Walter Serner

Krimis & Erotische Erzählungen


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Als er sich hinreichend gequält zu haben glaubte, zog er den Hut: »Ah, monsieur le vicomte! Was für ein überraschendes Wiedersehen!«

      »Überraschend?« Der Vicomte blinzelte listig.

      Rebbis frottierte sich betreten die Hand. »Sie glauben also neuerdings …«

      »Nein.« Der Vicomte schmunzelte zart. »Sondern daß Sie immer noch …«

      »Ich werde Sie überzeugen.« Rebbis nahm mit jener einzigartigen Innigkeit, mit der man nur sein Opfer liebt, den Arm des Vicomte. »Aber stecken Sie doch schon das Geld ein!«

      Der Vicomte, der bloß davon überzeugt war, daß Rebbis ihn schon längere Zeit beobachtet hatte und die Herkunft des Geldes kannte, lächelte frech. »Ich wollte Ihnen gerade eine Mominette anbieten. Henri da drüben kennt mich. Ich bestelle Anisette und er bringt …«

      »Immer noch der Alte«, sagte Rebbis lachend. »Gehen wir also hinüber. Die Luft hier ist übrigens fehlerlos.«

      »Das sagten Sie auch in Paris vor der Brasserie Lavenue, als Sie mir vorschlugen, Madame Briffant in der Avenue Loewendall auf den Plafond zu klopfen.«

      »Die Sache hätte Sie groß gemacht.«

      »Oder – krumm.« Der Vicomte legte die zwei Francs vor sich auf das Marmortischchen und schneuzte sich geräuschvoll, um seine Heiterkeit zu maskieren.

      »Ich versichere Ihnen …« Rebbis spielte, während er ein verblüffendes Gesicht aufsetzte, an dem großen runden Stein seiner Krawattennadel.

      »Kosten Sie den Absinth!« Der Vicomte änderte ganz unerwartet den Ton. »Was tun Sie jetzt?«

      »Es ist ja doch nur Anisette.« Rebbis kordialisierte flott mit. »Ich amüsiere mir den Kopfschmuck weg und schiebe Auskünfte.«

      Der Vicomte wunderte sich, als glaube er es.

      »Aber«, machte Rebbis gedehnt und warnte sich mit dem Zeigefinger. »Citroën ist eine Canaille.«

      »Sie lügen ja beleidigend.« Der Vicomte trank und sah in sein Glas.

      »Hören Sie, Vicomte …«

      Und während Rebbis weitschweifig begründete, daß er der berühmten Automobilfabrik die schwierigsten Privatinformationen besorge, dachte der Vicomte unausgesetzt darüber nach, wie er ihn sich vom Halse schaffen könnte. Schließlich kam er zu dem Schluß, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als seinen gewagtesten Truc loszulassen. »Hé, Rebbis, wie gefällt Ihnen das?« Er hatte mit einem Mal seinen Browning in der Faust und richtete den Lauf auf die Bar.

      Rebbis schwieg sofort und blickte, die Hand bereits in der Tasche an seiner Waffe, scharf auf den Browning des Vicomte.

      »Henri!« rief der Vicomte durchdringend. »Stell einen Stöpsel mit einem Streichholz auf die Etagère dort oben!«

      Henri, ein flinker schlanker Bursche, tat es scheu, aber schnell.

      Die Gäste an den umstehenden Tischen staunten mit gläsernen Augen umher.

      Der Vicomte stand auf, zielte auf das Streichholz und schoß. Im selben Augenblick aber sauste seine Linke, die einen Schlagring umklammert hielt, über sein Waffe hinweg auf Rebbis Schläfe, der sofort blutüberströmt zusammenbrach.

      Der Vicomte feuerte noch zwei Schüsse in die Luft, bevor er mit einem wilden Satz über die Bar sprang, durch die dahinter befindliche Tür und durch das Fenster, das vom Nebenraum aus auf den Hof führte.

      Als Rebbis unter den Händen des rasch herbeigerufenen Arztes zu sich kam, blickte er zuerst auf den Schrank: das Streichholz war weg. Er ließ sich den Stöpsel herunterreichen. »Da ist die Kugelspur … Wo ist der Kellner Henri?«

      Henri war gleich dem Vicomte unauffindbar …

      Die auf dieses Ereignis folgenden Tage benützte Rebbis ausschließlich dazu, die Buchhandlung auf dem Boulevard Baille und das gegenüberliegende kleine Café scharf überwachen zu lassen. Mit dem Resultat, daß auch nach zwei Wochen nicht die kleinste brauchbare Beobachtung registriert werden konnte. Erst in der dritten Woche fiel es einem Flic auf, daß zwei jugendliche Kokotten, Joop und Miette geheißen, beim Verlassen des kleinen Cafés sich wiederholt nach allen Seiten umblickten. Er folgte ihnen und konnte feststellen, daß sie in einem alten baufälligen Haus in der Rue St. Bruno verschwanden.

      Andern Tags wartete Rebbis persönlich auf dem Boulevard Baille. Joop und Miette kamen denn auch gegen fünf Uhr nachmittags, hielten sich etwa eine Stunde in dem kleinen Café auf und verließen es ebenso vorsichtig wie tags zuvor. Als sie das Haus in der Rue St. Bruno betreten hatten, eilte Rebbis zur Tür, postierte seinen Begleiter in den Hausflur und stieg mit Hilfe seiner elektrischen Taschenlampe eine bereits angemorschte Holztreppe empor. Er hatte kaum die erste Etage erreicht, als ihm von hinten ein dickes Wolltuch über das Gesicht gerissen wurde …

      Als er wieder sah, saß er auf einem Holzstuhl in einem anscheinend leeren Zimmer. Aus einer Ecke hinter ihm kam ein schwacher Lichtschein. Er wandte sich nach ihm um und erhielt gleichzeitig eine fürchterliche Ohrfeige.

      Bec-Salé, den er ebenfalls von Paris her kannte, stand breitspurig vor ihm und lachte, sich die zerbeulte Glatze reibend. »Hein, sale dresseur des mouches? Läufst kleinen Mädchen nach?«

      Rebbis biß die Zähne aufeinander. In seinem Kopf hackte es so schmerzhaft, daß ihm Tränen in die Augen kamen.

      »Pleure pas pour ça!« Bec-Salé versetzte ihm eine zweite Ohrfeige.

      Rebbis sah rot. Rasend vor Wut stürzte er vor, lag aber sofort auf dem Boden, von dem er sich erst nach Minuten aufzurichten vermochte. Halb besinnungslos taumelnd schleppte er sich zu dem Stuhl.

      Da trat Henri ein, die Hände tief in den weiten braunen Samthosen. »Y a pas d’erreur. C’est Rebbis!« Er betrachtete ihn mit dem feuchtmatten Blick des Homosexuellen. Dann trat er näher, spie ihm ins Gesicht und riß ihm einige Haare an der Schläfe aus. Als Rebbis schwach die Hand hob, stieß er den Stuhl unter ihm fort. Rebbis krachte zu Boden.

      Schließlich kam der Vicomte. Er sah Rebbis schmerzhaften Versuchen, sieh zu erheben, bewegungslos zu. Erst als es Rebbis gelungen war, an der Wand sich hochzuschieben, sagte er scharf: »Sie wollten mich hier bei fehlerloser Luft, die nur Sie selber verpesten, mit einer Sache à la Madame Briffant exen. Ich hielt es daher für weise, Ihnen zwei kleine Mädchen zu schicken.«

      Rebbis war trotz den fast unerträglichen Schmerzen imstande, sich zu ärgern. »Ich räume gern ein … daß Sie nur … nur diesem Umstand es zu verdanken haben, mich hier zu sehen.«

      Des Vicomte stechend aufleuchtende Augen verrieten ihm, daß er keine Sekunde zu verlieren hatte.

      »Ihr Truc mit dem Buchhändler war wunderbar«, stieß Rebbis schnell hervor.

      »Das ist sogar wahr.«

      »Ich habe mich auch überzeugt, daß Sie das Streichholz tatsächlich heruntergeschossen haben. Fabelhaft!«

      »Auch das ist wahr.«

      »Und Ihre Flucht … und wie Sie mich hierher lockten … spät, aber sicher … Alles erstklassige Sachen. Mein Kompliment.«

      »Nehme ich und werfe es Ihnen wieder an den Kopf.«

      »Vicomte, Sie sind ein Gigant!«

      »Esel! Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«

      Rebbis löste sich mühsam von der Wand und wankte ins Zimmer vor. In der Mitte blieb er vor Schwäche stehen. »Wir zahlen sehr viel«, lispelte er.

      »Immerhin sind vor drei Monaten Ihre Flics sogar auf die Straße gestiegen.«

      »Der Präfekt ist im Grunde vernarrt in Sie. Ich würde Sie ihm nicht einmal einzureden brauchen.«

      »Was für ein Sonntagsherz Sie haben!«

      Rebbis machte einen Schritt nach vorn. »Mein Wort darauf, daß …«

      Der Vicomte wich ausspuckend