Edgar Wallace

Edgar Wallace: 69 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band


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noch nicht erschienen.

      »Wäre das nicht ein Fall für Downer?« fragte Andy einen der Journalisten.

      »Er ist gerade in Urlaub. Und ich bin recht froh darüber, denn ich arbeite nicht gern mit ihm zusammen.«

      Andy lächelte. Auch er war erleichtert, daß Downer sich noch nicht eingefunden hatte. Er hatte eben auf das Telegramm von Scotland Yard, ob man ihm Hilfe senden sollte, geantwortet. Sicher war ein großer Teil der Lösung des Mordfalles in London zu: finden. Die Nachforschungen dort überließ er gerne den Beamten von Scotland Yard, und so drahtete er zurück, daß er mit der Hilfe, die er an Ort und Stelle vorgefunden habe, auskommen werde. Aber dann erschien ein inoffizieller und unerwarteter Helfer in Beverley Green, als Andy gerade den letzten Zeitungsreporter abgefertigt hatte. Es war elf Uhr vormittags.

      Ein großer, hagerer Mann in Sportanzug und Golfschuhen betrat das Gästehaus. Der Hausmeister machte ein langes Gesicht, als er ihn sah.

      »Guten Morgen, Johnston. Ist Macleod oben?«

      »Der Herr Doktor ist in seinem Wohnzimmer«, erwiderte der Hausmeister langsam. »Ich bin sehr überrascht, Sie wiederzusehen, Herr Professor.«

      ›Vieraugen-Scottie‹ nahm seine goldgeränderte Brille ab und putzte sie mit einem Taschentuch.

      »Die ganze Sache war ein Irrtum, die Polizei hat sich entsetzlich blamiert. Aber ich nehme ihnen das nicht übel. Derartige Fehler können der höchstentwickelten Polizei unterlaufen. Nein, man kann den Beamten keinen Vorwurf machen, selbst wenn man persönlich noch so unangenehme Erfahrungen machen muß. Es ist besser, daß ein Dutzend unschuldiger Bürger auf kurze Zeit verhaftet wird, als daß ein Verbrecher entkommt.«

      »Jawohl, Sir«, erwiderte Johnston verwirrt und nahm sofort wieder seine frühere ehrerbietige Haltung an. »Sie möchten Doktor Macleod sprechen?« Er zögerte einen Augenblick. »Welchen Namen darf ich nennen?«

      »Natürlich Bellingham – Professor Bellingham –«

      »Welcher Professor will mich sprechen?« rief Andy von oben.

      »Bellingham – der Herr, der früher hier wohnte.«

      »Teufel noch mal«, sagte Andy verblüfft. »Führen Sie ihn herauf.«

      Scottie trat seelenruhig ein, entließ Johnston durch ein Kopfnicken und schloß die Tür.

      »Welchem Wunder verdanke ich denn die Ehre Ihres Besuchs, Scottie?«

      »Der gründlichen Arbeit unserer wunderbaren Justiz.« Scottie nahm unaufgefordert Platz. »Ich nehme das aber nicht übel, Macleod.«

      Andy mußte lachen.

      »Sie sind mit Ihrem Alibi also tatsächlich durchgekommen?«

      Scottie nickte.

      »Der Richter sagte, daß er mich nicht verurteilen könne und daß anscheinend eine Verwechslung vorliege. Solche Dinge sind schon manchmal vorgekommen und werden immer wieder passieren. Unter uns – ich spielte an dem bewußten Abend mit Felix Lawson, dem bekannten Lebensmittelhändler –«

      »Sie meinen den Hehler?« fragte Andy. »Ich weiß genau, daß er schon einmal verurteilt wurde.«

      »Wärmen Sie doch alte Skandalgeschichten nicht wieder auf. Die Hauptsache ist, daß ich wieder hier bin.«

      Andy drehte sich plötzlich zu seinem Besucher herum und sah ihn groß an.

      »Welchen Namen haben Sie denn dem Hausmeister angegeben?«

      »Bellingham – Professor Bellingham. Es ist natürlich ein Deckname. Und was ist schon ein Professor? Jemand, der sein Fach beherrscht. Und ich beherrsche doch die Geologie wirklich vollkommen, vor allem die Versteinerungen. Devonische Formationen sind mein Fachgebiet.«

      »Wir wollen uns nicht über die Frage Ihrer Vorbildung streiten«, meinte Andy gutgelaunt. »Warum sind Sie eigentlich wiedergekommen? Sie sind mit knapper Not der Verurteilung entgangen, was meiner Meinung nach nur durch die größten Meineide möglich war –«

      Scottie zog seinen Stuhl näher heran und beugte sich zu Andy.

      »Ich erzählte Ihnen doch schon einmal etwas über diesen Ort«, sagte er düster. »Ich wußte, daß sich hier ein schweres Unglück ereignen würde – und das ist doch nun auch wirklich eingetroffen.«

      Andy nickte. Er hatte häufig an Scotties Prophezeiung gedacht.

      »Und nun möchte ich Ihnen noch mehr mitteilen«, fuhr Scottie fort. »Streng vertraulich, natürlich.«

      »Wissen Sie denn etwas, was den Mord aufklären könnte?«

      »Nein, ich weiß nichts, aber ich vermute manches. Ich kam her, weil der Ort nicht an der großen Hauptverkehrsstraße liegt und weil mir der Aufenthalt hier vielversprechend erschien. Es wohnen hier viele reiche Leute, denen man eine Menge Gold und Silber abnehmen könnte. Die Frau des Architekten Sheppard trägt Perlen, die fast so groß wie kleine Taubeneier sind. Ihr Mann ist natürlich ein Gauner. Aber das nur nebenbei. Ich sage Ihnen, hier ist Beute zu finden – aber nur für einen Eingeweihten. Natürlich habe ich den ganzen Ort vom Klubhaus bis zu Sheppards Garage genau untersucht. Nur ein Einbruch in Mr. Nelsons Haus wäre zwecklos. Aber wahrscheinlich wissen Sie das ebensogut wie ich. Ich will damit allerdings nicht behaupten, daß es keinen Schatz enthielte –«

      »Kommen Sie doch zur Sache«, sagte Andy kurz, aber es tat ihm gleich leid, denn Scottie warf ihm einen prüfenden Blick zu. Er erwähnte jedoch Nelsons Haus und den Schatz, den es vielleicht barg, nicht mehr.

      »Ich habe mich auch eingehend auf Mr. Merrivans Grundstück umgesehen. Er ist der einzige, der sich genügend gegen Einbrecher und Diebe gesichert hat. An jedem seiner Fenster befindet sich eine elektrische Alarmklingel. Nur an dem einen Fenster an der Rückseite des Arbeitszimmers fehlt sie. Es hat einen Patentriegel an einer Ecke, man kann es unmöglich von außen öffnen. Außerdem besitzt er einen Revolver, den er in einem kleinen Schrank hinter seinem Schreibtisch aufbewahrt. Die Tür dazu sieht genauso aus wie die übrigen Paneelbretter der Wand.«

      »Die habe ich nicht entdeckt«, sagte Andy interessiert. »Wie öffnet man sie denn?«

      Scottie schüttelte den Kopf.

      »Ich bin nie selbst in dem Zimmer gewesen, ich habe es nur von außen gesehen. Ich will Ihnen noch etwas anderes erzählen, Macleod. Das hintere Fenster hat deshalb keine elektrische Alarmklingel, weil der alte Merrivan gewöhnlich durch dieses Fenster nachts seine Wohnung verließ. Unter dem Fenster steht außen eine breite Steinbank. Haben Sie die gesehen?«

      »Wohin ging er nachts?«

      »Das weiß ich nicht, ich habe ihn nur einmal beobachtet. Aber er stieg so schnell und gewandt aus dem Fenster, daß er diesen Weg zweifellos schon häufig benützt hat. Er ging dann durch den Obstgarten, der Himmel mag wissen, wohin. Ich bin ihm niemals gefolgt – das wäre zu indiskret gewesen. Er war ebenso zu seinen Abenteuern berechtigt wie jeder andere auch.«

      »Wann haben Sie ihn aus dem Fenster steigen sehen?«

      »In der Nacht, bevor Sie mich festnahmen. Es war ungefähr halb zwölf. Ich sah ihn nicht zurückkommen, aber ich beobachtete einen Mann, der ihm nachging. Ich habe ihn natürlich nicht so genau gesehen, daß ich sagen könnte, wer es war, oder daß ich ihn unter zwanzig anderen herausfinden könnte. Auf jeden Fall bin ich ihm nicht nachgegangen, weil mich sein Haus mehr interessierte. Ich vermutete schon, daß er in irgendwelche Schwierigkeiten geraten würde. Nun, haben Sie meine Mitteilungen interessiert?«

      »Natürlich. Haben Sie nicht noch eine Vorstellung von der Größe des Mannes, der Mr. Merrivan folgte?«

      »Er war klein«, erwiderte Scottie, der selbst über ein Meter achtzig maß.

      »Etwa eins fünfundfünfzig?«

      »Das könnte stimmen. Aber vielleicht war er noch kleiner. Ich möchte fast sagen, daß er Ihnen kaum bis zur Schulter