Russell Blake

DER SMARAGD-BUDDHA (Drake Ramsey 2)


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einem Glas Wasser einen grauen USB-Stick. Solche anonymen Überraschungen war er gewohnt, sowohl in seinem Büro als auch zuhause fand er sie hin und wieder vor. In letzter Zeit war es den Whistleblowern anscheinend lieber, seine private Adresse aufzusuchen, die jeder mit rudimentären Computerfähigkeiten im Handumdrehen herausfinden konnte. Auf diese Art wurden ihm immer mal wieder Umschläge, CDs, Fotos oder eben Datenspeicher zugesteckt.

      Er lief in sein Büro, steckte den Stick in seinen Rechner und nachdem er ihn von einem Antivirenprogramm hatte scannen lassen, schaute er sich den Inhalt an. Als Erstes wurde er von einem Fenster begrüßt, dass die Daten passwortgeschützt seien. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete den Hinweis zum Passwort: Er solle die letzten sechs Zahlen der Telefonnummer seiner Geliebten eintragen.

      Das einzige Problem war, er hatte keine Geliebte. Er war seiner Frau immer treu gewesen und flirtete nicht einmal.

      Er kratzte sich am Kopf, doch dann hatte er eine Idee: Ab und zu witzelte er, dass sein Boss, Lenny Cox, für ihn so etwas wie eine geheime Liebschaft war, da er ihn oft davon abhielt, Zeit mit seiner Familie zu verbringen.

      Also gab Elliot die sechs Zahlen ein, doch eine Fehlermeldung erschien.

      »Was? Aber das ist doch die Nummer«, sagte er laut.

      Dann kam ihm ein anderer Gedanke: Lennys Durchwahl war die 408. Nun gab er nur die letzten drei Nummern der Firma ein, gefolgt von den drei Ziffern der Durchwahl.

      Das Laufwerk blinkte und ein Fenster mit dem Inhalt tauchte auf – er war drin!

      Da sprang ihm eine Datei mit dem Titel »Zuerst lesen« ins Auge. Er klickte darauf und ging sie in rasender Geschwindigkeit durch – sein Lesetempo entsprach sicher dem Dreifachen eines Durchschnittsmenschen.

      Fünfzehn Minuten später stand er auf und rief in Richtung Diane: »Schatz, ich habe hier einen riesigen Fisch an der Angel! Ich muss noch mal ins Büro!«

      »Elliot! Das Essen ist doch fast fertig!«

      »Ich weiß, Schatz, aber ich muss wirklich los!«

      »Dann packe ich dir wenigstens ein bisschen was ein. Wie spät wird es denn dann bei dir?«

      »Warte lieber nicht auf mich. Wie lange braucht die Lasagne noch?«

      Dreißig Sekunden später erschien Diane im Durchgang zur Küche und hielt ihm eine gefüllte Plastikdose hin. Elliot nahm sie ihr ab und gab ihr einen Kuss. »Danke schön. Du bist ein Engel!«

      »Vergiss nicht, zu kauen!«

      »Ja, Schatz!«

      Elliot rannte quasi zu seinem Auto, er war so dermaßen aufgeregt, dass er die dunkle Limousine gar nicht bemerkte, die an der nächsten Straßenecke stand. Eigentlich ein verzeihlicher Fehler, denn bisher hatte er noch nie unter Überwachung gestanden.

      Der Mann auf dem Beifahrersitz beobachtete aufmerksam, wie Elliot rückwärts aus der Ausfahrt fuhr und dann in Richtung Stadt beschleunigte. Der Mann ließ sein Hochleistungsfernglas sinken und wandte sich an den Fahrer: »Die Jagd ist eröffnet.«

      Sein Partner legte einen Gang ein und der Wagen rollte los. »Ich wünschte, wir hätten das verdammte Ding abfangen können.«

      »Nicht am helllichten Tag, wenn so viele Leute unterwegs sind. Keine Chance. Aber den Freund der Schlampe kriegen wir schon noch. Der Reporter hat im Moment die höchste Priorität.«

      »Das ist mir schon klar. Hoffen wir mal, dass er das Ding nicht kopiert hat.«

      »Wir brechen heute Nacht ein und säubern seinen Rechner.«

      »Zumindest wissen wir, dass er es nicht an Dritte geschickt hat.«

      »Dafür ist er zu misstrauisch. Er würde diese Infos niemals mit jemandem teilen, bevor er sich einen Plan zurechtgelegt hat, wie er sie am besten ausschlachten kann. Deswegen fährt er jetzt ins Büro. Wie vermutet.«

      Der Fahrer lächelte. »Ist schon ein gutes Gefühl, wenn man recht hat.«

      »Das ist schließlich unser Job.«

      »Verdammt richtig!«

      Elliots Gedanken rasten, als er wie automatisch den altbekannten Weg zum Verlagshaus zurücklegte. Die Enthüllungen, die ihm zugespielt worden waren, deuteten auf eine dermaßen verwickelte und böswillige Verschwörung hin, dass er es kaum glauben konnte. Oder besser gesagt, er wollte es gar nicht glauben, denn das zu tun, würde bedeuten, dass alles, was er wusste, eine Lüge war.

      Es stand absolut außer Frage, dass er es damit auf die Titelseiten schaffen würde, wenn es alles stimmte. Aber davon ging Elliot aus, denn die Daten beinhalteten schon auf den ersten Blick äußerst detaillierte Finanzinformationen, in denen Dutzende von Scheinfirmen eine Rolle spielten. Die Fährte führte zu einigen der größten Versicherer der Welt, die zufällig zu den größten Profiteuren bei der Bankenrettung nach der Finanzkrise gehört hatten. Er hatte immer vermutet, dass diese Firmen damals in den Genuss von Unmengen an Steuergeldern gekommen waren, denn einer der früheren Vorsitzenden der involvierten Institute war zum Zeitpunkt der Krise Finanzminister der USA gewesen. Doch wenn die Informationen auf dem USB-Stick stimmten, war selbst diese Tatsache gerade einmal die Spitze des Eisbergs.

      Elliot hatte gar keine Schwierigkeiten zu glauben, dass alles, was er gerade gelesen hatte, stimmte. Er hatte genug der Weltgeschichte studiert, um zu wissen, dass Menschen zu allem fähig waren. Aber der Durchschnittsbürger würde ausrasten, wenn diese Informationen publik würden.

      Nun war er in der Position, diese Geschichte an die Öffentlichkeit bringen zu können – garantiert würde er dafür den Pulitzer-Preis bekommen und ein Buchangebot, bei dem selbst Woodward und Bernstein alt aussehen würden. Das war der positive Aspekt. Der negative war, dass er sich sehr mächtige Feinde machen würde, und wahrscheinlich in die Mongolei auswandern müsste, um sich sicher zu fühlen.

      Die Frage war nur, wer hatte ihm diesen Jackpot zukommen lassen? Da hatte jemand heimlich und mit Sicherheit auf illegale Weise Daten gesammelt, die die Grundmauern der Finanzwelt erschüttern oder sogar einstürzen lassen würden. Es machte ihm Sorgen, dass er nicht wusste, wer die Quelle war – doch im Endeffekt spielte es keine Rolle. Er konnte dem Whistleblower auch keinen Vorwurf machen, anonym bleiben zu wollen – man musste sich ja nur einmal anschauen, wie Edward Snowden dafür verfolgt worden war, dass er die Welt über die massiven Abhörprogramme der NSA aufgeklärt hatte.

      Auf dem Weg in die Innenstadt gab es nicht viel Verkehr und die Tiefgarage des Verlagshauses war praktisch ausgestorben, als er in seine reservierte Parkzelle fuhr. Natürlich würde das Büro besetzt sein, Nachrichten gab es schließlich rund um die Uhr und es würde auch ein Team damit beschäftigt sein, die morgige Ausgabe in den Druck zu geben. Die Auflage sank natürlich konstant, da immer mehr Leute ihre Sensationslust im Internet befriedigten, statt Geld für tote Bäume auszugeben. So lief es nun mal im Leben, dachte er sich, als seine Schuhe über den Betonboden des Parkdecks huschten.

      Der Fahrstuhl war durch Chipkarten gesichert, also holte er seine aus dem Portemonnaie und zog sie durch das Lesegerät. Eine grüne LED blinkte auf und die doppelte Stahltür öffnete sich. Elliot trat hinein, zog seine Karte durch einen weiteren Schlitz und drückte dann den Knopf für die siebzehnte Etage.

      Während die Kabine nach oben sauste, ging er im Kopf einen Zeitplan durch. Er würde eine bis zwei Wochen brauchen, um mit unauffälligen Recherchen die Richtigkeit der Daten zu bestätigen. Er würde dazu sicherlich zwei Assistenten brauchen, wenn man die schiere Masse an Informationen berücksichtigte. Die würde er natürlich zu absoluter Verschwiegenheit verpflichten müssen. Denn diese Story als explosiv zu bezeichnen, wäre schon fast eine Untertreibung.

      Die Anzeige im Fahrstuhl zeigte gerade die vierzehn, als die Kabine abrupt stoppte.

      »Was zum …?«

      Alle Lichter blinkten auf und erloschen dann, als ein scharfes metallisches Geräusch vom Boden der Kabine erklang.

      Elliots Magen schlug einen Purzelbaum, als der Boden unter ihm nachzugeben schien und der Fahrstuhl in