vertauscht. Da sieh mal, was die für Trauben bringen wird!« unterbrach er sich, um David eine Rebe zu zeigen. »Das sind Kinder, die die Hoffnung ihrer Eltern nicht trügen: man gibt ihnen Dung, und sie tragen. Aber dich habe ich aufs Lyzeum geschickt, enorme Summen habe ich zu deiner Ausbildung ausgegeben, ich schickte dich zu Didot, damit du alles lernst, und was ist das Ende vom Lied? Du bringst mir eine Schwiegertochter aus dem Houmeau, ohne einen Pfennig Mitgift! Hätte ich dich nicht studieren lassen, wärst du unter meinen Augen geblieben, dann führtest du dich nach meinem Wunsch auf und nähmest jetzt eine Müllerin mit hunderttausend Franken zur Frau, die Mühle nicht gerechnet. Ah! dient dein Witz zu nichts weiter, als dass du glaubst, ich werde dich für deine schönen Gefühle belohnen und dir Paläste bauen?... Aber wird man nicht wahrhaftig sagen, das Haus, in dem du wohnst, hätte seit zweihundert Jahren nur Schweine beherbergt, und deine Tochter des Houmeau könnte sich dort nicht ins Bett legen. Ah, sieh mal an! Sie ist wohl die Königin Frankreichs?«
»Schon gut, Vater, ich werde den zweiten Stock auf meine Kosten bauen, der Sohn wird den Vater bereichern. Das ist zwar die verkehrte Welt, aber es kommt manchmal vor.«
»Wie! mein Söhnchen, du hast Geld zum Bauen, und du hast keins, um die Miete zu bezahlen? Spitzbube! du betrügst deinen Vater.«
Diese Frage war schwer zu beantworten, und der Alte war entzückt, seinen Sohn in eine Verlegenheit zu bringen, die es ihm möglich machte, ihm nichts zu geben und doch dabei nicht unväterlich zu erscheinen. Daher konnte David von seinem Vater lediglich die einfache Zustimmung zu seiner Verehelichung und die Erlaubnis erlangen, auf seine eigenen Kosten in dem väterlichen Hause alle Umbauten vornehmen zu lassen, die ihm nötig schienen. Der alte Bär, dieses Muster eines konservativen Vaters, war so gnädig gegen seinen Sohn, dass er die Miete noch stundete und ihm nicht die Ersparnisse nahm, die er unklugerweise hatte sehen lassen. David kehrte traurig heim: er sah ein, dass er im Unglück nicht auf den Beistand seines Vaters rechnen konnte.
In ganz Angoulême war von nichts anderem die Rede als von dem Wort des Bischofs und der Antwort der Frau von Bargeton. Die geringsten Vorfälle wurden so entstellt, übertrieben und ausgeschmückt, dass unser Dichter der Held des Tages wurde. Aus der obern Sphäre, in der dieses Unwetter des Klatsches und der Lästerungen tobte, fielen auch einige Tropfen für das Bürgertum ab. Als Lucien durch Beaulieu ging, um Frau von Bargeton zu besuchen, merkte er die neidische Aufmerksamkeit, mit der ein paar junge Leute ihn betrachteten, und fing einige Sätze auf, die ihn stolz machten.
»Ein glücklicher junger Mann«, sagte ein Anwaltsschreiber namens Petit-Claud, ein früherer Schulkamerad Luciens, der hässlich war und dem gegenüber er gern eine gewisse Gönnermiene aufsetzte. »Ja gewiss, er ist hübsch, er hat Talent, und Frau von Bargeton ist verliebt in ihn«, antwortete ein junger Herr, der bei der Vorlesung dabei gewesen war.
Er hatte ungeduldig die Stunde erwartet, zu der er Louise allein treffen konnte; er hatte den Wunsch, von dieser Frau, die die Richterin über all seine Schicksale geworden war, die Zustimmung zur Verheiratung seiner Schwester zu erlangen. Nach diesem Abend wäre Louise vielleicht zärtlicher, dachte er, und diese Zärtlichkeit könnte eine glückliche Stunde zur Folge haben. Er hatte sich nicht getäuscht: Frau von Bargeton empfing ihn mit einem Gefühlsüberschwang, der diesem Neuling in der Liebe als eine ergreifende Steigerung ihrer Leidenschaft vorkam. Sie überließ ihre schönen goldenen Haare, ihre Hände, ihren Kopf den flammenden Küssen des Dichters, der am Abend vorher so viel hatte leiden müssen.
»Wenn du dein Gesicht gesehen hättest, während du lasest,« sagte sie – denn sie waren am Abend vorher, in dem Augenblick, als Louise auf dem Kanapee mit ihrer weißen Hand die Schweißtropfen weggewischt hatte, die im voraus Perlen auf die Stirn setzten, auf die sie eine Krone drücken wollte, dazu gelangt, »du« zueinander zu sagen – »es sprühten Funken aus deinen schönen Augen! Ich sah die goldenen Ketten aus deinem Munde hängen, die die Herzen an die Lippen des Dichters fesseln. Du wirst mir den ganzen Chénier vorlesen, er ist der Dichter der Liebenden. Du wirst nicht mehr leiden, ich will es nicht! Ja, mein Süßer, ich werde dir eine Oase schaffen, wo du dein ganzes Dichterdasein verbringen kannst wie du willst, bald tätig, bald lässig, untätig, arbeitsam oder sinnend; aber vergiss nie, dass du deine Lorbeeren mir verdankst, dass das für mich die edle Entschädigung für die Leiden ist, die mir nicht erspart bleiben werden. Armer, teurer Freund, diese Welt wird mich so wenig schonen wie dich, sie rächt sich für alles Glück, an dem sie nicht teilhat. Jawohl, man wird immer auf mich eifersüchtig sein; hast du es nicht gestern gesehen, sind nicht diese blutgierigen Schmeißfliegen schnell genug herangeflogen, um sich von den Stichen vollzusaugen, die sie dir beibrachten? Aber ich war glücklich, ich habe gelebt! Wie lange haben die Saiten meines Herzens nicht mehr einen solchen Vollklang gegeben!«
Tränen rannen über Louisens Wangen; Lucien ergriff ihre Hand und drückte statt aller Antwort einen langen Kuss darauf. So wurde der Eitelkeit dieses Dichters von dieser Frau geschmeichelt, wie es seine Mutter, seine Schwester und David getan hatten. Alle Menschen seiner Umgebung fuhren fort, das nur in der Phantasie bestehende Postament zu erhöhen, auf dem er thronte. Von aller Welt, von seinen Freunden wie von der Wut seiner Feinde, in seinen ehrgeizigen Vorstellungen bestärkt, wandelte er in einer Luft dahin, die voller Wahngebilde war. Die Phantasie junger Menschen ist naturgemäß so sehr der Mitschuldige solcher Lobeserhebungen und Ideen, alles beeilt sich so sehr, einem schönen, zukunftsreichen jungen Menschen zu dienen, dass es mehr als einer bittern und erkältenden Lektion bedarf, um solches Blendwerk zu verscheuchen.
»Meine schöne Louise, du willst also meine Beatrice sein, aber eine Beatrice, die sich lieben lässt?«
Sie hob ihre schönen Augen, die sie gesenkt gehalten hatte, und sagte mit einem himmlischen Lächeln, das ihre Worte Lügen strafte:
»Wenn du es verdienst... später! Bist du nicht glücklich? Ein Herz sein eigen nennen, alles sagen können, mit der Sicherheit, verstanden zu werden – ist das nicht Glück?«
»Ja«, antwortete er und verzog das Gesicht wie ein gekränkter Liebhaber. »Kind!« sagte sie scherzend. »Nun, du hattest mir doch etwas zu sagen. Du warst mit etwas beschäftigt, als du eintratst, mein Lucien.«
Lucien vertraute seiner Geliebten schüchtern die Liebe Davids zu seiner Schwester, die seiner Schwester zu David an und sprach von der beabsichtigten Heirat.
»Armer Lucien,« sagte sie, »er hat Angst, er könnte geschlagen oder gescholten werden, wie wenn er selbst sich verheiraten wollte! Aber was ist daran Schlimmes?« fügte sie hinzu und fuhr mit ihren Händen durch Luciens Haar. »Was kümmert mich deine Familie, wo du eine Ausnahme bist? Wenn mein Vater seine Magd heiratete, würdest du dich viel darum scheren? Liebes Kind, Liebende sind für sich allein ihre ganze Familie. Habe ich ein anderes Interesse in der Welt als meinen Lucien? Werde groß, erobere dir den Ruhm, das allein geht uns an!«
Diese egoistische Antwort machte Lucien zum glücklichsten Menschen auf der Welt. In dem Augenblick, wo er die tollen Gründe hörte, mit denen Louise ihm bewies, dass sie allein auf der Welt wären, trat Herr von Bargeton ein. Lucien runzelte die Stirn und schien verlegen; Louise machte ihm ein Zeichen und bat ihn, bei ihnen zum Essen zu bleiben. Sie sagte, es wäre schön, wenn er ihr André Chénier läse, bis die Spieler und die gewohnten Besucher kämen.
»Sie werden nicht bloß ihr ein Vergnügen damit machen,« sagte Herr von Bargeton, »sondern auch mir. Nichts bringt mich besser in Ordnung, als wenn ich nach dem Essen vorlesen höre.«
Lucien blieb, von Herrn von Bargeton und von Louise mit Auszeichnung behandelt, von den Lakaien mit dem Respekt bedient, den sie für die bevorzugten Freunde des Hauses hatten, im Hotel Bargeton. Mehr und mehr betrachtete er den Genuss eines Vermögens als sein eigen, dessen Nutznießung ihm gestattet war. Als der Salon voller Menschen war, fühlte er sich der Dummheit des Herrn von Bargeton und der Liebe Louisens so sicher, dass er eine herrische Miene annahm, zu der ihn seine schöne Geliebte nur ermutigte. Er genoss die Freuden der Despotie, die Naïs erobert hatte und die sie gern mit ihm teilte. Kurz, er versuchte an diesem Abend die Rolle eines kleinstädtischen Helden zu spielen. Einige unter den Anwesenden dachten, als sie die neue Haltung Luciens bemerkten, er wäre, wie man sich wohl für eine bestimmte Sache ausdrückt, mit Frau von Bargeton schon ganz und gar