Walter Serner

Krimis & Erotische Erzählungen


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ist der Umstand, daß Sie unorthographisch und überhaupt mühevoll Briefe schreiben, keine einzige Sprache wirklich beherrschen, aus Helsingfors sind, einer in jeder Beziehung unwichtigen Gegend, und nicht den Ehrgeiz haben, mehr sein zu wollen als eine schöne Frau.«

      »Großartig!« lachte Hill. »Aber woher wissen alles Sie denn das?«

      »Ich interessiere mich doch schon seit langem für Sie. Wollen Sie meine Freundin werden? Ich gebe Ihnen tausend Francs monatlich.«

      »Abör Sie sind auch keine Spion?«

      »Nicht daß ich wüßte!« Chester lachte aus vollem Halse, wurde aber doch plötzlich ein paar Sekunden lang bleich.

      Hiil fuhr, da es Chester nicht mehr recht in der Schweiz gefiel, mit diesem anderntags nach Paris und später nach London.

      Moriz Adler aber, sein Busenfreund, suchte zwei Tage lang vergeblich das Haus des Försters Sesselli. Nach stundenlangen verzweifelten Überlegungen betrachtete er träumerisch den Brief Madame Didenkos, betrachtete ihn abermals und schließlich ganz außerordentlich intensiv, wobei er endlich bemerken mußte, daß die Handschrift sehr geschickt nachgeahmt war.

      Wütend und außerstande, zu begreifen, fuhr er nach Montreux zurück und sofort in das Hotel Chesters.

      Aber noch nach drei Tagen begriff er absolut nichts. Ein selten dummer Jude.

      Der große Verbrecher

       Inhaltsverzeichnis

      Als Numi erwachte, hörte er sprechen.

      ›Ah, Blanche. Doch die andere Stimme?‹ Numi lauschte verschlafen: ›Schunte!‹ Augenblicklich schluckte er, völlig wach geworden, den Atem und rührte sich nicht.

      »Du kennst mich doch, Schunte,« hörte er Blanche sagen. »Ich habe einfach nicht ausgeschlafen. Das ist alles.«

      »Schön. Also die achttausend sind sicher. Du mußt halb vor drei im Café Lyrique sein. Bitte, hör genau zu …«

      Die Stimmen wandten sich in eine andere Richtung.

      Numi setzte entzückt die Zeigefinger an die Ohren, vermochte aber erst nach einigen Minuten wieder zu verstehen.

      »Persönliche Fabel ist hervorragend,« kicherte Blanche.

      »Du bist meine cousine germaine, meine Gliedkusine, Belgierin und erst seit drei Wochen in Genf. Fertig. Bitte nicht die leiseste Dichtung. Das erweckt Mißtrauen oder doch nur den Eindruck von Trottelei. Ferner …«

      Abermals entzog sich Numi das Weitere. Bald aber hörte er Blanche wieder: »Aber was soll ich denn anziehen? Hein?«

      »Pas grand’ chose! Halb vor zwei kommt ein Fräulein zu dir, das dir ein dunkelblaues Kostüm bringt. Gutbürgerliche Nebenanleimung von mir, die Kleine, lediglich zu ähnlichen Zwecken. Also keine Konversation, wenn ich bitten darf. ›Merci!‹ – und dann hinaus mit dem Wesen.«

      »Großartig. Woher hast du diese Schneegans?«

      »Pah, Spielerei … Übrigens …«

      Das Folgende blieb für Numi unverständlich. Er zitterte bereits vor Ungeduld und Neugierde, als endlich Schunte wieder vernehmlich wurde: »… Die Schlipski? Die sitzt seit gestern mit irgendeinem Schnurrbart in Nyon und hält sich für eine Lebenskünstlerin, das Biest.«

      »Ja, und nachher?«

      »Nachher sandte ich mich still nach Hause. Wer sitzt da tollkühn vor meiner Tür? Kralup. Pumpt mich mit voller Erfolglosigkeit an, übt sich eine Viertelstunde im Lügen und wird von mir mit einer kleinen Mission entlassen … Alles nur meine Laufburschen, diese Dromedare … Kralup erinnert mich übrigens an einen sehr günstigen Kauz, so eine stille Größe, die sich einbildet, einen Extraschatten zu werfen. Blöder Stümper natürlich und um den Bauch zu binden. Vorgestern holte ich mir den Trottel im Café, seifte ihn mit einem schäumenden Sermon ein, daß er nur so ächzte, und nahm ihn so ein bißchen mit in den Salat …«

      »Wer ist denn das?«

      »Ganz besonders gestielter Name: Jonas Numi, bitte. Kennst du den Vogel?«

      »Ich? … Bitte nicht so laut! … Ja, flüchtig.«

      »Hast du Mäuse? … Also der Junge ist direkt eigens dazu geboren, daß man ihm schlechte Erfahrungen verschafft. Nebenbei: mach den Jungen flüssig, dann wird er glatter …«

      »Sssst! Es ist wegen …«

      Geflüster. Schließlich konnte Numi von Schunte noch einiges auffangen: »… Im Café werde ich für dich bezahlen. Das wirkt nämlich doch wieder besser. Und vor der Schneegans bitte keine Reden halten … Hast du vier Francs? … Merci beauecoup … Hübsch bist du heute … Ich habe lange nicht mehr mit dir …«

      »Adieu. Bitte, laß mich jetzt …«

      »Excusez, madame. Ich vergaß: nicht ausgeschlafen … Au revoir!«

      Die Tür ging.

      Numi drückte langsam den Kopf in das Kissen.

      Gleichdarauf stürzte Blanche an den Vorhang und atmete befreit auf, als sie Numi hold schlafend erblickte. Dann weckte sie ihn stürmisch.

      Später setzte sich Numi mit einem Glas schwarzen Kaffees in eine Ecke und betrachtete geruhsam Blanche, die vor dem Spiegel mit ihren Chignons kämpfte.

      »Vorhin war Schunte einen Moment da.« Blanche lauerte angespannt in den Spiegel, in dem sie Numis Gesicht sehen konnte.

      »So.« Numi, der wußte, daß sie ihn sah, beäugte verzückt sein Stück Brot.

      »Wie gefällt er dir?« Blanches Hände in den Haaren hielten inne.

      Numi blickte ihr mit unüberholbarer Treuherzigkeit in die Augen. »Ich kenne ihn nur flüchtig.«

      Blanche sah augenblicks weg. Ihre Finger hasteten wieder. »Ach, das sagt man immer, wenn man nicht schimpfen will. Ich mag Schunte trotz allem sehr. Das erste, was ich über ihn hörte, hat mir schon sehr gefallen. Man erzählte mir, er sei mit achtzehn Jahren nach Paris gefahren, um ein großer Verbrecher zu werden, und nur, wenn ihm das nicht gelingen sollte, ein Dichter. Sehr nett, nicht wahr?«

      »Wie alt ist er jetzt?«

      »Neununddreißig.«

      »Und noch kein Dichter?«

      »Sehr nett, wirklich … Aber wer sagt dir, daß er kein großer Verbrecher ist?«

      »Meine Nase und die Art, wie er – dichtet.« Numi biß selig in sein Brot.

      »Er ist doch kein Dichter.«

      »Aber er lügt ebenso.«

      »Ph, kennst du einen Verbrecher, der nicht lügt?«

      »Nein. Aber Lügner, die keine Verbrecher sind.«

      »Qu’est-ce que ca? … Du verstehst dich ja selber nicht.« Blanche flizte, sich sehr überlegen fühlend und deshalb vergnügt, durch die Mansarde.

      Numi näherte sich ihr, noch weitaus vergnügter, und gab ihr Gelegenheit, sich an die vergangene Nacht zu erinnern.

      Im Verlaufe dieser Erinnerungen gelang es Numi mit geschickter Benützung seiner Armbanduhr, es so einzurichten, daß Blanche halb vor zwei das im Korridor befindliche Kabinett, wo sie in solchen Fällen stets länger als wahrscheinlich sich aufhielt, frequentieren mußte.

      Fast pünktlich erschien die gutbürgerliche Nebenanleimung in Gestalt eines etwa zehnjährigen Schmutzfinks.

      Das sehr unappetitliche Paket, das lediglich einen bereits weidlich benützten Rock barg, legte Numi versteckt neben die Tür.

      Mehr noch über das Ausbleiben des heiß erwarteten Kostüms erstaunte Blanche über eine Stadtdepesche,