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Die großen Western Staffel 5


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Stange mit ihren hundertachtzig durchgeschlagenen Nägeln wirkt wie eine Egge. Eine Decke hinter ihr glättet dann den Sand wieder.

      Moore führt die Pferde in ein zwischen den Felsen liegendes Loch. Er will ihnen Wasser geben, tastet sich in der Dunkelheit der Höhle zu den Wasserschläuchen.

      Als Old Joe Moore sich bückt, hört er das leise Schaben neben sich. Dann zischt etwas durch die Luft.

      Runter, denkt Joe noch und wirft sich nach vorn. Ducken.

      Er reißt den Mund zu einem gellenden Warnschrei aus, als er undeutlich einen dunklen Schatten neben sich erkennt.

      »Jim, vorsi…«

      Und dann trifft etwas seinen Kopf und lässt Joes Schrei ersticken.

      Die Banditen, denkt Old Joe Moore noch. Allmächtiger, die Banditen.

      *

      Bei Joes Schrei wirbelt Kendall herum. Er hat die Nagelstange noch in der Hand und sieht einen Mann hinter dem nächsten Felsen heraushechten. Mit einem wilden Ruck schleudert Kendall dem untersetzten Burschen seine Nagelstange gegen die Beine. Er hört den gellenden heulenden Aufschrei des Mannes, will zum Colt greifen und sieht dann einen Mann von oben kommen.

      Der zweite Mann landet auf Jims Rücken. Der Anprall wirft Kendall zu Boden. Dennoch kann er zum Colt greifen, denn der Mann ist auch hingestürzt.

      Die Waffe fliegt aus dem Halfter, doch irgendwo hinter Kendalls Kopf knirscht der Flugsand auf den Felsen.

      Hinter mir, denkt Kendall grimmig und will den Colt herumschwingen, als ein fürchterlicher Tritt seine Hand trifft. Sein Revolver wird ihm aus den Fingern getreten und segelt scheppernd über den Steinboden. In der Ahnung des nächsten Tritts versucht Kendall noch nach den Beinen des Mannes zu greifen. Er schafft es aber nicht mehr. Obgleich er sich wieder auf die Seite wirft, um auszuweichen, knallt ihm der Stiefel des dritten Banditen an den Kopf.

      Einen Augenblick lang sieht Kendall nichts als ein Feuerwerk. Durch die Nacht ertönt das heisere brüllende Wutgeheul des von der Stange getroffenen Banditen. Der Mann ist erneut hochgekommen. Sein Gewehr saust herunter. Nur Kendalls Rollen in halber Bewusstlosigkeit nach links lässt auch diesen Hieb fehlgehen. Diesmal knallt der Gewehrkolben gegen den harten Felsboden. Ein Knacken, ein Splittern, dann ist der Kolben abgebrochen. Verstört stiert der Bandit den Bruchteil einer Sekunde auf sein zertrümmertes Gewehr.

      »Pack ihn doch! Auf ihn! Halte ihn fest!«, schrillt der Schrei in Kendalls Ohren. »Halte ihn!«

      Kendall zieht instinktiv die Beine an. Er sieht alles verschwommen, stößt die Beine ab und hat Erfolg. Seine Stiefel fahren irgendjemand in den Leib. Der Mann stößt ein dumpfes Röcheln aus und landet irgendwo an den Felsen.

      »Du verfluchter Hund. Der Kerl kämpft wie ein Satan!«

      Das ist alles, was Kendall noch hört. Undeutlich erkennt er neben sich einen sich schnell bewegenden Schatten. Dann trifft ein gewaltiger Hieb seinen Kopf, während jemand auf ihm mit zentnerschweren Gewicht zu landen scheint. Zwei, drei dumpfe krachende Töne, als schlüge man auf ein hohles Fass, sind Kendalls letzte Wahrnehmung.

      Danach beginnt er zu fliegen. Hitze erfasst seinen Körper. Grelles Licht scheint ihn aufzusaugen, obgleich der Morgen noch fast zwei Stunden entfernt ist.

      »Der verfluchte Schurke«, wimmert jemand und hockt am Boden. »Er hat mir die Rippen eingetreten. Oaaach, ich schlage ihn tot.«

      »Zurück!«, brüllt in diesem Moment der hagere Gip Roggers scharf.

      »Weg von ihm, du verdammter Idiot. Hast du vergessen, was ich euch gesagt habe? Die beiden vorherigen Tage sind sie später und erst kurz vor dem Morgengrauen aus der Wüste gekommen. Sie haben es gefunden, ich wette meinen Kopf, sie haben es gefunden. Ah, das haben sie nicht gedacht, was? Ich werde doch nicht so verrückt sein und bei Mondschein in die Wüste gehen, damit sie uns sofort entdecken. Wir haben sie, und ich wette, wir haben bald das Geld.«

      Der andere Mann am Boden wimmert über seine gebrochenen Rippen. Jener, dem die Stange vor die Oberschenkel geflogen ist, kauert mit herabgelassener Hose an einem Stein und stiert aus herausquellenden Augen auf seine Beine.

      Er brüllt vor Schmerz, als Roggers in die Tasche greift, seine flache Brandyflasche entkorkt und ihm wortlos den Brandy über die kaum blutenden Stellen gießt.

      »Du – du gräulicher Satan. Du Hundesohn. Du hast Spaß daran, wenn andere Schmerzen erleiden müssen. Roggers, du Satan.«

      »Yeah, das bin ich«, stellt Roggers eisig fest. »Du kannst dich darauf verlassen. Kendall wird das auch bald merken.«

      Er lacht heiser auf, während die anderen verstummen und sich ansehen.

      *

      Morgensonne über den Klippen, grelles Licht auf Joe Moores plötzlich spitz wirkender Nase. Moores Augen sind starr auf irgendeinen ungewissen Punkt am Himmel gerichtet.

      Er kann noch denken – noch, das ist es. Kendall erinnert sich an die Stunde des Erwachens und die Tritte. Er glaubt den Schmerz noch zu spüren. Feuer in den Rippen.

      Kendall hält die Lider geschlossen, hört die Schritte neben sich, das wütende Gefluche von Roggers. Dann jagt ihm der Tritt gegen die linken Rippen.

      »Hund, sieh mich an. Augen auf, los, sonst breche ich dir die Finger einzeln.«

      Er macht die Augen auf und sieht ihn an, so gut er es noch kann nach der einstündigen Behandlung.

      In diesem Moment weiß Kendall, dass er Roggers töten wird, wenn er jemals dazu eine Gelegenheit bekommt. Er wird ihn ohne Gnade und Erbarmen umbringen, wie Roggers seine Männer umgebracht hat. Und er wird es nicht eine Sekunde bedauern.

      »Kendall, er ist doch dein Freund, was, der verdammte Alte? Wir machen weiter, verstehst du? Wir machen solange weiter, bis du redest.«

      »Und kein Wort. Eher sterben. Jim, sage nichts, nimm keine Rücksicht auf mich. Das Gesindel erfährt kei…«

      Ein Brüllen der Wut drüben, als Joes heisere Stimme loslegt. Es klatscht ein paarmal, und Dick Parker kreischt wütend:

      »Machst du ungefragt das Maul auf, Hundeseele? Dir stopfe ich es, bis du erstickst.«

      Kendall sieht Joe liegen, seine Nase blutet. Joe ist ohnmächtig geworden.

      »Macht weiter«, hört Kendall sich sagen. »Immerzu, Roggers, macht nur weiter. Wir haben nichts zu sagen.«

      Roggers Gesicht verzerrt sich, er hebt die Faust, schlägt aber nicht zu. Plötzlich beginnt er zu grinsen, das Grinsen eines verkommenen Schurken.

      »Nichts?«, erkundigt er sich dann höhnisch. »Ah, ich verstehe. Du meinst, die Hiebe machen euch nichts aus, was? Nun, wir werden sehen, ob euch auch andere Dinge nichts ausmachen werden. In vier Stunden werdet ihr um die Wette heulen wie Kojoten. Hoch mit den beiden Narren. An die Felsen binden. Holt Riemen her und Wasser.«

      Er lacht jetzt hämisch und klatscht sich auf die Schenkel, als seine Kumpane Kendall hochreißen und an einen der niedrigen Felsen schleifen. Dort binden sie ihn fest. Ihm zur Seite, an einen anderen Felsblock, der alte Joe. Einer der Kerle hält einen Felleimer, in den sie Wasser gießen. Dann kneten sie die Riemen durch.

      Nach fünf Minuten wickeln sie die Riemen um Kendalls Kopf und schnallen einen Hosenriemen um seine Stirn, der Kendalls Kopf an den Fels presst.

      »Weißt du, was passiert?«, fragt Roggers höhnisch. Er steht breitbeinig und hager vor Kendall in der Sonne. Dann tritt er zur Seite, sodass die Sonne nun voll auf Kendall prallt. »Wir haben die Riemen durchgeknetet. Sie sind völlig durchnässt. Dann haben wir noch an ihnen gezogen und sie endlich um deine Stirn gewunden. Weißt du, was passiert, wenn die Sonne die Riemen austrocknet? Du wirst glauben, dass dir der Schädel langsam zerdrückt wird, Kendall. Ihr werdet brüllen, wir möchten euch das Zeug abnehmen, wetten?«

      Kendall sieht ihn an und kann nicht einmal nicken. Ja, er weiß, was kommen wird. Er ist sicher, dass sie irgendwann reden werden. Das kann