Kapitel 11
Bangkok, Thailand
Der Airbus A330-300 näherte sich der Landebahn des Internationalen Flughafens Suvarnabhumi und der Pilot verringerte die Geschwindigkeit. Der Flug hierher von Hongkong aus war nach ihrem Umsteigen wesentlich entspannter verlaufen als die ruppige Überquerung des Pazifik. Allie gähnte und schaute aus dem Fenster, wobei Drake versuchte, sie nicht allzu auffällig zu bewundern. Sie waren jetzt bereits fast zwanzig Stunden unterwegs, und er schaffte es immer noch nicht, seine Augen von ihr zu lassen.
»Wie geht es dir?«, fragte Drake.
Allie zuckte mit den Schultern. »Ganz okay. Ich wünschte, ich hätte mehr schlafen können. Ich fühle mich wie gerädert.«
»Tja, das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Wir landen gleich.«
»Immerhin habe ich ein paar Informationen über Bangkok lesen können. Es soll sehr modern sein.«
»Ja, wahrscheinlich ist das unsere letzte Chance, fließend Wasser und Toilettenspülungen zu genießen, bis wir aus dem Dschungel zurück sind.«
»Ich merke schon, du bist immer noch der Romantiker.«
Drake wusste gar nicht, was er darauf antworten sollte – Allie schaffte es immer wieder, ihn mit abrupten Stimmungswechseln aus der Bahn zu werfen. Als ihm endlich etwas in den Sinn gekommen war, hatte er Allies Aufmerksamkeit längst an die Skyline von Bangkok verloren, die elegant im Licht der aufgehenden Sonne glitzerte.
Das Fahrwerk senkte sich und rastete mit einem lauten Geräusch ein, dann stürzte das Flugzeug auf den dünnen Asphaltstreifen zu, der sich vor ihnen ausbreitete. Für einen kurzen Moment schien die Maschine vor dem Aufsetzen schwerelos zu sein, dann setzte sie mit einigen wilden Hüpfern auf, stabilisierte sich langsam und bremste schließlich ab.
Spencer grinste ihnen von der anderen Seite des Ganges aus zu, während das Flugzeug langsam auf sein Gate zurollte. »Showtime!«, rief er mit einer theatralischen Geste. »Bangkok erwartet den großen, weißen Jäger!«
»Falls du mich damit meinst, ist die Schmeichelei von meiner Seite aus gar nicht nötig«, meinte Allie. »Du kannst mich aber gern Göttin nennen, wenn es sein muss.«
Sie verließen die Maschine und begaben sich zum Zoll, wo ihre Reisepässe gestempelt wurden. Nachdem sie diese Formalitäten hinter sich gebracht hatten, warteten sie an der Gepäckausgabe. Alex stieß zu ihnen, und nachdem sie ihre Sachen eingesammelt hatten, traten sie nach draußen, wo sie vom Stimmengewirr unzähliger Fahrer empfangen wurden, die mit Schildern in den Händen auf ihre Gäste warteten.
Alex wandte sich Drake zu und führte die Truppe an das Geländer, das die Reisenden von den wartenden Thais abgrenzte. »Wir haben einen Führer. Ich habe schon mit ihm gearbeitet. Er ist ein ziemlich schräger Vogel, aber er kennt Thailand wie seine Westentasche.«
Allie und Drake nickten und fragten sich, was ein CIA-Agent sich wohl unter einem ›schrägen Vogel‹ vorstellte, doch sie mussten nicht lange auf die Antwort warten: Es war ein schmächtiger Mann gehobenen Alters, der die Hautfarbe einer Pecannuss hatte. Seine pechschwarzen Haare hatte er mit viel Pomade zurückgekämmt und sein Bart, der an Fu Manchu erinnerte, wäre der Traum eines jeden Bösewichts in asiatischen B-Movies.
Alex' Gesicht entspannte sich für einen Moment, als er sich dem kurzgewachsenen Asiaten näherte, der eine Verbeugung andeutete, die traditionelle Begrüßung der Thai, die als Wai bekannt war. Alex erwiderte die Geste und stellte dann seine Mitreisenden vor, woraufhin sich der Führer vor jedem einzelnen verbeugte.
»Das ist Onkel Pete. Onkel Pete, darf ich dir Allie, Drake und Spencer vorstellen«, sagte Alex.
»Große Ehre«, sagte Onkel Pete mit schwerem Akzent. Dann drehte er sich um und herrschte einen Gepäckträger an, der sich daraufhin eiligst daran machte, die Habseligkeiten der Reisenden auf einem klapperigen Rollwagen zu verstauen. »Mein Auto warten draußen«, erklärte Pete, »Habe Polizisten für Aufpassen bezahlt. Ist Einziges, was sie heutzutage können. Außer Bestechung annehmen und Unschuldige belästigen!«
»Passen wir da alle rein?«, fragte Alex.
»Natürlich! Ich habe SUV gemietet, nur für euch!«
»Geh voran.«
Onkel Pete marschierte stramm zum Ausgang und wurde erst etwas langsamer, als er merkte, dass der Gepäckträger ihm gar nicht so schnell folgen konnte. Er nickte Alex zu und grinste, wobei er seine durch Zigaretten vergilbten Zähne entblößte. »Lange nicht gesehen, was?«
»Über die alten Zeiten reden wir später. Was ist mit den Genehmigungen?«
»Immer noch warten. Du weißt, wie läuft. Jemand hält immer Hand auf für noch mehr Baht. Aber ich verspreche, morgen kriegen wir.«
»Eigentlich wollten wir schon heute Nachmittag aufbrechen«, sagte Alex.
»Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, mache einen Plan«, sagte Onkel Pete plötzlich beinahe akzentfrei. »Bis dahin, ich buche euch supergutes Hotel!« Er schaute Allie an. »Erstes Mal in Thailand?«
»Ja, ich habe viele tolle Sachen darüber gehört!«
Onkel Pete schaute abschätzig in Richtung des Gepäckträgers und ließ seinen Blick anschließend über die versammelten Einheimischen wandern. »Ich nicht. Lauter faule Hunde hier!«
Alex lachte, und das zum ersten Mal, seit sie ihn kennengelernt hatten. »Onkel Pete hat wirklich eine sehr positive Lebenseinstellung!«
»Bangkok voll versteckte Schlangen!«, schnarrte Onkel Pete und bedeutete dann seinem Träger, sich zu beeilen.
»Arbeitet er für die Auslandswerbung?«, fragte Spencer in gesenkter Stimme. »Da wäre vielleicht ein hungriges Krokodil besser geeignet gewesen.«
»Onkel Pete ist durchaus charmant, wenn man ihn besser kennenlernt«, grinste Alex.
Der Mietwagen stellte sich als silberner Nissan Armada heraus, der gerade genug Platz bot, sie alle unterzubringen. Alex saß vorn, während sich die drei anderen auf den Rücksitz quetschten. Spencer grinste Allie mitleidig an, als sie versuchte, es sich halbwegs bequem zu machen. »Du kannst gern auf meinen Schoß, wenn du willst.«
»Ich schätze, ich bin nicht die Erste, der du dieses Angebot machst. Hat es jemals funktioniert?«
»Du würdest dich wundern.«
Drake kicherte. »Nach der Fahrt mit deinem Lambo würde mich gar nichts mehr wundern, Spencer. Obwohl ich immer noch glaube, mit orangefarbenen Pelzbezügen würde er einiges mehr hermachen.«
»Vielleicht noch ein Paar Stoffwürfel für den Rückspiegel?«, witzelte Allie. »Oder Aufkleber für die Stoßstange hinten, zum Beispiel ›Mein Auto lebt – es raucht, es säuft und manchmal bumst es!‹ Bei uns auf dem Lande gibt es die in allen Farben.«
»Mir hat der Wagen gefallen«, sagte Drake. »Voll authentischer Hollywood-Angeber-Style, wenn du mich fragst.«
»Leckt mich doch alle. Der schafft es von Null auf Hundert in drei Sekunden!«
Allie stieß ihm einen Ellenbogen in die Rippen. »Auf jeden Fall ist er super praktisch zum Einkaufen, oder um Feuerholz zu transportieren …«
Onkel Pete war vielleicht nicht der langsamste Fahrer in ganz Thailand, aber er arbeitete definitiv auf diesen Titel hin. Bis sie es zum Hotel geschafft hatten, war es früher Nachmittag, und sie waren dankbar, endlich aussteigen und sich strecken zu können.
Die Hotellobby war opulent gestaltet und zwei Pagen stürzten sich sofort auf ihr Gepäck. Onkel Pete blieb im Wagen, offensichtlich fühlte er sich in dem luxuriösen Ambiente fehl am Platz. Er hatte jedem von ihnen eine Karte mit seiner Handynummer gegeben, für den Fall, dass sie irgendetwas brauchten. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sie angemessen untergebracht