ist Bhagavati. Dieses Wort zu verstehen ist sogar noch wichtiger als das Wort ‚heilig‘, denn dem Wort ‚heilig‘ haftet vielleicht noch eine gewisse christliche Färbung an. Bhagavati … Bhagavati ist die feminine Form von Bhagavan. Erstens benutzt das Sutra nicht das Wort Bhagavan, es benutzt Bhagavati, die feminine Form – weil die Quelle von allem weiblich, nicht männlich ist. Sie ist yin, nicht yang, sie ist eine Mutter, kein Vater.
Der christliche Gottesbegriff von Gott als Vater ist nicht so schön. Er ist nichts als das männliche Ego. Das männliche Ego kann sich nicht vorstellen, dass Gott eine Sie sein kann. Das männliche Ego möchte Gott als Er haben. Und ihr könnt selbst sehen: Die christliche Dreifaltigkeit, alle drei Personen sind Männer, die Frau hat hier keinen Zutritt – Gott, der Vater, Christus, der Sohn und der Heilige Geist. Ein reiner Männerclub.
Und merkt euch gut, dass das Weibliche sehr viel grundlegender im Leben ist als der Mann, weil nur die Frau den Mutterschoß hat, nur die Frau Leben, neues Leben auf die Welt bringen kann – es nimmt seinen Weg durch das Weibliche.
Warum kommt es durch das Weibliche? Es ist nicht nur zufällig. Es kommt durch das Weibliche, weil nur das Weibliche sein Kommen zulassen kann – weil das Weibliche rezeptiv ist. Das Männliche ist aggressiv. Das Weibliche kann empfangen, absorbieren, kann zu einem Durchgang werden. Im Sutra heißt es Bhagavati, nicht Bhagavan. Das ist von ungeheurer Bedeutung. Jene vollkommene Weisheit, aus der all die Buddhas kommen, ist ein weibliches Element, eine Mutter. Der Schoß muss eine Mutter sein. Sobald ihr euch Gott als Vater vorstellt, scheint ihr nicht zu verstehen, was ihr tut. Vater ist eine unnatürliche Institution. Vaterschaft existiert in der Natur nicht. Vaterschaft existiert erst seit ein paar tausend Jahren; sie ist eine menschliche Institution. Die Mutter existiert überall, die Mutter ist natürlich.
Der Vater kam in die Welt durch das Privateigentum. Der Vater gehört der Welt der Ökonomie an, nicht der Natur. Und wenn das Privateigentum erst einmal verschwindet – falls es je verschwindet –, wird der Vater verschwinden; die Mutter aber wird bleiben, wie eh und je. Wir können uns eine Welt ohne Mutter nicht vorstellen, wir können uns eine Welt ohne den Vater sehr leicht vorstellen. Und schon die bloße Vorstellung ist aggressiv. Habt ihr es nicht beobachtet? Nur Deutsche nennen ihr Land Vaterland, jedes andere Land nennt es Mutterland. Das sind gefährliche Leute!
,Mutterland‘ ist okay. Sein Land ‚Vaterland‘ zu nennen … da beginnt man ein gefährliches Spiel, bringt etwas Gefährliches in Gang. Früher oder später wird die Aggression kommen, wird der Krieg kommen. Das Samenkorn ist gelegt. Alle Religionen, die sich Gott als Vater vorgestellt haben, sind aggressive Religionen gewesen. Das Christentum ist aggressiv, der Islam auch. Und ihr wisst sehr wohl, dass der jüdische Gott ein sehr wütender und arroganter Gott ist. Und der jüdische Gott erklärt: „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, und ich werde ihn zerstören. Und ich bin ein sehr eifersüchtiger Gott: Ich will keine anderen Götter neben mir!“ Die Menschen, die sich Gott als Mutter vorgestellt haben, waren seit jeher friedvolle Menschen.
Buddhisten haben nie einen Krieg im Namen der Religion geführt. Sie haben nie versucht, einen einzigen Menschen mit Gewalt, mit Zwang gleich welcher Form zu bekehren. Die Muslime haben versucht, Menschen mit dem Schwert, gegen ihren Willen, gegen ihr Gewissen, gegen ihr Bewusstsein zu bekehren. Die Christen haben versucht, Menschen mit allen erdenklichen Manipulationen zu Christen zu machen – manchmal durch das Schwert, manchmal durch Brot, manchmal durch andere Gängeleien. Einzig der Buddhismus … er ist diejenige Religion, die keinen einzigen Menschen je gegen sein Gewissen bekehrt hat. Nur der Buddhismus ist eine gewaltlose Religion, weil die Vorstellung von der letztendlichen Wahrheit eine weibliche ist.
Ehre der vollkommenen Weisheit,
der lieblichen, der heiligen!
Und denkt daran: Wahrheit ist schön. Wahrheit ist Schönheit, weil Wahrheit eine Segnung ist. Wahrheit kann nicht hässlich sein, und das Hässliche kann nicht wahr sein. Das Hässliche ist Illusion. Wenn ihr einen hässlichen Menschen seht, dann lasst euch nicht durch seine Hässlichkeit täuschen. Forscht ein wenig tiefer nach, und ihr werdet dort einen schönen Menschen verborgen finden. Lasst euch nicht durch Hässlichkeit täuschen. Die Hässlichkeit steckt nur in eurer Interpretation. Das Leben ist schön, die Wahrheit ist schön, die Existenz ist schön – sie kennt keine Hässlichkeit. Und sie ist lieblich, sie ist weiblich und sie ist heilig. Aber denkt daran, mit ‚heilig‘ ist nicht das üblich Gemeinte gemeint – etwa im Sinne von Weltfremdheit, so als wäre es heilig im Gegensatz zum Weltlichen und Profanen – nein. Alles ist heilig. Es gibt nichts, das man weltlich oder profan nennen könnte. Alles ist heilig, weil alles vom Einen durchströmt ist.
Es gibt solche und solche Buddhas! – Buddha-Bäume und Buddha-Hunde und Buddha-Vögel und Buddha-Männer und Buddha-Frauen – aber alle sind Buddhas! Alle sind auf dem Wege dahin. Der Mensch ist nicht Gott in Ruinen, der Mensch ist Gott im Aufbau, auf dem Weg.
Das zweite Sutra:
Avalokita, der heilige Herr und Bodhisattva,
zog auf der tiefsinnigen Bahn
der transzendenten Weisheit dahin.
Von der Höhe herabschauend
erkannte er nichts als fünf Haufen,
und er sah,
dass sie in ihrem So-sein leer waren.
Avalokita ist eine Bezeichnung Buddhas. Buchstäblich bezeichnet sie jemanden, der von oben schaut: Avalokita – einer, der von oben schaut, einer, der am siebten Chakra, dem Sahasrar steht, am transzendentalen, und von dort aus sieht. Natürlich ist immer alles, was du siehst, von deinem Standpunkt gefärbt, von dem Zustand gefärbt, in dem du bist.
Wenn ein Mensch, der auf der ersten Sprosse lebt – dem physischen Körper –, etwas ansieht, sieht er von diesem Standpunkt aus. Ein Mensch, der auf der physischen Ebene lebt, schaut nur auf deinen Körper, wenn er dich anschaut. Er kann auf nichts anderes schauen als das, er kann nicht mehr sehen als das. Deine Sicht der Dinge hängt davon ab, von wo aus du schaust.
Ein Mensch, der sexuell gestört ist, sexuell in Fantasien verstrickt ist, schaut nur von dieser Warte. Ein Mensch, der Hunger hat, schaut von dieser Warte. Beobachtet es nur einmal in euch selber. Ihr schaut auf etwas, und jedesmal, wenn ihr darauf schaut, wirkt es anders, weil ihr anders seid. Morgens wirkt die Welt etwas schöner als abends. Morgens seid ihr frisch, und morgens seid ihr aus der Tiefe eines großen Schlafs erwacht – aus dem Tiefschlaf, dem traumlosen Schlaf. Ihr habt einen kleinen Geschmack vom Transzendenten bekommen, wenn auch unbewusst. Also sieht am Morgen alles schön aus. Die Leute sind mitfühlender, liebevoller; die Leute sind reiner am Morgen, die Leute sind unschuldiger am Morgen. Wenn es dann wieder Abend wird, werden genau dieselben Leute korrupter geworden sein, gerissener, schlitzohriger, manipulativer, hässlicher, gewalttätiger, betrügerischer. Es sind die gleichen Leute, aber am Morgen waren sie dem Transzendenten sehr nahe. Wenn es Abend geworden ist, haben sie zu sehr in der profanen, in der weltlichen, in der physischen Welt gelebt, und sie haben sich an ihr ausgerichtet.
Der vollkommene Mensch ist einer, der all diese sieben Chakras mit Leichtigkeit durchlaufen kann – das ist der Mensch der Freiheit, der an keinem Punkt festhängt, der wie eine Fernbedienung ist: Du kannst sie auf jedes Programm einstellen. Genau das ist es, was man einen Mukta nennt, einen, der wirklich frei ist. Er kann in jede Richtung gehen und dennoch von jeder unberührt bleiben. Seine Reinheit geht nie verloren, seine Reinheit bleibt die des Jenseitigen. Buddha kann kommen und deinen Körper berühren und deinen Körper heilen. Er kann zum Körper werden, aber das ist seine Freiheit. Er kann zum Verstand werden, und er kann zu euch sprechen und euch Dinge erklären, aber er ist nie der Verstand. Er kommt und steht hinter dem Verstand, benutzt ihn, genau so, wie ihr euer Auto fahrt – ihr werdet nie zum Auto. Er benutzt all diese Sprossen, er ist die ganze Leiter. Aber seine letztendliche Warte bleibt das Transzendentale. Das ist seine Natur. Avalokita bedeutet einer, der vom Jenseits her auf die Welt sieht.
Avalokita, der heilige Herr und Bodhisattva,
zog auf der tiefsinnigen Bahn
der transzendenten Weisheit