könnte Sie in Naturalien bezahlen«, machte Danny einen anzüglichen Vorschlag und ging vor in die Küche, die glücklicherweise schon fix und fertig eingerichtet war. »Was halten Sie davon?«
»In diesem Fall müssten Sie mich zuerst zum Frühstück einladen«, grinste Tatjana. »Sonst verhungere ich nämlich, und dann können Sie nicht mehr viel mit mir anfangen.«
»Du liebe Zeit«, lachte Danny und schaltete die Kaffeemaschine ein. Er legte die Zeitung auf die Anrichte und begann, den Tisch zu decken. »Schon so schlimm?«
»Noch viel schlimmer«, erwiderte Tatjana und lehnte sich mit dem Rücken an den Kühlschrank, um ihm bei der Arbeit zuzusehen, als Danny plötzlich stutzte.
»Wo ist eigentlich dein Stock? Normalerweise gehst du doch nie ohne ihn aus dem Haus.«
Über diese Frage musste auch Tatjana einen Moment nachdenken.
»Stimmt!«, räumte sie endlich sichtlich verwirrt ein. »Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich ihn mitgenommen und bei Frau Bärwald an den Tresen gelehnt habe. Dort muss ich ihn wohl vergessen haben.« Sie blinzelte und strich sich eine hellblonde kurze Strähne aus dem Gesicht.
Danny starrte seine Freundin ungläubig an.
»Sag mal, ist es möglich, dass du besser sehen kannst?«, fragte er aufgeregt und lief um den Tisch herum, um sich direkt vor sie hinzustellen. »Wie sehe ich aus?«
Lachend hob Tatjana die Hände und fuhr ihm durch die Haare.
»Quatschkopf. Ich weiß doch, dass du gut aussiehst.« Ihre Hand fuhr über sein unrasiertes Kinn. »Verwegen, wie ich es liebe.«
Danny überlegte einen Moment und entdeckte die Zeitung, die neben Tatjana auf der Arbeitsplatte lag. Kurz entschlossen griff er danach und faltete sie auseinander. Er hielt sie sich vor die Brust.
»Wie lautet die Schlagzeile von heute?«
Diese Frage war eine echte Herausforderung. Tatjana richtete sich kerzengerade auf und starrte angestrengt auf die Buchstaben. Es dauerte eine Weile, bis es ihr gelang, sie zu erkennen.
»Irgendwas mit einem Betrüger, der vorzeitig entlassen wird«, sagte sie endlich bass erstaunt. Kurz nach der Operation hatte sie bewusst versucht, etwas zu lesen, dieses anstrengende Vorhaben aber bald wieder eingestellt. Dazu waren ihre Sehkräfte nicht stark genug gewesen und sie hatte sich damit abgefunden, lediglich Konturen ihrer Umgebung zu erkennen.
Danny drehte die Zeitung zu sich um und las die Schlagzeile.
Deutschlands berühmtester Aktienbetrüger bald frei!, stand dort in fetten Lettern gedruckt. »Mensch, Tatjana, das ist ja unglaublich. Seit wann kannst du lesen?«
Selbst völlig verwirrt von dieser Tatsache kaute die Studentin auf der Unterlippe.
»Ehrlich? Ich weiß es nicht. Es ist mir ja noch nicht mal aufgefallen, dass ich den Blindenstock bei Frau Bärwald vergessen habe.«
»Ich dachte mir neulich beim Möbel kaufen schon, dass du mehr, irgendwie besser sehen kannst. Die Küche, von der du so geschwärmt hast …, und das Nussbaumbett. Ich hab noch mal drüber nachgedacht. Wir sind gar nicht direkt davorgestanden, sondern nur dran vorbeigegangen.«
»Wirklich?« Es war Tatjana anzusehen, dass sie selbst überrascht war. Ungläubige Freude stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie die riesige Sonnenbrille abnahm, die sie meistens trug, und sich umsah. »Ich weiß auch nicht, wann das passiert ist. Irgendwie muss meine Sehkraft ganz langsam stärker geworden sein, ohne dass ich es bemerkt habe.«
»Das ist toll!«, freute sich Danny sichtlich begeistert und zog sie in seine Arme. »Du glaubst gar nicht, wie ich mich für dich freue.«
Auch Tatjana freute sich wie verrückt. Sie umarmte ihn innig, als die Kaffeemaschine laut und vernehmlich zischte und brodelte.
»Ich mich auch. Aber jetzt brauche ich unbedingt Frühstück. Wenn ich verhungert bin, hab ich nämlich nichts von meiner Sehkraft«, erinnerte sie ihren Freund albern kichernd daran, dass sie halb verhungert war.
»Stimmt ja, tut mir leid«, entschuldigte sich Danny pflichtschuldig, und gleich darauf saß das junge Paar beim ersten Frühstück in der neuen Wohnung am neuen Esstisch, den sie wie alles andere auch gemeinsam ausgesucht hatten.
»Sag mal, was war denn das mit diesem Aktienbetrüger?«, erkundigte sich Tatjana, als sich die erste Aufregung gelegt hatte. »Hast du nicht von einer Patientin erzählt, die mit so einem Typen verheiratet und jetzt schwanger von einem anderen ist?«, erinnerte sie sich an Dannys Erzählung. »Du weißt schon, die Verkäuferin, die uns das Wasserbett verkaufen wollte.«
»Richtig«, erinnerte sich auch Danny jetzt wieder an Rebecca Schultze, deren Lebensumstände er schon nicht mehr im Kopf gehabt hatte. Hauptsache, die Schwangerschaft verlief komplikationslos. Alles andere würde sich finden. So dachte er in seiner jugendlichen Sorglosigkeit. »Dein Gedächtnis möchte ich mal haben«, lachte er und stand auf, um die Zeitung zu holen. Er überflog den Artikel und wiegte nachdenklich den Kopf. »Hier steht nur was von Thomas S. Aber wer weiß, vielleicht ist er es ja wirklich.«
»Oje. Dann ist die arme werdende Mutter auch nicht zu beneiden.« Tatjana fühlte mit der Verkäuferin.
Doch darüber wollte Danny im Augenblick nicht nachdenken. Er faltete die Zeitung zusammen und sah seine Freundin über den Tisch hinweg verliebt an.
»Bis du jetzt eigentlich satt?«, fragte er und musterte den Brotkorb, der bis auf den letzten Krümel geleert war.
»Hmmm, lass mich mal nachdenken.« Tatjana ahnte, worauf ihr Freund hinauswollte. »Ja, ich glaube, jetzt bin ich bereit für das Trinkgeld.« Dabei lächelte sie so verführerisch, dass Danny ihr nicht länger widerstehen konnte.
Nach der erfolgreichen Operation erholte sich Aramis von Tag zu Tag. Im gleichen Tempo verbesserte sich auch Simones Gesundheitszustand.
»Die Verbindung zwischen dieser Frau und ihrem Pferd ist fast unheimlich«, sagte Jenny, als Daniel wieder einmal in der Klinik war, um nach seinen Patienten zu sehen. »So etwas habe ich noch nie erlebt.«
»Das beweist wieder einmal, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als wir beweisen können. Dessen Existenz aber durch solche Verbindungen wie zwischen Simone und Aramis hinlänglich bewiesen ist«, dachte Daniel laut über dieses Phänomen nach.
Jenny blieb stehen und schickte ihm einen irritierten Blick.
»Nanu, wenn du so weitermachst, wirst du noch ein richtiger Philosoph und Pferdeflüsterer«, lächelte sie und machte keinen Hehl aus ihrer Verwunderung.
Doch Daniel Norden lachte nur gut gelaunt.
»Keine Angst. Das Pferdeflüstern überlasse ich Leuten wie Simone und Hasher. Ich konzentriere mich weiterhin lieber auf Menschen. Diese Seelen sind mir unergründlich und geheimnisvoll genug.«
»Da bin ich aber froh«, lächelte Jenny, als ein durchdringender Piepser ertönte. Sie zog das kleine Gerät aus der Tasche und sah auf das Display. »Mein Typ wird in der Inneren verlangt«, lächelte sie entschuldigend.
»Kein Problem. Ich muss auch gleich zurück in die Praxis und wollte nur noch schnell bei Simone Kühn vorbeischauen.«
»Oh, das ist im Augenblick keine gute Idee«, bemerkte Jenny. »Ich hab sie vorhin im Garten gesehen. Ihr Vater ist bei ihr.«
»Heinz Kühn …« Daniel nickte zufrieden. Das war die Nachricht, auf die er insgeheim gehofft hatte.
Seit Prinz Hashers List waren ein paar Tage vergangen. Heinz Kühn hatte sich in seinem Haus vergraben und sich selbst im Gestüt tagelang nicht blicken lassen. Doch der Besuch des Züchters bei seiner Tochter nährte die Hoffnung, dass der Schock tatsächlich ein heilsamer gewesen war.
»Es wird höchste Zeit, dass sich die beiden endlich aussprechen.«
Das taten Vater und Tochter in der Tat. Seite an Seite wanderten sie durch den herrlichen