Rochat verschoß zielbewußt seinen dunkelsten Blick.
»Ich weiß es aber wirklich nicht.« Lisas Oberlippe hob sich begehrlich.
Rochat schwieg düster.
Lisas Hände glitten auf ihre Schenkel. In ihren Augen richtete sich eine wunderliche Lust auf. Sie roch ihren Leib und ließ sich, sekundenlang von sich benommen, von leichten Schauern überrinnen. Dann riß sie erregt ihre Jacke auf und zerrte die Arme aus den längst nicht mehr gefütterten Ärmeln.
»Was ist denn los? Willst du heiraten?« Mazalon schnalzte hell mit der Zunge.
Mary kniff wissend ein Auge zu.
Lisa setzte jäh die Hand auf den Tisch. »Du, Mazalon, gib acht auf deine Braut … Madame wird sich mit ihrem Auge bald was fangen!« Ihre Lippen und Augen verschwanden.
Mazalon witterte sofort die Gefahr und drückte Mary einen schmatzenden Kuß neben die Lippen. Als er, sehr schmerzhaft gezwickt, zurückfuhr, stieß sein spitzer Elbogen kurz und fest auf den Busen Lisas, die gell aufschrie.
Da außer Rochat niemand den Stoß gesehen hatte, starrten alle auf Lisa und von den Tischen starrte man auf die Starrenden.
Mehrere standen auf. Kellner kamen.
Mary holte, die Handteller um die Hüften gepreßt, mit geübtem Ruck den Busen aus dem Korsett und erhob sich mit herausfordernder Langsamkeit. »Je n’aime pas des chichis comme ça!« Mit einer grandios verletzend wirkenden Geste schmiß sie die Zigarette weg und tänzelte fort, das Haupt kokett schief geneigt.
»Blöde Bande!« Mazalon rückte den Hut tiefer.
»Wer?« schrie Lisa.
Fast gleichzeitig krachte es. Jemand hatte eine aufgeblasene Tüte zerschlagen.
Das brachte Lisa plötzlich in maßlose Wut. Sie warf die Hände aufs Gesicht und brüllte wie unsinnig auf. Dann sprang sie so heftig empor, daß sämtliche Gläser umfielen, und schleuderte ihre Fäuste auf Mazalon, ohne ihn zu erreichen.
Endlich besann sie sich. Die weit vorgestreckten Arme fielen auf ihre Knie, sie selbst sank kraftlos zurück.
Das ganze Lokal johlte.
Mary wieherte.
Rochat beobachtete höchst aufmerksam.
Mit einem Mal zerging Lisas Gesicht gleichsam. Sie stand langsam auf, faßte zitternd ihre Hände, zerrte an ihnen und streckte sämtlichen Anwesenden, besonders intensiv aber Mazalon und der dicken roten Kokotte, die Zunge heraus. Hierauf schritt sie erhobenen Kopfes hinaus auf die Straße …
»Unklarer Scherz!« feixte Mazalon höhnisch.
»Du irrst.« Rochat schüttelte vergnügt die Haare und lief Lisa nach, überzeugt von seinem bevorstehenden Erfolg.
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Der Vicomte
war in der Absicht nach Marseille gekommen, mit Bec-Salé und Gugusse einen großen Coup zu machen.
Er hatte eben ein kleines Café auf dem Boulevard Baille verlassen, als er vor der Auslage einer Buchhandlung stehenblieb: ein Kriminalroman, dessen blutrünstiges Titelbild weithin leuchtete, hatte es ihm angetan. Seine Jugendleidenschaft lebte in alter Macht wieder auf: er nahm ein Exemplar in die Hand, blätterte darin und entfernte sich lesend. Das war immer schon sein Truc gewesen.
Unter einem Haustor las er stehend weiter. Das Buch war langweilig und dumm. Schon wollte er es wegwerfen, als ein Einfall seinen schmalen feinen Mund kräuselte. Er riß noch einige Seiten mit den Fingern auf, verknitterte das Titelblatt ein wenig und löste den kleinen Zettel der Firma des Buchhändlers ab. Hierauf ging er langsam zurück, trat in die Buchhandlung und bot dem Inhaber dessen eigenes Buch zum Kauf an. Er empfing zwei Francs.
Diese in der hohlen Hand schwenkend, schlenderte er vor sich hin, als er, plötzlich aufsehend, vor Wut aufzischte: er hatte den Geheimagenten Rebbis erkannt, der sich ihm wie zufällig näherte. Da eine Begegnung unvermeidlich geworden