Walter Serner

Krimis & Erotische Erzählungen


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sondern eine ganz gewöhnliche Imitation war, und überhaupt sie mehrmals versetzte, was ihren Stolz verletzte.

      Kurz, Guhlke erfuhr sehr viel und zögerte deshalb nicht, die zwei Weißbiere Fräulein Annas zu begleichen. Abends aßen sie bei Aschinger, frequentierten hierauf ein Kino, hierauf ein Aschinger-Café und schließlich das Treppenzimmer Guhlkes in der Großen Frankfurter Straße.

      Fräulein Anna verließ ihn gegen vier Uhr morgens, nachdem sie ihm fast freiwillig dreißig Mark, die sie bei sich trug, gegeben hatte, um Gundelfinks Abreise zu ermöglichen, und ohne auch nur ganz schüchtern versucht zu haben, Wert auf eine etwaige Begleitung zu legen, so sehr fürchtete sie, Guhlkes Unwillen zu erregen und ihre Briefe an Gundelfink etwa doch nicht zurückzuerhalten. Sie hielt Gundelfink längst für jenen langen Kerl, welcher vor einem halben Jahr wochenlang ihre Gunst mißbraucht hatte, und gar nicht Franz Nühler heißen sollte. Auch hatte sie deshalb, obwohl sie den Postweg vorgezogen hätte, einen Rendez-vous mit Guhlke am nächsten Sonntag im Tiergarten zugestimmt.

      Die auf dieses Abenteuer folgende Woche füllte Guhlke mit zahlreichen Besuchen aus, die er durchwegs mit den Worten eröffnete: »Ich bin der Bruder von Fräulein Anna Pluscharski, Köchin bei Herrn Justizrat Mandelstuhl in der Röcknitzer Straße.«

      Als es Sonnabend war, hatte er sich bereits von Paul Bierbaum unter der harmlosen Drohung, bei Tietz Skandal zu machen, fünfzig Mark geholt; von Herrn stud. jur. Hans Thiessen Wittenbergplatz 2/II mit der Andeutung, ihn wegen Betrugs anzuzeigen und wegen Verführung außerdem, hundert Mark; von Franz Nühler eine Ohrfeige; und von Marie Hufke, die bei der Beseitigung der Bierbaumfolgen behilflich gewesen war, sämtliche Ersparnisse, hundertneunzig Mark, indem er sich dadurch sicherte, daß er ihr mitteilte, seine Schwester habe auf seine Veranlassung hin Berlin mit dem stilleren Erfurt vertauscht.

      Tagsdarauf erschien er pünktlich und mit erhöhter Sorgfalt gekleidet im Tiergarten.

      Fräulein Anna erwartete ihn bereits und verlangte sofort, und ohne seinen langwierigen Gruß zu erwidern, ihre Briefe an Gundelfink.

      Guhlke erzählte leichthin, Gundelfink habe sie in einem Koffer verwahrt, der in Magdeburg stünde; er werde sie aber in einigen Wochen schicken, wenn er die erforderliche Ruhezeit in Hamburg hinter sich habe.

      Fräulein Anna lächelte höchst sonderbar und zog mit ihrem knallroten Sonnenschirm spöttisch Kreise in den Sand.

      Guhlke, ein wenig unsicher geworden, schlug einen Spaziergang in belebtere Teile des Tiergartens vor.

      Plötzlich lachte Fräulein Anna hell auf und fuchtelte mit dem Sonnenschirm wild durch die Luft.

      Guhlke hatte kaum Zeit, sich darüber zu wundern, als Franz Nühler hinter einem Baum hervor auf ihn zusprang, ihn so fest um die Handgelenke faßte, daß Stock und Glacéhandschuhe zu Boden fielen, und ihm zuzischte: » Nu hab ik dir, du Jauner! Und nu her mit die Jelder!«

      Die Sache verhielt sich so: Fräulein Anna war zufällig Franz Nühler auf der Straße begegnet, der ihr höhnisch von ihrem unverschämten Bruder erzählt hatte; wenn sie sich noch einmal unterstehe, ihn bei Bekannten oder Verwandten zu verleumden, dann … Fräulein Anna, der sofort ein bestimmter Verdacht aufgestiegen war, hatte sich diesen Bruder beschreiben lassen und daraufhin nicht mehr gezweifelt. Man war deshalb übereingekommen, Fritz Guhlke Sonntag im Tiergarten abzufangen.

      Der bärenstarke Nühler schleppte Guhlke in dessen Zimmer in der Großen Frankfurter Straße, nahm ihm daselbst sechzig Mark ab, einen Überzieher und ein Paar Schuhe und verabschiedete sich mit drohenden Gebärden.

      Fräulein Anna, die auf der Straße vergnügt das Resultat abwartete, lief ihm lachend entgegen.

      »Der Jauner hat allens vermaust. Zehn Meter und det Zeugs da. Det is allens.« Und an der nächsten Straßenecke verschwand Nühler.

      Fräulein Anna blieb überrascht stehen; dann lehnte sie sich müde an die Wand und blickte traurig zum Himmel empor, als sie Guhlke an sich vorbeilaufen sah.

      »Lump! Jauner!« schrie sie ihm nach.

      Guhlke blieb stehen und kam langsam auf sie zu: »Wat wünschen Se noch, meene Jnädigste?«

      »Meine dreißig Mark, du Lump!«

      Gulke war sofort orientiert und grinste teuflisch. »Da muß schon een anderer anwackeln als dieser Bowist, um wat bei mich zu holen, du Jans.«

      »Waaat?« Fräulein Anna schwang den Sonnenschirm über ihrem Haupt.

      Guhlke entfernte sich lachend: er hatte doch noch sein Renommée gerettet.

      Nach zwei Tagen aber war Marie Hufke, der die Geschichte doch nicht ganz geheuer vorkam, bei Fräulein Anna in der Küche erschienen.

      Tableau. Das damit endete, daß die beiden sich in die Haare gerieten, Geschirr zerschlugen und kreischend auf den Steinfliesen sich wälzten.

      Am nächsten Tag mußte Fräulein Anna ihren Posten bei Justizrat Mandelstuhl verlassen.

      Verborgene Begabung

       Inhaltsverzeichnis

      Während der Hotelportier, mit dem Rücken gegen ihn gewandt, in den Apparat bellte, beglotzte Rican mit unbestimmter Neugierde den gewaltigen Haufen von Briefen, der soeben hingeschubst worden war. Einer, der in einem umgefallenen Pack nur halb verdeckt stak, wies dasselbe Kuvert auf wie die Briefe Jean Forrains, den Stempel Paris und eine maschinengeschriebene Adresse, von der jedoch nur das Wort Pyrmont lesbar vorstach.

      Ohne sich zu besinnen, ja ohne alle Vorsicht schnippte Rican den Brief heraus, stopfte ihn in die Hosentasche und schlenderte krampfhaft aus dem Vestibül.

      Draußen las er:

      Madame Irene de Groit.

      Meine Liebe, vergiß nicht, daß Du nicht länger als zwei Tage auf Dich warten lassen darfst. Hier geht alles gut. M. hockt auf dem Sofa und harrt. Sobald Du hier bist und kittest, hole ich den Kleinen. Bs. Expedition, die ich, fast wie Du sie voröltest, abblies, macht hoffentlich die Sache glatter. B. ist wirklich gänzlich unbenutzbar. Sie hat, man denke, Ausbrüche! Schade um die Zeit, die ich damit verputzte, ihr Haltung beizubringen. Den Kleinen sondiere bitte sofort nach meinem Rezept. Tue etwas gebildet, leise kompliziert. Der Junge fliegt darauf. Anbei den Durchschlag des Briefes an B., damit Du im Ölbilde bist. Gute Trinkgelder geben! Dem Kleinen aber nicht Centimes Anblick mehr! Vielleicht, wenn es sich vertikal tun läßt, kitzle ihn, sich bei B. zu blamieren. Adresse unverändert.

      Maurice.

      Der Brief an B. lautete:

      Meine vielgeliebte Bianca,

      plötzlich gezwungen, abzureisen. Es war nicht anders möglich. Du nimmst morgen den Frühzug um 4 Uhr 30 nach Genf, wo ich Dich nachmittags 6 Uhr im Café de la Couronne erwarte. Deine Anwesenheit allerwichtigst! Alles Weitere mündlich. Beweise mir jetzt endlich einmal, daß ich mich auf Dich verlassen kann. Auf Wiedersehen.

      Dein Etienne.

      p. s. Was Rican betrifft: dummer Junge! Aber doch Vorsicht!

       Eine Viertelstunde später stemmte Bianca Rican das Original dazu schweigend entgegen, ließ sich auf die Chaiselongue plumpsen und heulte.

      Rican schob ihr den Brief nach der zum Lesen erforderlichen Zeit auf die Knie.

      Sie bemerkte es nicht sofort. Dann aber zerriß sie ihn aufschreiend und stampfte mit den Füßen auf die Fetzen.

      Rican streichelte ihr gleichgültig, nur um etwas zu tun, die zuckende nackte Schulter.

      »Ah, er ist mit Irene abgereist! Je l’emmerde!« Bianca, deren Aufregung sich stets französisch äußerte, schnellte auf und rannte, die Fäuste unterm Kinn schüttelnd, auf und ab. »Ah, je vais me venger. Das wird er bereuen!«

      Rican wandte sich ab. So sehr hatte die tränenverschmierte Schminke ihr Gesicht entstellt, daß er lächeln