allen Vieren zugleich in die Luft. Und danach rasen die anderen los. Die Maulesel mit ihren Packsätteln gehen durch.
Hinter ihnen, die nun auf Moore am Tor zurennen, und dem die Sicht nehmen, springt Cooney wie ein flüchtender Hase auf das offene Schuppentor zu. Er sieht sich nicht mehr um, der Bandit Cooney. Er rennt um sein Leben quer durch den Schuppen, während hinter ihm Moore noch einmal feuert. Der Schuss treibt die Maulesel zurück, jagt sie aber quer über den Hof am Wagen vorbei.
In diesem Augenblick läuft Dalton, den Colt in der Faust, auf sein Pferd zu. Er springt in den Sattel, sieht die Maulesel in wilder Stampede auf den Schuppenanbau und Kendall zu jagen und duckt sich.
»Schieß, du Narr«, brüllt Dalton höhnisch. »Pass auf, dass sie dich nicht tottrampeln, du Halunke.«
Aus den Augenwinkeln sieht er noch, wie Kendall sich hinter die Ecke werfen muss. Dann nimmt Dalton Maß am Zaun und schlägt seinem Pferd die Hacken hart ein.
»Spring!«, keucht Dalton. »Spring rüber! Los, spring!«
In der Sekunde des Zügelanreißens, als er das Pferd gerade hochziehen will zum Sprung, kommt der Knall. Es ist Dalton, als stoppe das Pferd plötzlich. Statt im weiten Bogen über den Zaun zu setzen, bricht es jäh über die Vorderhand ein.
Und dann kommt Daltons Sturz. Er fliegt im weiten Bogen nach vorn und sieht den Zaun rasend schnell größer werden. Sein gellender Entsetzensschrei hallt über den Hof. Der Zaun ist da. Dalton fliegt gegen die Bretter. Holz splittert.
Im Zaun ein Loch und im Loch der Mann Dalton. Er hängt in diesem Loch, ohnmächtig vom Durchbrechen der Bretter.
Irgendwo hinten der scharfe Schrei Joe Moores:
»Jim, hinten herum! Cooney will durch den Lagerschuppen entwischen.«
Die Maultiere kommen zurück. Sie rennen wie wild im Kreis, als Joe Moore in langen Sätzen losstürmt. Einmal noch muss Moore sich an den Außenzaun werfen, dann sind die Maultiere vorbei.
Cooney hat gerade das kleine Tor zur Querstraße erreicht. Cooney dreht sich um, sieht Moore kommen und feuert zweimal auf den Alten, ehe er das Tor aufstößt. Er schießt überhastet, trifft Moore nicht. Dafür sieht Moore jäh das helle Rechteck der aufspringenden Hintertür und schießt.
Es ist Cooney, als stieße ihm jemand den Stiefel in den Rücken. Das Gefühl bleibt, obgleich er weiterläuft und auf die Querstraße kommt. Sieben, acht Schritte rennt Cooney, ehe er zu torkeln beginnt. Er sieht die Frauen drüben vor einem Haus stehen. Er hört sie schreien, spitz und angstvoll. Und die Frauen sehen ihn, einen Mann mit einem Colt in der Hand.
Dann liegt der Colt im Staub der Fahrbahn. Und Cooney neben ihm.
Der Fleck in seinem Rücken breitet sich rasch aus.
*
»Nun?«, fragt der Mann und steht neben ihm in der Gasse. »Nun, mein Freund?«
Der Colt, denkt Dalton, mein Revolver. Da liegt er, direkt unter ihm in der Gasse. Die Waffe blinkt in der Morgensonne. Dalton will nach dem Colt greifen, aber er kann den Arm nicht mehr bewegen. Schmerz rast jetzt durch seinen Oberkörper.
Kendall, denkt er, du Teufel. Ich bring dich um. Eines Tages bringe ich dich um.
»Genug?«, murmelt Kendall. »Du kannst den Colt nicht mehr erreichen, Dalton. Komm heraus, Mister.«
Als er ihn anhebt und zieht, brüllt Dalton vor Schmerz wie ein Stier.
»Wer hat es dir gesagt?«, fragt Kendall eisig. »Sag es, sonst lasse ich dich fallen, mein Freund. Wer hat es dir gesagt? Nun?«
»Mein – mein Vetter. Ich sterbe. Mein Vetter war es. Er – er hat oft mit mir geredet – über die Overland, über seine Pläne. Der Narr – er war immer ein Schwachkopf – schon früher. Er vertraute mir – er wusste nichts von Roggers und den anderen, er wusste von nichts …«
»Der Name, Mister.«
Der Schmerz wird zu groß und lässt Dalton wieder zusammensinken. Der Schmerz löscht alles aus.
So findet ihn Moore und starrt finster auf ihn hinab.
»Jim, wer war es?«
»Sein Vetter, aber mehr sagt er noch nicht«, murmelt Jim Kendall finster, »rüber mit ihm, mach den Kerl munter, Joe. Ich werde …« Er sagt nicht mehr, was er tun wird. Kendall blickt auf das tote Pferd, die aufgerissene Satteltasche und die verstreut umherliegenden Papiere. Dann geht er los, bückt sich und hebt einige der Schriftstücke auf.
»Jim, hast du was gefunden? Warum siehst du mich so an?«, fragt Moore.
»Da, lies«, erwidert Kendall heiser. »Die Heiratsurkunde seiner Mutter. Lies mal ihren Jugendnamen, Joe.«
»Was?«, keucht Joe Moore. »Jim, du hast doch gesagt …«
»Ja«, antwortet Kendall finster. »Ich habe es gesagt, und ich habe recht behalten, wenn du es auch nicht verstehen wirst. Der verdammte Schurke hat nichts von Roggers und Daltons Geschäften geahnt. Joe, ich werde nach Reno reiten müssen. Ich denke an Brady, mein Freund. Brady weiß, dass wir unterwegs sind und Kisten geladen haben. Er wird es melden. Dann ist unser Mann so weit, seinen Verstand zu verlieren. Warte, bringen wir Dalton ins Haus.«
»Aber da hinten kommt Sheriff Woods. Er hat Parker am Kragen. Jim, du musst Sheriff Woods eine Menge Dinge erklären, fürchte ich.«
Kendall nickt nur träge. Dann hebt er Dalton an und geht los.
Erklären, denkt Kendall grimmig. Und ob ich ihm einige Dinge erklären werde. Er kann das Geld gleich zur Bank bringen. Das andere werden wir schon finden, es muss hier sein. Und dann werde ich Dalton ausquetschen. Sieh einer an, Sheriff Woods, der Freund von Sheriff Younger aus Reno, und mit dem Colt, wie?
Er sieht Woods an und lächelt kühl.
*
Mein Gott, denkt der Mann und schwitzt entsetzlich. Sie werden mich vermissen, sie kommen dahinter, aber was soll ich dann machen? Es ist aus, ich bin am Ende. Ein Glück, dass ich Brady traf, ehe er mit den anderen reden konnte.
Brady, dieser aufgeregte Kerl, Brady mit gestikulierenden Händen und dem Wasserfall seiner Worte:
»Kendall war da, ja – auf meiner Station. Er hat meinen Wagen genommen. Ja, Kisten hat er gehabt, viele Kisten, sagt mein Stationshelp. Und einen Gefangenen, Sir, in Ketten hat er ihn gelegt. Es war Parker, der Rauswerfer aus Roggers Saloon in Carson City. Bestimmt, mein Stationshelp hat sich nicht geirrt, Sir.«
»Alle Teufel, Brady, das ist eine verdammte Geschichte. Ich bin allein hier, die anderen sind zur Pferderanch von Delmont hinausgeritten und kommen erst gegen Mittag zurück. Nun gut, ich kümmere mich darum. Das muss der Sheriff wissen, aber der ist auch mit den anderen unterwegs. Ich sorge für alles Weitere, Brady.«
Der Narr, denkt der Mann und hastet aus der Tür. Der verdammte Narr. Ein Glück, dass er zu mir kam und nicht mit den anderen reden konnte. Ich muss hier weg, ich muss fort.
Er keucht über den Gehsteig, seine Reisetasche in der Hand. Dann steht er neben der Stagecouch in Richtung Truckee.
»Halt, wartet! Ich muss mit!«, sagt er schnaufend. »Ihr könnt nicht ohne mich abfahren. Ich muss nach Sacramento. Es ist verdammt eilig.«
»In der letzten Minute, Sir«, sagt einer der Fahrer kopfschüttelnd. »Schnell, Sir, steigen Sie ein, wir fahren gleich. Geben Sie die Tasche nur her.«
Er will sich erst nicht von seiner Tasche trennen, dann aber siegt seine Klugheit. Er reicht sie hoch, steigt in den Kasten und lehnt sich in die Ecke. Drüben sitzen zwei Frauen und ein kleiner Junge. Sie sehen zu, wie der Mann sich mit seinem Taschentuch den Schweiß abwischt.
Es erscheint ihm wie eine Ewigkeit, bis die Kutsche anruckt. Sie fahren, Gott sei Dank, jetzt fahren sie.
Häuser huschen, Menschen bevölkern die Gehsteige.
Der Mann wird plötzlich kleiner vor Schreck.