und sah angenehm erregt zu; bald aber neugierig lüstern; und schließlich, als Alois’ Hiebe immer wilder niederprasselten, feuchten Auges und zitterfingrig.
Réals Kraft erlahmte.
Alois, der Fanoche längst begeistert gesichtet hatte, beschloß, seinen Sieg mit einem seiner Gönner würdigen Coup zu krönen. Er packte Réal plötzlich im Klimmzug, riß ihn hoch und schleuderte ihn mit einer Kraft, deren ihn nur die heiß gewordenen Augen der Fanoche fähig werden ließen, auf einen in der Nähe stehenden Kulissenberg, der denn auch prompt zerbrach und Réal, den schwer Gefürchteten, knatternd und knarrend in sich begrub.
Alois hatte einen Riesenerfolg. Man klatschte, jauchzte, sang und schrie. Zwischendurch wurde der Name Alois mit Ehrfurcht genannt; von Fanoche mit rührender Zärtlichkeit, die jedoch Alois, als sie ihn zu streicheln versuchte, brüsk zurückwies.
Hier offenbarte sich seine außerordentliche Begabung.
Die Fanoche, auf solches am letzten gefaßt, fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, als wollte sie eine unmögliche Halluzination verscheuchen, und geriet, ohnehin durch das vorhergegangene Schauspiel tief erregt, endlich völlig außer sich. Sie begütigte, stammelte, bat, beschwor …
Alois blieb hart, stieß sie eigensinnig immer wieder von sich und beschäftigte sich ausschließlich mit der Instandsetzung seines einigermaßen ramponierten Anzuges.
Die Fanoche, die sich nun nicht mehr zu helfen wußte und vor den herumstehenden Gaffern und Kollegen blamiert sah, wurde wütend und begann Alois in unglaublicher, nur ihrer Garonner Zunge geläufiger Weise zu beschimpfen.
Alois stutzte einen Augenblick. Dann aber zuckte es spitz in seinem breiten Gesicht auf. Er fühlte seinen unsäglichen Triumph und – schlug.
Die Rauferei, die nun folgte, unterschied sich freilich wesentlich von der vorhergegangenen. Alois beschränkte sich tunlichst auf eine kraftvolle Verteidigung. Immer, wenn Fanoche ein Hieb geglückt war, schrie sie vor Schmerz auf. Als sie, zerzaust, zerrissen und zerkratzt, wimmernd zu Boden sank, stürzte ein Hohngelächter ohnegleichen über sie hin.
Das brachte Alois zu sich und auf einen für einen Neuling wirklich bemerkenswerten Ausweg.
Er packte Fanoche um den Leib, trug sie auf die Straße, warf sie in ein Taxi und fuhr mit ihr in die Rue Lépic.
Unterwegs blieb die Fanoche, ein Gemisch von Wut und Neugier, Haß und Begierde, trotzig und regungslos mit geschlossenen Augen liegen.
Sie öffnete sie erst, als sie sich auf ein Bett gelegt fühlte, und wunderte sich durchaus nicht, sich in einer Mansarde übelsten Pariser Genres zu befinden.
Alois wusch sich über einem Blechtopf, der auf einer Kiste stand, zog sich langsam vor einem Scherben Spiegel einen Scheitel und blickte zwischendurch scheu und interessiert auf Fanoche, die bereits sachte ihren Schlager vor sich hin pfiff.
Als sie zu dem Refrain kam: »O mon chéri, donne-moi un petit signe!«, rülpste Alois kräftig und lachte sein breitestes slawisches Lachen. Und auch die Fanoche lachte …
Am nächsten Morgen frühstückten sie, achtungsvoll und orientiert bedient, im Café de la Place Blanche, und als die Zigaretten in den Mundwinkeln baumelten, wurde nochmals besprochen, was nachts beschlossen worden war: daß Alois das Schneidergewerbe aufgeben müsse, nicht ohne sich zuvor eine kleine Garderobe, zu der Fanoche die Stoffe beizusteuern sich verpflichtete, verfertigt zu haben, und daß er seine Rülpsrolle, von nun an gegen Taschengeld, weiterzuspielen habe, bis sich eine passende Gelegenheit biete, ihn als Komiker oder wenigstens als Komparse zu managen …
Während dieser Repetition blickte die Fanoche, die von sämtlichen Finessen, Trucs und Hautfarben gelangweilte, leidenschaftlich in das arg zerschrammte Gesicht ihres Alois, dessen in zart slawischer Breite gen Himmel weisende Nase querüber einen breiten blutigen Riß trug.
Als die beiden bald darauf die Rue Fontaine hinabschlenderten, begegneten sie, da das Doppelmatch in der Alhambra in allen Montmartre-Lokalen das Nachtgespräch gewesen war, zahlreichen auffällig registrierenden Blicken. Die weiblichen Branche-Angehörigen freuten sich grinsend über den Hereinfall der Fanoche, die männlichen zeigten ihren Hohn durch lächerliche Höflichkeit und ein stattlicher unbeteiligter Rest spottete ganz ungeniert.
Alois aber war ein gemachter Mann.
Noch am selben Abend ließ ihm Canette Rasolla von den »Quat’ z arts« durch Robert ein Billett zustecken, in dem sie ihm ein Rendezvous offerierte und noch einiges …
Und vierundzwanzig Stunden später fand die zweite Rauferei zwischen Alois und der Fanoche statt, die schlankweg gänzlich von ihm betört war.
Trübe Sache
Von jenem Moment an, da van Brenken ihm in die Augen gesehen hatte, spielte Mister Kossick schlecht. Der unüberwindbare Spielereigensinn ließ ihn jedoch nicht aufhören.
»Sie werden im Vestibül erwartet,« log van Brenken ohne alle Überlegung, lediglich aus Neugierde, Schadenfreude und vagem Interesse.
Mister Kossick wandte sich schnell um, den Mund zu einem Lächeln bereit. Als er aber die Augen von vorher erkannte, zuckten seine Brauen kurz zusammen. »Thank you.« Gleichwohl trat er vom Spieltisch weg und ging die Treppe hinunter.
Van Brenken folgte ihm, ohne Schwierigkeiten zu haben, unbemerkt zu bleiben, sah ihn einige flüchtige Blicke um sich tun und dann achselzuckend in das Casino-Café eintreten.
»Tag, Max.« Jemand stellte sich van Brenken blitzschnell von der Seite her in den Weg.
»Lotte, du?« Doch sofort packte er ungestüm ihren Arm. »Pst! Ich heiße Adrien van Brenken.«
»Anjenehm. Ik Winnie Sounders.«
»Old England, wat?«
»Jawoll ja, du Holländer. Biste in Not?«
Beide hatten erkleckliche Mühe, die erkorene Haltung zu wahren.
Nach zehn Minuten war die Branchefreude abgeebbt, aber bereits neue Kumpanschaft angezwirnt: Winnie schwibbelte in das Casino-Café, direkt auf Mister Kossik zu.
Van Brenken, wohlversorgt vor einer Eis-Grenadine hinter einer übermannsdicken Säule einer-und dem ›Temps‹, da besonders flächig, andererseits, äugte scharf und unentwegt durch ein frisch gebranntes Zigarettenloch:
Winnie und Mister Kossick saßen bereits eng an einander gepreßt und besprudelten sich eifrig. Bald wurde denn auch eine Hand Mister Kossicks und schließlich auch eine Winnies konstant unsichtbar.
Van Brenken bestellte, herablassender als vordem, einen Sherry-Brandy-Flip, da er Winnie nun schon das vierte Gemixte verschleckern sah, und war überzeugt, in wenigen Tagen bereits das erforderliche Wurfgeld für den Spielsaal zu haben und dann – Lugano und die Schweiz hinter sich.
Als die beiden nach zwei Stunden das Café verließen, war van Brenkens Geduld mehrmals geflickt worden, und als sie, nach einer raschen Fahrt über den See, im Parkhotel verschwunden waren, ohne daß Winnie, nach vier Stunden Wartens, auch nur das kleinste Zeichen von sich gegeben hatte, unheilbar gerissen. Van Brenken erhob sich grunzend von seiner Bretterbank, ordnete seine verknitterten Beine und strauchelte bleich davon …
Andern Tags erschien Winnie sehr spät, machte dafür aber sofort sehr geheimnisvolle Gesten, die van Brenken trotz jahrelanger Übung nicht sogleich zu deuten vermochte.
»Allan … Mister Kossick steht unter den Arkaden. Nachjegangen.« Winnie lachte hierauf heftig.
Augenblicks begann van Brenken zu schlendern, zu causieren, Winnie entzückt zu betrachten etc., welches Bild Winnie mit kokett arrangierten Körperwendungen, zierlichen Gesten und Sonnenschirmdrehungen vervollständigte.
Zwischendurch aber verständigte man sich:
»Das