entspannt könnt ihr miteinander umgehen? Lars würde Lilli den Kopf abreißen, wenn sie es wagen würde, so frech zu sein.«
»In diesem Fall wäre von Felix schon nichts mehr übrig«, schmunzelte Daniel. »Aber ich nehme es ihm wirklich nicht übel, weil wir uns trotz allem seines Respekts sicher sind. Ihn sticht einfach nur manchmal der Hafer, und er testet seine Grenzen aus … Apropos Grenzen testen …« Sein Blick wanderte hinüber zu seinem Sohn. »Er ist mir mindestens noch eine Wasserschlacht schuldig. Oder eine Partie im Klettergarten.«
Fee musterte ihren Mann aus schmalen Augen.
»Tja, mein Lieber, dafür wirst du leider keine Zeit mehr haben«, erinnerte sie ihn an die Folgen, die seine Entscheidung, die Leitung des Hospitals zu übernehmen, mit sich brachte. »Kein Spaß in der Poollandschaft. Keine tollen Landausflüge. Kein Faulenzen am Pool«, zählte sie einen Nachteil nach dem anderen auf.
Verwundert sah Nele von einem zum anderen.
»Gehst du von Bord oder warum kannst du diese Annehmlichkeiten nicht genießen?«
»Hat Lars dir noch nichts davon erzählt?«, stellte Daniel eine mindestens ebenso verwunderte Gegenfrage.
Täuschte er sich, oder wurde Nele rot?
»Als ich ihn vorhin besuchen wollte, hat er geschlafen«, behauptete sie schnell. »Deshalb konnte ich noch nicht mit ihm reden.«
»Wenn das so ist«, zeigte Fee Verständnis und klärte ihre neue Freundin auf. »Lars hat Dan gefragt, ob er die Leitung des Hospitals für die Dauer der Reise übernehmen könnte«, verriet sie arglos.
Daniel sah auf die Uhr.
»Wir treffen uns übrigens in einer Viertelstunde, damit er mir alles zeigen kann«, kam ihm diese Gelegenheit gerade recht, Fee seine Pläne unterzujubeln.
Es war aber Nele, die einen Einwand brachte.
»Und das lässt du zu? Aber das ist doch euer Urlaub!«
Doch Fee winkte nur lächelnd ab.
»Ich bin selbst Ärztin mit Leib und Seele und kann gut verstehen, dass Daniel diese Chance reizt.«
»Aber was ist mit dir? Du willst doch sicher nicht den ganzen Urlaub allein verbringen.«
Das hatte Fee tatsächlich nicht vor. Sie beugte sich zu Nele vor und raunte ihr in verschwörerischem Tonfall zu:
»Was hältst du davon, wenn wir zwei Hübschen uns gemeinsam die Zeit vertreiben, solange unsere Männer krank oder schwer beschäftigt sind?«
Neles Blick glitt hinüber zu ihrer Tochter, die sich offenbar immer noch einen Spaß daraus machte, Felix hinzuhalten. Ihre Gedanken huschten weiter zu Lars, der sich wegen der Rückenprellung mehr schlecht als recht bewegen konnte.
Mit einem Lächeln kehrte ihre Aufmerksamkeit wieder zu ihrer neuen Freundin zurück.
»Wenn ich das richtig beurteilen kann, rettest du gerade meinen Urlaub«, erwiderte sie aus tiefstem Herzen, und alle drei lachten fröhlich auf, nichtahnend, wie oft sie später noch an diese prophetischen Worte zurückdenken würden.
*
»Hey, hier ist es ja wohnlicher als in manchem Luxushotel«, entfuhr es Bernd Schaller. Noch war genug Zeit bis zu seinem Gerichtstermin, und er hatte es sich nicht nehmen lassen, Rebecca in seinem Wagen höchstpersönlich in die Privatklinik Dr. Behnisch zu bringen.
Die Chefin Jenny Behnisch war eine langjährige Freundin und Kollegin der Arztfamilie Norden. Über die Jahre war zwischen Praxis und Klinik eine regelrechte Symbiose entstanden, und Junior wie Senior fühlten sich sowohl im Operationssaal wie im Behandlungszimmer gleichermaßen wohl.
Davon wusste Bernd noch nichts, als er überrascht mitten im Zimmer stand und sich um die eigene Achse drehte.
»Schwester, könnten Sie bitte noch ein zweites Bett bringen?«, forderte er Schwester Elena auf, die sie begleitet hatte. »Ich hab’s