privatgewerblicher Träger am Personalbestand bei 2 % und in der stationären Erziehungshilfe bei immerhin sechs Prozent (Mühlmann/Pothmann 2014, 19). Allerdings ist hier einzurechnen, dass es sich bei privat-gewerblichen Trägern in der Erziehungshilfe zumeist um relativ kleine Einrichtungen handelt; zählt man die Anzahl und die Relationen bei den Einrichtungen, so machen die privat-gewerblichen Träger in der stationären Erziehungshilfe immerhin einen Anteil von 19,2 % aus (Autorengruppe 2019, S. 28). Der Anteil der gewerblichen Träger bei den Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe ist also deutlich höher als deren Anteil bei den Plätzen und bei dem dort tätigen Personal. Bei den Kindertageseinrichtungen waren im Jahr 2011 lediglich 1,1 % in Westdeutschland und 1,2 % in Ostdeutschland des Personals bei privatgewerblichen Trägern beschäftigt (BMFSFJ 2013, 474 ff.). Von Kindern unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen waren im Jahr 2017 5,5 % in Westdeutschland und 1,0 % in Ostdeutschland in Einrichtungen privatgewerblicher Träger betreut (Autorengruppe 2019, 49). Während somit bei den Kindern unter drei Jahren insgesamt 4,2 % in Einrichtungen privatgewerblicher Trägerschaft betreut wurden, waren es im Jahr 2017 bei den Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren lediglich 1,6 % (Tabellenhinweis bei Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, 69). In der Jugendamtsbefragung des Deutschen Jugendinstituts e. V. (DJI) im Jahr 2010 hat immerhin etwas mehr als ein Viertel der Jugendämter angegeben, im eigenen regionalen Zuständigkeitsbereich gebe es mindestens einen gewerblichen Träger in der ambulanten und in der stationären Erziehungshilfe (Gadow u. a. 2013, 105 ff.).
3.2 Zum Verhältnis öffentlicher und freier Träger in der Kinder- und Jugendhilfe
Für die Gestaltung des Verhältnisses zwischen öffentlichen und freien gemeinnützigen Trägern in der Kinder- und Jugendhilfe gilt die Formel der »partnerschaftlichen Zusammenarbeit« (§ 4 Abs. 1 SGB VIII). Den freien gemeinnützigen Trägern wird das Recht auf Autonomie im Hinblick auf Ziele, methodisches Handeln und Organisationsweisen zugesichert (§ 4 Abs. 2 SGB VIII). Dies entspricht dem im SGB VIII proklamierten Grundsatz der Pluralität von Trägern mit unterschiedlichen Werthaltungen, fachlichen Inhalten, Methoden und Arbeitsformen (§ 3 SGB VIII), die in der Kinder- und Jugendhilfe tätig werden können und sollen. Mit der Formel der »partnerschaftlichen Zusammenarbeit« und mit dem darin enthaltenen Kooperationsverständnis wird das für die Trägerstrukturen maßgebliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1961 aufgegriffen: Statt einer formalen Vorrang-Nachrang-Regelung in einem starr-formalistischen Subsidiaritätsverständnis wird auf eine Kooperation zwischen den unterschiedlichen Trägern zum Wohl der jungen Menschen gesetzt. Zwar soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen, wenn geeignete Angebote und Leistungen von freien Trägern rechtzeitig geschaffen werden können (§ 4 Abs. 2 SGB VIII); dieser Grundsatz ist aber eingebunden in das Kooperationsgeflecht zwischen öffentlichen und freien gemeinnützigen Trägern (zum Subsidiaritätsprinzip und zu dessen politischer Verarbeitung siehe u. a. Sachße 2003; Merchel 2008b, 16 ff.).
Der in § 4 SGB VIII enthaltene Grundsatz der »partnerschaftlichen Zusammenarbeit« durchzieht als Leitorientierung die auf Steuerung der Kinder- und Jugendhilfe ausgerichteten Regelungen des SGB VIII: Den freien Trägern werden Mitwirkungsmöglichkeiten eingeräumt im Jugendhilfeausschuss (§ 71 SGB VIII), bei der Jugendhilfeplanung (§§ 79, 80 SGB VIII), über die Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII sowie über den Modus der Vertragsgestaltung bei den Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen in der Erziehungshilfe (§§ 78a–g SGB VIII). Auch die Logik der Qualitätsentwicklung (§ 79a SGB VIII) ist auf den Einbezug der freien Träger ausgerichtet (Deutscher Verein 2012).
Während das Prinzip des Einbezugs der gemeinnützigen freien Träger sich somit auf eine breite Palette von Modalitäten der Gestaltung der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe richtet – also sowohl auf die Leistungserbringung als auch auf die Gestaltung der Angebotsstruktur und auf die Entscheidungen zu den politischen Rahmenbedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe –, erfolgt die Kooperation zwischen öffentlichen und gewerblichen Trägern lediglich auf der Ebene der – i. d. R. einzelfallbezogenen – Leistungserbringung. Gewerbliche Träger haben keine Möglichkeit, sich als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII anerkennen zu lassen, mit der Folge, dass sie kein Recht auf Teilnahme an der Jugendhilfeplanung haben und nicht im zentralen jugendhilfepolitischen Gremium, dem Jugendhilfeausschuss, mitwirken können.
Die Kooperationsbezüge zwischen öffentlichen und freien Trägern werden in die oben zitierte Leitformel der »partnerschaftlichen Zusammenarbeit« gegossen, an der sich die Strukturen und konkreten Formen der Zusammenarbeit ausrichten sollen. Die »partnerschaftliche Zusammenarbeit« ist als Ausfluss der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1967 explizit in § 4 Abs.1 SGB VIII hineingenommen und dadurch zu einer Basisnorm geworden. Mit der Vokabel »partnerschaftlich« soll die Zusammenarbeit »auf der Ebene der Gleichordnung« erfolgen (Wiesner 2015, § 4 Rz 5); in heutiger Diktion würden viele umgangssprachlich eine »Zusammenarbeit auf Augenhöhe« fordern. Die Formel von der »partnerschaftlichen Zusammenarbeit« muss jedoch primär als eine normative Leitorientierung verstanden werden; analytisch ist jedoch in den Blick zu nehmen, dass die Kooperationen in einem Geflecht verschiedener Interessen und gegenseitiger Abhängigkeits- und Machtbeziehungen erfolgen: Die öffentlichen Träger sind zur Erfüllung ihres Auftrags, angemessene Leistungsangebote für junge Menschen und Eltern zu schaffen, auf die Kompetenzen und die Mitwirkungsbereitschaft der freien Träger angewiesen, und die freien Träger bedürfen zur Aufrechterhaltung ihrer Einrichtungen und Dienste der Zuerkennung von materiellen und immateriellen Ressourcen durch die öffentlichen Träger. Beide Seiten müssen ihre interorganisationalen Interessen- und Machtkonstellationen so handhaben und ausbalancieren, dass insgesamt gute Leistungen für Leistungsadressaten und -adressatinnen zustande kommen und die jeweiligen organisationalen Interessen zur Geltung kommen können. Die Kooperationen folgen somit pragmatischen Erwägungen und in einem strukturell spannungsvollen Interessengeflecht. Die Leitformel der »partnerschaftlichen Zusammenarbeit« mag als eine zur reflexiven Erörterung von Kooperationsverhältnissen anregende Norm herangezogen werden, jedoch sollten damit nicht die vielgestaltigen Spannungskonstellationen, die die Realität ausmachen, aus dem analytischen Blick herausgehalten werden. Vielmehr bedarf es bewusster und kontinuierlicher Gestaltungsaktivitäten, um den normativen Horizont der Formel auf der Ebene des Alltags erlebbar werden lassen zu lassen (am Beispiel Erziehungshilfe vgl. Merchel 2017).
Öffentliche und freie Träger bilden auf der kommunalen Ebene ein komplexes Handlungs- und Steuerungsfeld, das sich weder durch normative Formeln wie der »partnerschaftlichen Zusammenarbeit« noch durch den Verweis auf einseitige politische Abhängigkeiten hinreichend bestimmen lässt. Die Bedeutung der freien Träger und deren Verarbeitung in unterschiedlichen Formen und Möglichkeiten der Beteiligung und der Einbindung markiert ein Steuerungsfeld, das in der politischen Steuerungsdiskussion unter dem Stichwort »Governance« im Bereich der sozialen Dienste erörtert wird (Nullmeier 2011). Im Politikmodus »Governance« verstehen sich politische Akteure und umsetzende/gestaltende Verwaltung nicht als zentrale Regulierungsakteure, die das Feld intentional und zielgerichtet steuern, sondern als koordinierende und planerisch Impuls gebende Stelle im Rahmen einer »kooperativen Kultur des lokalen Regierens« (Dahme/Wohlfahrt 2013, 243). Am »Regieren« sind »nicht nur die politisch gewählten Vertreter und Parteien beteiligt, sondern auch Bürger, zivilgesellschaftliche Vereinigungen, Interessenverbände und die Wirtschaft, diejenigen also, die im klassischen repräsentativen Demokratiemodell eigentlich die ›Regierten‹ sind« (ebd., 244). Es liegt nahe, dass sich insbesondere der kommunale Bereich und hier die kommunale Kinder- und Jugendhilfe für einen solchen Politikmodus eignet, da hier eine relative Übersichtlichkeit der Akteure gewahrt werden kann und vielfältige Beteiligungsformen geschaffen werden können. Die Wohlfahrtverbände stellen einen erheblichen Teil der Mitglieder in den kommunalen Jugendhilfeausschüssen (Merchel/Reismann 2004; Merchel 2014). Über Kooperationsgremien (Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII, Planungsgruppen im Rahmen der Jugendhilfeplanung, trägerübergreifende Arbeitskreise und Gremien auf kommunaler Ebene) bringen sich die freien Träger in die Steuerung der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe ein. Über den kommunalen Bereich hinaus wirken die Repräsentanten der Wohlfahrtverbände in vielfältigen Gremien auf Landes- und Bundesebene mit und beeinflussen dort die politische Willensbildung und politisch-administrative Entscheidungsprozesse.