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ihrem Wunsch, unserem Kind dieses Schicksal zu ersparen, von ihrer Überforderung.« Er hielt inne und sah Danny nachdenklich an. »Wenn ich so drüber nachdenke, haben Sie mit der Krankheit wahrscheinlich sogar recht. Wahrscheinlich hat Becky instinktiv gespürt, dass sie nicht die Kraft dazu hat, ein Kind großzuziehen. Und ich war blind dafür. Ach«, er winkte ab, »es ist wirklich viel zusammen gekommen.«

      »Und wie soll es jetzt weitergehen?«

      »Das ist einer der Gründe, warum ich hier bin«, gestand Bernd Schaller. »Becky hat sich damals für eine geschlossene Adoption entschieden. Die wenigen Informationen, die sie über das Ehepaar hatte, sind verloren gegangen. Nachdem sich Becky damals Ihrem Vater anvertraut hat, hatte ich die Hoffnung, dass er vielleicht mehr wüsste.«

      Dannys Herz wurde schwer.

      »Mein Vater befindet sich derzeit im Urlaub«, teilte er dem Anwalt mit. »Aber natürlich habe ich schon mit ihm telefoniert. Auch zu ihm hatte Frau Salomon den Kontakt abgebrochen. Er wusste noch nicht einmal, dass sie sich dazu entschieden hatte, das Kind auszutragen«, erinnerte er sich an das Gespräch mit seinem Vater. »Wenn es sich wie bei Elisa um eine geschlossene Adoption handelt, stehen die Chancen mehr als schlecht«, musste er zu seinem Leidwesen gestehen.

      Bernd presste sie Lippen aufeinander. Als Anwalt hatte er sich natürlich kundig gemacht. Seine letzte Hoffnung hatte auf Daniel Norden senior geruht. In diesem Moment musste er aber erkennen, dass seine Hoffnung vergeblich war.

      »Dann können wir nur hoffen, dass Elisa sich selbst eines Tages auf die Suche nach uns macht.«

      Seine Stimmung war auf einen neuen Tiefpunkt gefallen.

      »Bis es so weit ist, kümmern wir uns um die Gesundheit der Frau, die Sie lieben«, erklärte Danny, um wenigstens einen Funken Optimismus zu verbreiten. Dabei war ihm bewusst, wie gewagt diese Aussage war. Denn obwohl sich die Kollegen in der Klinik redlich bemühten, tappten sie in Bezug auf Rebecca Salomons Erkrankung immer noch im Dunkeln. »Sie lieben Becky doch, oder?«, fragte er, während er seinen Besucher zur Tür brachte.

      Neben vielem anderen hatte Bernd auch über diese Frage lange nachgedacht. Sie ließ sich nicht so einfach beantworten.

      »Es ist eigenartig, wenn man nach so vielen Jahren seiner Vergangenheit gegenübersteht«, erwiderte er langsam. »Ich hatte nicht gedacht, dass Becky und ich uns noch einmal wiedersehen. Sie hat sich sehr verändert.«

      »Inwiefern?«, erkundigte sich Danny.

      Bernd wiegte den Kopf.

      »Natürlich sieht man ihr die Qualen an, die die Krankheit und die Arbeit im Waisenhaus mit sich gebracht haben. Becky ist weicher geworden ist, ich möchte fast sagen weiblicher. Sie ist zugänglicher und gleichzeitig verletzlicher.«

      »Auch das macht einen Menschen schön«, wusste Danny aus eigener Erfahrung.

      »Sie haben recht. Aber ich finde Becky nicht nur schön. Sie bedeutet mir tatsächlich noch sehr viel. Und mit jedem Treffen ein bisschen mehr.« Die beiden Männer standen an der Tür. Bernd sah Danny nachdenklich an. »Aber natürlich ist die Zeit nicht spurlos an uns vorüber gegangen. Auch ich habe mich verändert. Nur die Zeit kann zeigen, ob es eine neue Chance für uns geben kann.« Mehr konnte er im Augenblick nicht dazu sagen, und Danny wollte nicht weiter in ihn dringen.

      »Dann harren wir mal der Dinge, die da kommen mögen«, erwiderte er und verabschiedete sich von dem Anwalt mit dem Versprechen, sich demnächst an Rebeccas Krankenbett wiederzusehen.

      *

      »Und? Wie gefällt es dir in unseren heiligen Hallen?«, begrüßte Dr. Lars Forberg den Kollegen Norden, der sich nach dem gemeinsamen Frühstück mit seiner Frau auf den Weg in die Ambulanz des Kreuzfahrtschiffes gemacht hatte.

      Als Daniel den verletzten Leiter des Hospitals sah, zog er tadelnd er eine Augenbraue hoch.

      »Was machst du denn hier?«, machte er seinem Unmut umgehend Luft. »Die Kollegen hatten dir doch Bettruhe verordnet.«

      »Wenn ich zu viel Zeit zum Nachdenken habe, werde ich ungenießbar. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihr einen Psychopathen an Bord haben wollt.«

      Obwohl Dr. Norden diese Bemerkung nicht witzig fand, lachte er pflichtschuldig.

      »Ein schlagendes Argument.« Daniel dachte kurz nach und beschloss, seinen Widerstand aufzugeben. »Dann kannst du dich ja gleich nützlich machen und mich in die Arbeitsabläufe einweisen. Dass ihr die modernsten und besten Geräte an Bord habt, hab ich ja neulich schon gesehen«, erinnerte er sich an die Führung, die er bereits vor zwei Tagen erhalten hatte. »Manche Klinik würde sich die Finger danach abschlecken.«

      »Das Wohl der Gäste steht auch in der Ambulanz an erster Stelle.« Seite an Seite gingen die beiden Ärzte über den Gang Richtung Empfang, als ihnen zwei munter plaudernde Schwestern entgegen kamen.

      Ohne ihre Unterhaltung zu unterbrechen, grüßten sie den Chef mit einem Lächeln.

      Dr. Forberg sah ihnen nach.

      »So schön, diese plappernden Mitarbeiterinnen am frühen Morgen. Da hat das Skalpell gleich was zu tun.« Er stieß seinen Kollegen in die Seite und lachte dröhnend über seinen eigenen Witz.

      Diesmal lachte Daniel nicht mit ihm.

      »Ich finde es schön, wenn meine Mitarbeiter bei der Arbeit gute Laune haben.« Er dachte nicht daran, mit seiner Meinung hinter dem Berg zu halten.

      Lars schickte ihm einen Seitenblick.

      »Was ist los, Dan? Ich darf doch Dan sagen?« Das durfte nur Fee Norden. Doch ehe Daniel widersprechen konnte, fuhr Lars fort. »Was ist los? Hast du deinen Humor heute früh im Bett vergessen?«

      Glücklicherweise erreichten sie in diesem Moment den Empfangstresen.

      »Guten Morgen, Chef!«, begrüßte Schwester Valerie den Leiter des Hospitals erstaunt. »Hat Herr Dr. Kreuther Ihnen nicht Bettruhe verordnet?«

      Nicht um eine Antwort verlegen gab Lars einen weiteren markigen Spruch zum Besten.

      Doch sie hörte seine Antwort gar nicht. Aus den Augenwinkeln hatte sie einen Mann bemerkt, der hinter ihrem Chef das Hospital betreten hatte und auf den Tresen zukam. Je näher er kam, umso fassungsloser wurde ihre Miene.

      »Jakob, ich fasse es nicht!«, schleuderte sie ihm entgegen, ehe er die Möglichkeit hatte, das Wort zu ergreifen.

      Überrascht drehte sich Daniel Norden um und musterte den Mann, der abrupt stehen geblieben war.

      »Valerie, bitte …«, begann der Angesprochene, doch sie schnitt ihm unbarmherzig das Wort ab.

      »Ich hoffe für dich, dass das hier keine Absicht ist.« Ihre schmalen Augen sprühten Funken.

      »Valerie, ich …«

      »Du hast nichts verstanden.«

      »Doch. Ich habe verstanden, dass es ohne dich nicht geht.« Es war offensichtlich, dass die beiden die Welt um sich herum vergessen hatten. Daniel Norden trachtete danach, diesen Schauplatz so schnell wie möglich zu verlassen. Doch Lars dachte gar nicht daran. Er schien Gefallen an der Szene zu finden und blickte gespannt von einem zum anderen.

      Unterdessen stöhnte die Assistentin gequält auf.

      »Es ist vorbei, hörst du? Schluss. Aus. Vorbei. Sag mir nur noch, woher du weißt, dass ich auf diesem Schiff bin.«

      In der Tat hatte Jakob Hartung keine Kosten und Mühen gescheut, den Aufenthaltsort seiner ehemaligen Verlobten herauszufinden.

      »Ein Mitarbeiter der Schifffahrtsgesellschaft war so nett …«, begann er, als sie ihm empört ins Wort fiel.

      »So nett? Wenn ich rauskriege, wer das war … na warte … der kann sich warm anziehen. Und jetzt verschwinde hier. Ich habe zu arbeiten.« Mit diesen Worten wandte sich Valerie demonstrativ ab und den beiden Ärzten zu. »Bitte entschuldigen Sie, Chef.« Ihre Wangen glühten vor Verlegenheit. »Wo waren wir