warf Fiora sein Portefeuille in den Schoß und setzte sie auf ihr dringendes Verlangen hin, nicht ohne zuvor weidlich den Mutigen posiert zu haben, vor der nächsten Metro-Haltestelle ab, damit sie keine Zeit verliere, und küßte ihr schmatzend, aber danküberströmt Stirn und Hände …
Vor Doktor Sahob, der mangels Zigaretten wutentbrannt mit einem Scheit Holz den Ofen prügelte, knallte Fiora jauchzend in die Knie. »Da! Da! Sahob, hurra!«
»Voilà!« Doktor Sahob prüfte sachlich und langsam die Tasche, ohne Fioras entzücktes Schluchzen zu beachten, und hatte bald siebenhundertsiebzig Francs und vierzig Pounds in der Hand. »Ging es so, wie ich wollte?«
»Genau so!« Fioras Jubel weinte Bächlein.
»Sonderbar.« Doktor Sahob lächelte verkrampft zur Seite. Er hatte eine Visitkarte aus dem Portefeuille gezogen und gelesen.
»Wie? … Warum?« Fiora befürchtete, Entsetzen um die Lippen, Sahob, der sie so oft schon erwischt hatte, könnte den Entgang von zweihundert Francs irgendwie entdeckt haben.
» André Coqillot hat doch aber keinen Bauch.«
Fiora erwachte zu neuem Leben. »Ja, der andere war nicht da.«
»Aber Andre Coqillot ist doch ungefähr der einzige Mensch, der zufällig noch eine gute Meinung von mir hat. Hat er das alles wirklich sofort geglaubt?«
Fiora lächelte überlegen. »Ich kenne ihn doch schon seit zwei Tagen.«
»Ah!« Doktor Sahob küßte Fiora zärtlich auf die kupfernen Haare. »Dann wußte er also bereits, daß ich …«
»… daß du sechzehn Monate Zuchthaus repräsentierst.«
»Und daß du …«
»… daß ich von meinem Vater verführt, von einem Athleten weggeschleppt wurde und von dir halbtot geprügelt werde.«
»C’est ça!«
»Sahob, du siehst, ich bin tüchtig! Aber wir machen solche höhere Sachen jetzt öfter, ja?«
»Gewiß, ma petite.«
»Paß auf, du wirst noch Deputierter.«
»Nein!« Doktor Sahobs Stimme schwoll fürchterlich, jedoch erheitert an.
»Und ja!« Lachend stampfte sich Fiora einen Absatz schief.
»Nein, sag ich!« Sahob wirbelte Fiora knackend in eine Ecke.
»Hund verfluchter!«
»Dreckpatzen!« Doktor Sahob brüllte ungeheuerlich. »Und jetzt fahren wir nach Barcelona! Marsch!«
Zuvor warf sich Fiora noch einmal in Doktor Sahobs Arme, die sie geübt über das Bett bogen, das nun völlig zusammenbrach.
Die Rache des Serben Calenowitsch
Es ist vielleicht nicht ganz unbekannt, daß es eines der besten Mittel ist, eine Dame zu bekommen, bereits eine zu haben. Aber auch umgekehrt trifft diese Maxime zu: Herren, die nicht die geringste Lust einem gewissen Weibe gegenüber verspüren, werden allgemach von ihr erfaßt, wenn sie wahrnehmen, daß ein anderer sie in heftigem Grade empfindet.
Moo aus Lüttich, eine überaus genußsüchtige junge Witwe, welche die vorteilhafte Eigenschaft, sehr nüchtern zu beobachten, in hohem Maße besaß, war dies nicht entgangen. Deshalb entschloß sie sich zu einer Liebschaft mit dem ihr schließlich nicht unsympathischen Serben Calenowitsch, um dessen Freund, den Sachsen Fuhrmatz, für den sie in mächtiger Begierde, aber ergebnislos erglüht war, zu bekommen.
Die beiden Freunde bewohnten seit kurzem in Nizza gemeinsam ein kleines Appartement zu ebener Erde; Moo ein elegantes Zimmer im Hotel Negresco, das sie allabendlich nach dem Diner verließ, um sich zu ihrem Calo zu begeben.
Daselbst trank sie schwarzen Kaffee, schäkerte, auf seinen Knien sitzend, mit Calenowitsch und liebkoste ihn stürmisch so lange, bis Fuhrmatz es für gekommen hielt, delikat ins Nebenzimmer sich zurückzuziehen, von wo aus er die Geräusche allerlei holder Vergnügungen mitanzuhören gezwungen war.
Anfangs schmeichelte ihm dieser Zustand. Moo hatte ja, lange bevor Calenowitsch zu ihm gezogen war, eines Nachmittags ihr Haupt auf seine Knie gelegt und überhaupt sehr deutlich zu verstehen gegeben, daß … Fuhrmatz durfte sich also als derjenige fühlen, der anderen gerne überläßt, was er verschmähte. Deshalb war es ihm ein besonderer Genuß, Calenowitsch gegenüber eines außerordentlich liebenswürdigen, leider aber fast gnädigen Tones sich zu befleißigen.
Calenowitsch, der nicht vergeblich auf dem notorisch über ein stattliches Quantum Pfiffigkeit und Feinhörigkeit verfügenden Balkan geboren war, vernahm diesen Ton und merkte sich ihn, da er ihn sich noch nicht zu erklären vermochte.
Doch bereits nach zwei Tagen lieferte ihm ein Vorfall die Möglichkeit zu einer ganz bestimmten Erklärung. Moo hatte ihn nämlich, wie stets nach Fuhrmatzens Verschwinden, liebevoll auf die Chaiselongue gezogen. Die Kehllaute, die sie alsbald mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausstieß, däuchten jedoch Calenowitsch’ feinem Ohr ein wenig übertrieben. Gleichwohl nahm er sie lediglich für Genußsteigerungen im Wege der Autosuggestion. Als sie aber geradezu in ein wildes Heulen übergingen, zu dem nach der augenblicklichen Sachlage durchaus kein Grund vorhanden war, hielt er plötzlich inne. Und mit einem Mal wußte er, woran er war: dieses Heulen war auf das Nebenzimmer projiziert, für Fuhrmatz bestimmt.
Calenowitsch ließ sich jedoch durchaus nichts von dieser Entdeckung anmerken und Moo, die wie alle sehr, nicht aber ganz Klugen andere gerne unterschätzte, bemerkte denn auch nichts.
Calenowitsch schlief diese Nacht nicht. Er sann auf Rache. Und zwar auf Rache an beiden. Der gnädige Ton Fuhrmatzens machte ihn fast noch wütender als Moo’s Unverschämtheit, ihn einfach als Animierknaben zu benützen. Der Umstand, daß er weder für Fuhrmatz noch für Moo ein sozusagen besseres Gefühl besaß (er hielt den Abbé Galiani für den einzigen wahrhaft bewundernswerten Mann), erleichterte ihm sein Vorgehen, das an Raffinement wirklich nichts zu wünschen übrig ließ.
Er beschloß, die beiden auf einander zu hetzen, und, wenn die Begierde am höchsten gestiegen wäre, die Vereinigung auf eine grausame Weise zu verhindern. Das Blut seiner Vorfahren, der Bojaren, wallte in ihm.
Zu diesem Behufe begann er, Moo gegenüber seine bisherige Geilheit mit Sonderempfindungen und gänzlich unmotivierten, angeblich Gefühlen entsprungener Seufzern aufzuputzen, tief schürfende Gespräche über das Wesen der wahren Liebe und den Sinn des Lebens vom Zaun zu brechen, etc., kurz, er simulierte nichts Geringeres als – Liebe.
Fuhrmatz gegenüber sprach er immer häufiger über Moo, ihren persönlichen Wert und ihre körperlichen Reize, stellte sich hierauf leicht gequält und ließ von Zeit zu Zeit das Gespräch sich gleichsam entgleiten, indem er, scheinbar Fuhrmatzens Anwesenheit völlig vergessend, streckenweise Monologe sonderbarst meditierender Art von sich gab.
Die Wirkung blieb nicht aus. Moo beeilte sich ungesäumt, ihrem Calo vor Fuhrmatz Befehle zu erteilen, um seine Servilität und sexuelle Hörigkeit zu demonstrieren, und wechselte mit Fuhrmatz gelegentlich leise ironische Blicke. Dieser vermochte nun schlankweg nicht mehr zu begreifen, wie er sich diese Dame hatte entgehen lassen können, die er bereits für ein sehr bedeutendes Weib hielt, umsomehr als er bislang von Calenowitsch eine außerordentlich hohe Meinung besessen hatte.
Calenowitsch war mit seiner Arbeit zufrieden, hielt es jedoch für angezeigt, das Feuer noch zu schüren. Er lobte Fuhrmatz in selbstverleugnender Weise, wenn er mit Moo allein war. Und war er mit Fuhrmatz allein, lobte er Moo derart, daß er oft Mühe hatte, ein Lächeln zu unterdrücken. Dies alles aber lediglich, um nach einigen Tagen wirkungsvoll das Gegenregister aufziehen zu können. Er begann nämlich, wenn er mit Moo allein war, allerlei Einwände gegen Fuhrmatz zu erheben und geschickt den Neidischen zu mimen. Und war er mit Fuhrmatz allein, so erhob er schwere Einwände gegen Moo