Walter Serner

Krimis & Erotische Erzählungen


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Kenntnis des weiblichen Herzens, seine Pläne dadurch flott zu bekommen, daß er den Eifersüchtigen spielte, um Sima vorerst zu reizen, ihn zu betrügen.

      Barsch trat er auf sie zu, drängte sie unsanft von dem eben sehr lieb plaudernden Librettisten weg und zischte: »Wenn du dich noch einmal unterstehst, mit diesem Dr. Kandismayer zu kokettieren, dann … Das ist denn doch …«

      »Was denn! Du bist wohl ein bißchen auf heißem Heu gelegen, mein Freund? Oder hast du so viel, daß du dir einen Rausch gekauft hast, he?« Simas Körper war eine einzige in Drehung begriffene Ironie.

      Schülle mußte sich sehr beherrschen, um hinzufügen zu können: »Maul halten! Wir gehen! Verstanden!«

      Sima flizte ihm einen unendlich kurzen und kleinen Blick zu und ging. Aber geradewegs auf den Dr. Kandismayer zu, mit dem sie sofort eine überaus angeregte Konversation begann.

      Schülle verschwand tief erfreut und begab sich quer über die Straße in ein kleines Café, um daselbst nach einer halben Stunde zu telephonieren. Und zwar Herrn Dr. Kandismayer, der denn auch nach zehn Minuten endlich am Apparat erschien.

      »Hier Hans Vogel. Wenn Sie das Fräulein Sima, in das Sie sehr wahrscheinlicher Weise verliebt sind, haben wollen, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an mich.«

      »Was soll ich?« fragte Dr. Kandismayer aufs äußerste betroffen, obwohl er jedes Wort verstanden hatte.

      Schülle wiederholte genau dieselben Worte und fügte langsamer hinzu: »Ich erwarte Sie eine halbe Stunde lang im Café gegenüber. Nur für einige Minuten. Sie werden es nicht zu bereuen haben.«

      Dr. Kandismayer, mutig und vor allem sehr neugierig geworden, eilte alsbald in das gegenüber befindliche Café und setzte sich wartend in eine Ecke.

      Schülle nahm plötzlich von hinten herum wortlos neben ihm Platz, ließ sich durch eine Kopfbewegung, die den sehr Geübten verriet, seinen Wein nachbringen und begann hierauf ruhig und sachlich folgendermaßen: »Die Dame hat einen ganz maßlos eifersüchtigen Freund. Ich kann Ihnen, wenn Sie diese Bekanntschaft noch drei Tage fortsetzen, das Schlimmste von seiten dieses Trottels prophezeien.«

      »So,« sagte Dr. Kandismayer tunlichst trocken, war aber doch ein wenig beunruhigt. »Na, das wird nicht so schlimm sein. Aber ich begreife nicht, was Sie mit dieser Angelegenheit …«

      »Klar wie der Tag. Ich stehe seit Jahren dick in diesem Betrieb. Und habe die dümmsten Sachen mit angesehen. Ein bißchen Lebenskunst und alles geht seinen richtigen Weg und ist für alle Beteiligten nur ein Quell des Vergnügens.« Schülle hielt es für angezeigt, ein wenig innezuhalten.

      »Nun ja.« Dr. Kandismayer versuchte, seinem Mißmut einzureden, bereits orientiert zu sein. »Sie wollen vermutlich ein Geschäft machen, nicht wahr?«

      »Aber nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Sie müssen sehr viel von Eifersucht reden, sich über diese blödsinnige Eigenschaft in allen möglichen und unmöglichen Versionen lustig machen und den gänzlich Eifersuchtslosen posieren. Damit heben Sie bei Sima ihren Freund psychologisch aus.«

      »Psychologisch aus?« Dr. Kandismayer lachte hell auf.

      »Glauben Sie mir!« Schülle mißverstand dieses Lachen absichtlich. »Auch diese Leute sind nicht ganz unkompliziert. Ich empfehle Ihnen folgende Motivation, die sehr leicht zu variieren ist: ›Wenn mich eine Frau liebt, so habe ich keinen Grund zur Eifersucht; und liebt sie mich nicht, erst recht nicht.‹ Vorzüglich, nicht? Und was Ihre Eifersuchtslosigkeit betrifft, so rate ich Ihnen zu folgender Haltung. Wenn Madame mit einem andern tanzt, gehen Sie an dem Paar vorbei, natürlich nachlässig rauchend, und rufen möglichst leicht aus:›Kinder, nehmt Euch senkrechter!‹ oder: ›Sima, was bist du heute für ne famos festgehaltene Erscheinung!‹ oder ganz einfach: ›Hört mal, wenn Ihr fertig seid, putzt Euch erst ab!‹ Und so. Das macht den besten Eindruck.« Schülle trank flüchtig. »Und was Schülle betrifft, diesen Trottel, ihren Freund, so werde ich ihn schon zu okkupieren wissen, natürlich gegen Deckung meiner dabei stattfindenden Barauslagen Ihrerseits.«

      Dr. Kandismayer war höchlichst amüsiert. Und nach etwa einer Viertelstunde war er derart amüsiert, daß er fast auf Sima vergessen hätte.

      Schülle war es, der ihn an sie erinnern mußte.

      Dr. Kandismayer bezahlte den Wein Schülles und reichte ihm unter dem Tisch einen Zwanzigmarkschein. Man war übereingekommen, sich allabendlich auf demselben Plätzchen zur selben Stunde zu treffen, um über die Sachlage zu berichten und das psychologische Vorgehen zu besprechen.

      Schülle spielte von Stund an Sima gegenüber den sinnlos Eifersüchtigen und äußerte mit scharfem Vorbedacht Dinge, die er den Dr. Kandismayer noch am selben Abend vor Sima geistreich widerlegen ließ. Dieser war über diesen Kniff zwar orientiert, aber mit der Version, daß er, nämlich Hans Vogel, als der gute Freund Schülles genau über alles auf dem Laufenden sei, was dieser Sima gegenüber zu äußern beliebte.

      Mehr noch als Sima selber reizte den Dr. Kandismayer dieses ungewöhnliche Spiel und als er Sima längst schon besaß, hörte er nicht auf, in immer neuen, immer geistreicheren Triumphen sich zu ergehen. Diese kamen ihn freilich sehr teuer zu stehen, da einerseits Schülle allabendlich im Café mit virtuoser Geschicklichkeit sich honoriert zu machen verstand, andererseits der selbstverständlich auch in Sima schlummernde Trieb, den Nebenmenschen auszubeuten, von Schülle dadurch von Tag zu Tag mehr geweckt wurde, daß er sich ihren Verhöhnungen gegenüber über ihre Dummheit lustig machte, von einem schwerreichen Kerl nur Liebesbeteuerungen einzustecken und nichts Gehaltvolleres.

      Leider (oder glücklicherweise) ging Sima, wie alle Neulinge, eines Tages ein wenig zu weit. Sie stahl nämlich dem Dr. Kandismayer einen Betrag von 366 Mark, worauf dieser, von der Gestalt Simas ohnehin bereits gelangweilt, sich kurzerhand nicht mehr blicken ließ.

      Schülles Triumph war gekommen.

      Er erschien plötzlich wieder in der Kullmannschen Diele, wo er seit der Affaire Kandismayer unsichtbar geblieben war, setzte sich, was Sima über alles erstaunte, an ihren Tisch und begann langsam und vorsichtig ein Gespräch, in dessen Verlauf er nicht nur all das, womit Dr. Kandismayer seine Äußerungen ad absurdum geführt hatte, nun seinerseits sehr geistreich aushob, sondern vielmehr auch durch geschickt gewählte kleine Beweise zu verstehen gab, daß die Auffassung Simas, sie habe ihn ohne sein Vorwissen hintergangen, eine irrige sei.

      »Du hast mir nachspioniert, du Schwein!« Simas Zorn war ehrlich.

      »Keineswegs. Aber es genügt, ein wenig Lebenskünstler zu sein.«

      Sima hatte plötzlich die von Schülle vorhergesehene heftige Besorgnis, ihn zu verlieren: »Schüllchen, vergib mir nur dieses eine Mal. Ich schwöre dir … du wirst sehen …«

      Schülle wußte, daß die jüngsten Einkünfte ihren Ehrgeiz geweckt hatten und das opulente Leben ihren Appetit. Auf diesen spekulierend, vermehrte er jenen: »Hör mal! Ich habe gar nichts dagegen, daß du einem reichen Trottel Beträge ablistest. Aber ich muß es wissen. Ich muß alles wissen. Sonst kannst du unter Umständen schwer hineinfallen.« Er hielt es für vorteilhafter, das Restliche später zu besprechen.

      Die für jedes andauernde Lieben unbedingt erforderliche pekuniäre Basis war hergestellt. Und Sima fast verliebter noch als ihr Schüllchen.

      Graf Ramuz Okenpunkolls Glück

       Inhaltsverzeichnis

      Duchosal, ein völlig hemmungsloser Herr, schlug eines Nachmittags, einer neuen Unternehmung dringend bedürftig, im Café Viennois ganz willkürlich den ›de Grandjean‹ auf, das Pariser Millionärs-Verzeichnis. Hierauf wies er mit dem Zeigefinger geschlossenen Auges auf eine Zeile, öffnete sodann die Augen und las: »Okenpunkoll, Ramuz, Comte, 6 Boulevard des Invalides, 11 millions.«

      Nachdem er sich unter dem Namen eines Herrn de Lourigan der Anwesenheit des Grafen telephonisch versichert hatte, fuhr er im Taxi vor, gab