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Die großen Western Staffel 5


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ist auf den Beinen und durch den Schuss anscheinend vollständig ernüchtert. Ohne Zaudern springt Stone seitwärts weg, um nicht Wallers untersetzte Gestalt vor sich zu haben, denn Wailer verdeckt Kendall fast völlig. Stone nimmt sich auch keine Zeit, nach dem Gewehr zu greifen. Er reißt augenblicklich den Colt heraus. Seine durchdringende Stimme peitscht über die Schläfer hinweg:

      »Vorsicht! Kendall ist frei. Art, hoch!«

      Es geschieht innerhalb weniger Sekunden und so schnell, dass Kendall kaum zum Nachdenken kommt. Kendall hat zwar den einen Strick durchschneiden können, der ihn an den Felsen gebunden hat. Seine Fußfesseln aber liegen noch um seine Stiefel. Sie sind erst angesägt vom Flaschenbodenhals. Mit gebundenen Füßen tritt Kendall aus. Es geschieht in derselben Sekunde, die Stone drüben nach rechts hechten und den Colt hochreißen sieht.

      Mit beiden Händen umklammert Kendall jetzt die Waffe Willers. Er tritt unter ihr durch nach Wailers Hüfte und trifft. Gleichzeitig brüllt Stone irgendetwas. Wailers schriller Aufschrei klingt dazwischen, und der Mann fliegt nun hintenüber. Der Tritt Kendalls ist so hart, dass Wailer das Gewehr loslässt. Wailer wird von Kendalls Stiefeln an der linken Hüfte getroffen und weggestoßen. In dieser Sekunde glaubt

      Stone schießen zu können.

      Mit einem wilden Fluch drückt

      Stone ab.

      Es ist Stone noch, als fiele Wailer plötzlich mitten in seine Schussbahn hinein. Im Dröhnen des Schusses kippt Wailer nach hinten. Dann zuckt er zusammen. Sein grobes, von einigen Narben verunziertes Gesicht verzerrt sich furchtbar. Entsetzt stiert Stone auf Wailers graues Hemd. Wailers Hände fahren zum Bauch und er blickt Stone aus weit aufgerissenen Augen an.

      Stone hat in seiner Hast zu schnell gefeuert und die Kugel seinem Partner in den Leib gejagt. Der kurze Augenblick von Stones Entsetzen ist schon zu lang. Als Stone den Hammer wieder spannt, taucht Kendall plötzlich rechts neben Wailer hoch. In Kendalls Händen liegt das Gewehr. Verzweifelt bemüht Stone sich, noch einmal zu feuern. Brüllend rast eine Flammenlanze aus Kendalls Gewehr, als Stone gerade abdrückt. Stones Kugel pfeift an dem langsam nach vorn sinkenden Wailer vorbei und klatscht hinten gegen eine Felsklippe. Es ist Stone, als schmettere ihm jemand die Faust gegen die Brust. Dann prallt er an die Wand. Seine Hand mit dem Colt sinkt herab und öffnet sich.

      Am Boden aber reißt Kendall die Beine an, gibt sich einen Stoß und fährt zur anderen Seite herum.

      Moores scharfer heiserer Schrei lässt Kendall auf der Stelle kehrtmachen.

      »Jim, Lowell.«

      Noch im Herumdrehen sieht Kendall, dass Lowell aufgesprungen ist und geduckt neben der Klippe steht. In rasender Schnelligkeit repetiert Kendall, hebt die Waffe und sieht den Feuerblitz aus Lowells Revolver schlagen. Die Kugel peitscht mit einem seltsamen Klatschen dicht neben Kendalls rechtem Bein gegen den Fels. Irgendetwas trifft Kendall mit einem leichten Zupfen, aber er achtet nicht darauf. Blitzartig wirft Jim sich im Herunterzucken von Lowells Colt auf die linke Seite. Er rollt, hört das zweite Brüllen von Lowells Revolver und glaubt einen leichten Schlag an seinem rechten Bein zu bemerken. Dann liegt er, sein Gewehrlauf stößt einen Feuerball aus.

      Drüben hockt Penny Loan mit aschfahlem Gesicht. Sie kann Lowell gerade noch an jener Felsklippe sehen. Dann scheint er im Donnern des Gewehrs nach hinten wegzutauchen.

      Es sieht aus, als fiele er um, aber verschwindet über der Kante der Felsen. Dorthin hat Wailer vor wenigen Minuten eine Flasche geschleudert. Kendall hat sie nach Sekunden tief unten klirrend zerbersten gehört. Jetzt ist es totenstill. Nur Dick Parkers lallende trunkene Stimme vermischt sich mit Wailers heiserem gurgelndem Stöhnen.

      Kendall dreht sich erneut. Sein Gewehr richtet sich auf Parker, der sich aufgestemmt hat. Parker kauert auf Händen und Knien. Seine rotgeränderten blinzelnden Augen drohen ihm zuzufallen.

      »Was – was’n … Warum schießen – Ruhe!«

      Nach dem letzten Wort kippt Parker auf die Brust und bleibt so liegen.

      Danach versucht er sich wieder aufzustemmen.

      In diesem Augenblick tönt von unten der dumpfe schwere Aufschlag hoch.

      »Großer Gott«, hört Kendall Penny Loan mit seltsam hoher Stimme sagen. »Großer Gott.«

      Und dann verstummt sie mit einem kurzen klagenden Seufzer.

      Kendall drückt sich hoch. Es brennt leicht an seinem rechten Bein und sticht am linken Oberarm. Trotz der Schmerzen im Arm kann Kendall ihn voll gebrauchen. Er kommt in die Hocke und hoppelt mit gebundenen Füßen zu Wailer hin. Nach vier Sekunden hat er Wailers Messer, zerschneidet sich die Fußfesseln und kommt sofort hoch. Ohne auf Penny oder Moore zu achten, schnellt Kendall sich ab. Er landet neben Dick Parker. Sein Stoß schleudert den Banditen auf den Rücken, und sein blitzschneller Griff reißt Parker den Colt aus dem Halfter. Dann tritt Kendall Parkers Gewehr weg und läuft zu Joe.

      »Jim«, schnauft der Alte stockheiser. »Ich dachte, sie hätten dich zum Sieb geschossen. Großer Gott, dein linker Arm. Und in deinem rechten Stiefel ist ein Loch.«

      »Es ist weiter nichts«, antwortet Kendall und schneidet Old Joe hastig los. »Nimm Wailer den Colt weg und binde Parker. Wir brechen sofort auf, Joe. Noch vor dem Abend müssen wir in Bradys Hot Springs Station sein. Dort bleiben immer einige unserer Wagen über Nacht. Sind keine da, leihen wir uns Bradys Wagen und schaffen das Geld nach Reno.«

      Er läuft zu Penny, befreit sie und trägt sie hinter die Klippen. Dort wacht sie auf, sieht ihn starr und furchtsam an und schlingt dann die Arme um seinen Nacken. Ihr Kopf liegt an seiner Brust, und ihr Schluchzen erschüttert sie beide.

      »Es ist gut, Penny«, sagt er heiser. »Beruhige dich, Darling. Es war die Hölle, aber nun ist sie vorbei. Wir müssen auf dem schnellsten Weg das Geld in Sicherheit bringen und versuchen, Roggers und Dalton zu erwischen. Ich will Dalton haben.«

      Eine Kugel für Dalton.

      *

      Penny Loan fährt mit einem Schrei hoch und spürt im nächsten Augenblick den harten Griff an ihrem Arm. In ihren Ohren ist das Knattern der Räder, das wilde Prusten und Schnauben der Pferde. Polternd jagen die Räder des schweren Transportwagens durch irgendein Loch.

      Ihr Blick wandert herum und bleibt sekundenlang auf Dick Parker liegen. Der Mann hockt, mit Wagenketten gefesselt wie ein Galeerensträfling, am Endbrett. Er ist eingeschlafen und schaukelt mit den Bewegungen des Wagens hin und her. Dort kauert der Bandit neben den Kisten, und Penny ist, als hätte sie immer noch Joe Moores heisere spöttische Worte beim Anketten Parkers in den Ohren.

      »Jetzt sitzt du auf dem Geld, Hundesohn. So wolltest du es doch haben, wie? Versuch erst gar nicht loszukommen. Die Ketten sind mit Schlössern gesichert. Träume von deinem Silberdollarregen, Mister, bis sie dich hängen werden.«

      Der Ritt mit den beladenen Maultieren fällt Penny Loan ein. Unbarmherzig hat Kendall die Tiere angetrieben. Er wollte zu Bradys Station, ehe es dunkel wurde. Natürlich, denkt sie, hat er es geschafft. Es war nur niemand da, nicht einmal Brady.

      Keiner von Jims Männern in der Station, lediglich der hinkende Stationshelp Murphy war dort und gab Jim den Wagen. Jim hat alle Pferde mitgenommen, acht Pferde. Vier vor dem Wagen, vier hinter ihm. Er fährt wie der Teufel.

      Bradys Stallhelp hat keine Fragen gestellt, nur seltsam schief zugesehen, als Jim die Kisten auf den Wagen packte und Ketten für Parker holte. Dann sind sie losgefahren, Parker im Kasten, neben ihm Kendall, auf dem Bock Joe Moore. Zu Anfang hat Penny geglaubt, Moore würde mit ihnen in die nächste Schlucht fahren. Old Joe hat die Pferde gejagt, dass der Wagen manchmal um Wegbiegungen schleuderte.

      Vierundzwanzig Meilen bis Carson City sind es von Bradys Overland Station gewesen.

      Und jetzt?

      Der Tag meldet sich an, der Himmel im Osten wird grau.

      Vier Stunden noch bis Carson City mit erschöpften Pferden, die immer langsamer werden.

      Vielleicht ist Brady am Abend zu seiner Station zurückgekommen,