Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 7 – Arztroman


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wieder nach ihrer Sonnenbrille. »Nichts gegen deine Mum. Aber auf meine Mutter bin ich gerade nicht besonders gut zu sprechen.«

      Ehe Felix eine Frage stellen konnte, hatte Fee schon ihren Tisch erreicht. Nele Forberg folgte ihr in gebührendem Abstand. Das Lächeln auf ihrem Gesicht wirkte wie angeklebt.

      »Hallo, ihr beiden!«, begrüßte die Ärztin die beiden jungen Leute.

      Lilli lächelte pflichtschuldig. Felix hingegen stand auf und küsste seine Mutter rechts und links auf die Wange. Im Gegensatz zu seiner Begleiterin hatte er ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu seinen Eltern und freute sich immer, sie zu sehen. Und auch Nele Forberg reichte er lächelnd die Hand.

      »Wenn ich heute nicht schon eine Begleiterin hätte, würde ich mich glatt von euch beiden in die Mitte nehmen lassen«, versuchte er, die unangenehme Situation mit einem seiner Scherze zu überspielen.

      »Tut mir leid, junger Mann.« Felicitas ahnte nichts von seinen wahren Beweggründen und ordnete seinen flapsigen Spruch wieder einmal in die Kategorie Überheblichkeit ein. »Wir beide sind ganz froh, heute mal ohne Männer unterwegs zu sein.« Demonstrativ hängte sie sich bei Nele ein, die nicht wusste, wo sie hinsehen sollte. Sie spürte Lillis Abneigung wie eine körperliche Wunde und war froh, dass Fee gleich fortfuhr. »Wir werden es uns heute nämlich so richtig gut gehen lassen, schwimmen gehen, uns am Strand von freundlichen Kellnern verwöhnen und im Übrigen den lieben Herrgott einen guten Mann sein lassen.«

      Felix grinste.

      »Dann kommt ihr ja doch nicht so ganz ohne Männer aus«, wies er seine Mutter auf die Tatsachen hin. »Sei mir nicht böse, aber das wär mir echt zu langweilig. In diesem Fall bin ich froh, dass ich mir eine junge, temperamentvolle Begleiterin ausgesucht habe.« Er drehte sich zu Lilli um, die demonstrativ in die andere Richtung starrte. Schnell wandte er sich wieder den beiden Frauen zu. »Im Reiseführer hab ich gelesen, dass man in der Blue Lagoon mit Delfinen schwimmen kann. Und danach gehen wir zum Parasailing. Mal sehen, wer als erster wieder im Wasser landet.«

      Als Nele das hörte, konnte sie ihre Sorge nicht länger für sich behalten.

      »Du liebe Zeit, Lilli, hast du dir das auch gut überlegt?«, platzte sie heraus und musste sofort erfahren, dass ihre Fürsorge unerwünscht war.

      »Ich wüsste nicht, was dich das angeht.«

      Felix hatte bereits eine Kostprobe von Lillis Ablehnung bekommen. Es hatte ihn ein paar Tage hartnäckiger Überredungskünste gekostet, bis sie bereit gewesen war, wenigstens ein paar normale Sätze mit ihm zu sprechen geschweige denn einen Ausflug mit ihm zu machen. Doch diese Schärfe in der Stimme hätte er dieser zarten, langgliedrigen Person trotzdem nicht zugetraut. Er fuhr zu ihr herum und sah, wie sie den Kopf in den Nacken warf und Nele herausfordernd anfunkelte.

      »Mal abgesehen davon, dass ich es satt habe, in Watte gepackt zu werden. Das geht jetzt schon mein halbes Leben so. Mir reicht’s! Endgültig.« In einem Anfall plötzlicher Entschlossenheit stand Lilli auf. »Komm, Felix, wir gehen.« Ehe er es sich versah, hatte sie ihn an der Hand genommen und zog ihn mit sich.

      Während seine geheimnisvolle Begleiterin unbeirrt vorwärts strebte, drehte sich Felix noch einmal zu den beiden Frauen um und zuckte mit den Schultern. Besonders die betretene Miene von Nele tat ihm in die Seele hinein weh, und er nahm sich vor, noch an diesem Tag herauszufinden, was zwischen Mutter und Tochter passiert war.

      *

      Wir haben eine Tochter! Seit er diesen Satz vor ein paar Tagen zum ersten Mal gehört hatte, hallte er unaufhörlich im Kopf des Anwalts Bernd Schäfer wider.

      »Wissen Sie, ich hab mir immer ein eigenes Kind gewünscht«, erzählte er, als er Dr. Danny Norden in dessen Sprechzimmer gegenübersaß. »Aber nachdem Rebecca mich verlassen hatte, war es für mich lange Zeit unvorstellbar, wieder eine Beziehung einzugehen. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden.« Mit gesenktem Kopf saß er vor dem Schreibtisch und starrte auf seine ineinander verschlungenen Hände. »Für mich stand fest, dass Becky und ich uns zusammen ein Leben aufbauen würden. Und dann hat sie sich Knall auf Fall von mir getrennt.«

      »Das war sicher ein herber Schlag für sie«, mutmaßte der junge Arzt.

      Bernd nickte düster.

      »Nach der Trennung war ich zwei Jahre lang Single. Die Frauenwelt war gestorben für mich.«

      Selbst wenn Danny kein Psychologe war, waren die Informationen des Anwalts wichtig für ihn. Immerhin ging es um die Gesundheit seiner Patientin.

      »Wenn Frau Salomon damals schon krank war, könnte ihre Flucht auch etwas mit ihrer Psyche zu tun haben«, gab er zu bedenken. »Vielleicht wollte sie es Ihnen nicht zumuten, mit einer kranken Frau zusammen zu sein«, gab Danny zu bedenken.

      Nachdenklich wiegte Bernd den Kopf mit den kurzgeschorenen Haaren. Sie waren alles, was von seiner blonden Pracht übrig geblieben war.

      »Ehrlich gesagt habe ich ihre Krankheit damals gar nicht so wahrgenommen«, gestand er. »Sicher, Becky hatte diese Schmerz­attacken, sie war oft müde und melancholisch. Aber das hab ich auf ihr Temperament geschoben. Dafür konnte man sich fantastisch mit ihr unterhalten. Sie war nicht so oberflächlich wie die anderen Mädchen in ihrem Alter.« Unversehens geriet Bernd wieder ins Schwärmen.

      Danny, der sich von diesem Gespräch mehr Aufschluss über Rebecca Salomons rätselhafte Krankheit erhofft hatte, musste einsehen, dass seine Hoffnungen enttäuscht wurden. Er legte den Kugelschreiber beiseite, mit dem er sich Notizen gemacht hatte, und sah den Anwalt an. Trotz allem war er an der menschlichen Seite der Geschichte interessiert. Und Bernd machte den Eindruck auf ihn, als bräuchte er einen Zuhörer.

      »Und was geschah, nachdem sie nach Äthiopien gegangen war?«, erkundigte er sich.

      »Danach habe ich mich auf mein Studium gestürzt. Man könnte sagen, dass Becky mir das Herz gebrochen, gleichzeitig aber einen besseren Anwalt aus mir gemacht hat. Ich habe ihr so viel zu verdanken …«

      Ein Lächeln huschte über Dannys Gesicht.

      »Haben Sie je versucht, sie ausfindig zu machen?«

      Bernd lachte auf.

      »Wo denken Sie hin? Ich bin ein ganzer Kerl. Ich laufe doch einer Frau nicht nach, die mir den Laufpass gegeben hat.« Das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er sich selbst auf den Arm nahm. Bevor Dr. Norden Junior darauf etwas erwidern konnte, wurde Bernd wieder ernst. »Vielleicht hätte ich über meinen Schatten springen und sie zurückhalten sollen. Vielleicht wären wir zusammen geblieben und unsere Tochter wäre in ihrer Familie groß geworden«, kam er zurück auf das Thema, das ihn unablässig beschäftigte.

      Obwohl er Anwalt mit Leib und Seele war, fiel es ihm seither sogar schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren.

      Danny beugte sich vor.

      »Sie wussten nichts von der Schwangerschaft?«

      »Ich hatte keine Ahnung«, seufzte Bernd. »Becky hat das alles mit sich allein ausgemacht. Ausgerechnet sie, die doch ihr letztes Hemd für andere hergibt.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht auszudenken, wie sehr sie gelitten haben muss in all den Jahren.«

      Danny Norden konnte nicht anders, als diesen Mann aus tiefstem Herzen zu bewundern. Statt der Frau, die ihm sein Kind genommen hatte, zu grollen, versuchte er, sich in sie hineinzuversetzen, mit ihr zu fühlen.

      »Dann sind Sie ihr nicht böse?«

      »Im ersten Moment hätte ich sie am liebsten erwürgt«, gestand Bernd offenherzig. Es fiel ihm nicht schwer, dem sympathischen Arzt zu vertrauen. »Zum Glück hatte ich einen Gerichtstermin. Dort konnte ich mich abreagieren.« Dieser Gedanke ließ ihn schmunzeln. »Der Kollege von der Gegenseite hat sich ziemlich gewundert. So offensiv hat er mich nie zuvor erlebt.«

      Auch Danny lachte.

      »Und? Haben Sie den Prozess gewonnen?«

      »Natürlich.« Bernd streckte den Daumen der rechten Hand hoch. »Das hab ich als gute Omen genommen und ich bin zurück in die Klinik gefahren.