stand auf einem kostbaren Teppich, der über den gestampften Lehmboden gebreitet war. Eine Art Ampel aus getriebenem Silber hing von der primitiven Balkendecke und verbreitete gelblichen Lichtschein. Wertvolle Möbel aus poliertem Nußbaumholz standen an den Wänden, und in der Ecke gruppierten sich ein par vergoldete Sessel, die mit kunstvollen Gobelinstoffen bezogen waren, um einen Marmortisch mit ebenfalls vergoldeten Beinen. Zwei Gemälde an den sonst kahlen Adobewänden wirkten in dieser armseligen Hütte ebenso fehl am Platze wie die ganze Einrichtung, die man allenfalls in einem Schloß erwartet hätte. Gallagher vermutete sofort, daß dieses Mobiliar aus dem Herrschaftshaus der Hazienda stammte und vor den Flammen gerettet worden war.
Der untersetzte Mexikaner tauchte wieder neben ihm auf und deutete wortlos auf die geöffnete Tür zu einem Nebenraum, von wo gerade jetzt ein leises, kicherndes Lachen erklang. Sekunden später zeigte sich die Gestalt einer schwarzhaarigen Schönen, die an ihrem Mieder nestelte und dann den Kopf zurückwarf, als sie an Gallagher vorüberging.
»Treten Sie doch näher, Señor Gallagher«, ließ sich eine sonore Stimme in hartem mexikansichem Akzent vernehmen. »Wenn Sie sich einen Augenblick gedulden wollen...«
Schon nach dem nächsten Schritt konnte Gallagher in den Nebenraum hineinschauen und sah ein breites Bett unter einem Brokat-Baldachin, das mit seiner Kostbarkeit in dieser Umgebung geradezu lächerlich erschien. Gerade erhob sich davon ein Mann, knöpfte sein rüschenbesetztes Seidenhemd zu und zog eine kurze, bestickte Charro-Jacke über. Für einen Mexikaner war er ungewöhnlich groß und breitschultrig. Er hatte ein gelbhäutiges Gesicht mit dunklen Augen und einer ausgeprägten, aber schmalrückigen Nase. Sein schwarzes Lippenbärtchen und der kleine, sorgfältig gestutzte Spitzbart machten es nicht leicht, sein Alter zu schätzen, doch schien er trotz seiner etwas verlebten Züge die Dreißig gerade erst überschritten zu haben. Er warf einen Blick in den Spiegel der Kommode, fuhr noch einmal über sein gewelltes Haar und kam dann lächelnd auf Gallagher zu.
»Entschuldigen Sie«, sagte er zwinkernd. »Ich hatte schon fast nicht mehr mit Ihnen gerechnet und dachte, daß Sie erst morgen kommen würden. Haben Sie die Pferde heil durchgebracht?«
»Vierundachtzig Stück«, antwortete John Gallagher. »Ich habe sie durch einen Ihrer Leute – Robles heißt der Mann wohl – zählen lassen. Möglicherweise ist die Remuda jetzt schon in Camp Penasco angekommen.«
»Es tut mir leid, daß ich Sie in diesem Stall empfangen muß, Señor Gallagher«, sagte er bedauernd, während er an eine Vitrine trat und ihr zwei Gläser und eine geschliffene Karaffe entnahm. »Ich nehme an, daß Sie den Grund dafür schon entdeckt haben.«
»Allerdings, Don Ramon«, erwiderte Gallagher unbewegt. Nachdem sein Gesprächspartner einen lässigen Plauderton anschlug, sah er keinen Anlaß, seinerseits eine übertriebene Anteilnahme an den Tag zu legen, zumal die Ereignisse, um die es hier ging, inzwischen wohl schon einige Jahre zurücklagen. »Ich vermute, daß die Hazienda während des mexikanischen Bürgerkrieges zerstört worden ist.«
»Sie haben recht, Señor« stimmte er verschlossen zu. »Aber als Amerikaner sind Sie wohl mit unseren Verhältnissen nicht besonders gut vertraut. Was Sie als Bürgerkrieg bezeichnen, war in meinen Augen nur ein Aufstand des Pöbels. Schurken wie Benito Juarez, die sich hochtrabend Republikaner nannten, haben die barfüßigen Peons verführt und sie für ihre Zwecke ausgenutzt. »Mit einer einladenden Bewegung deutete er auf die Gläser und setzte hinzu: »Trinken wir also auf Präsident Juarez – und daß ihn bald der Teufel holen möge!«
Wortlos tat ihm Gallagher Bescheid und nahm einen Schluck, wobei er feststellte, daß es sich um einen hervorragenden Sherry handelte, der sicherlich mehrere Jahre gelagert hatte. Er verspürte nicht die geringste Lust, sich den aufrührerischen Reden des Hidalgos gegen seine gesetzliche Regierung anzuschließen und dabei womöglich durch ein unbedachtes Wort in die Nesseln zu setzen. So nahm er die Gelegenheit wahr und sagte anerkennend:
»Ein ausgezeichneter Jahrgang, wie mir scheint.«
Gerade damit aber schien er eine wunde Stelle berührt zu haben, denn Mendozas Miene verdüsterte sich.
»Jahrgang 1867«, sagte er mit verkniffenen Lippen. »Es war das Jahr, in welchem Seine Majestät Kaiser Maximilian vor den Wällen von Queretaro erschossen wurde. Mögen sie verdammt sein – all diese Verräter, die daran Anteil hatten.«
Wenn es überhaupt noch Zweifel gab, daß dieser Mann ein Fanatiker war, dann wurden sie durch diese Worte ausgelöscht.
Ramon de Mendoza hielt sein Glas in der Hand und starrte aus glühenden Augen auf eines der Gemälde an der Wand. Aus dem kostbaren Goldrahmen blickte würdig ein ernster, schnurrbärtiger Mann, dessen Uniform von einem hohen goldgestickten Kragen abgeschlossen wurde und der eine unverkennbare Ähnlichkeit mit ihm aufwies.
»Mein Vater«, erklärte Mendoza tonlos. »Er wurde in Veracruz von diesen aufständigen Mordbrennern umgebracht. Auf seinen Wunsch hin hielt ich mich zu jener Zeit in Europa auf.«
»Demnach haben Sie die blutigen Auseinandersetzungen nicht selbst miterlebt?«
Mendoza schüttelte den Kopf.
»Ich bin erst vor kurzer Zeit illegal in mein Vaterland zurückgekehrt, Señor Gallagher – als letzter Träger meines Namens. Man hat uns ausgerottet, Señor, und das Vermögen meiner Familie beschlagnahmt. Ich werde Mexiko wieder verlassen, wenn ich mein Vorhaben ausgeführt habe.«
Völlig überraschend wechselte Mendoza dann selbst das Thema. In seiner Miene zeigte sich angespannte Erwartung, als er fragte: »Sie haben sich an die Vereinbarungen gehalten, die Sie mit meinem Unterhändler getroffen haben, Señor?«
»Selbstverständlich, Don Ramon. Wir haben nachts unmittelbar südlich von Yucca Canyon die Grenze überquert und dann gleich die Richtung zum großen Plateau eingeschlagen. Als es hell wurde, waren wir schon weit von jeder menschlichen Ansiedlung entfernt. Ich bin absolut sicher, daß uns während der nächsten zwei Tage bis nach Tina Springs niemand zu Gesicht bekommen hat.«
»Sehr gut, Señor, etwas anderes hatte ich nicht von Ihnen erwartet. Jesse Szabo hatte Sie mir als einen Ehrenmann geschildert...«
Ein paar Sekunden wartete Gallagher unwillkürlich auf eine Fortsetzung, weil Mendozas Stimme zum Schluß nicht abgesunken war und deshalb den Satz seltsam unvollständig erscheinen ließ.
»Danke«, murmelte er zögernd, »aber wenn ich ein Abkommen treffe, dann halte ich mich auch daran.«
»Sie haben einen Bruder, Señor Gallagher?« folgte unvermittelt die Frage Mendozas.
»Allerdings«, antwortete Gallagher verschlossen, »aber wieso...«
»Jesse Szabo hat mir davon erzählt«, unterbrach ihn der Kreole mit einem dünnen Lächeln. »Er kennt die Geschichten, die über Ihren Bruder Kirk im Umlauf sind.«
»Vielleicht hat er dann auch erfahren, daß ich mit Kirk keinerlei Verbindung habe«, entgegnete Gallgaher.
»Trotzdem ist Ihr Bruder ein sehr interessanter Mann, Señor, ein Pistolero, wie man bei uns sagen würde.«
John Gallaghers Gesicht hatte sich verhärtet, und die ausgeprägten Falten um seine Mundwinkel traten noch stärker hervor.
»Es gibt keine zarten Gefühle, auf die Sie Rücksicht zu nehmen hätten, Don Ramon«, erwiderte er rauh. »Deshalb können Sie es ruhig mit aller Offenheit ausdrücken. Kirk ist nicht nur ein Revolvermann, er ist ein abgebrühter Kopfgeldjäger.«
Mendoza lehnte sich weit in seinem kunstvollen Gobelinsessel zur Seite und nahm eine polierte Holzschatulle von der Vitrine. Erst nachdem er seinem Gast eine Zigarre angeboten und sich selbst ebenfalls mit einer dünnen Havanna bedient hatte, murmelte er achselzuckend: »Ich habe meine eigenen Ansichten über solche Dinge, Señor. Und auch Sie sollten nicht zu hart urteilen.«
Widerstrebend nahm John Gallagher das brennende Streichholz entgegen und entzündete seine Zigarre. Mendoza erhob sich und ging noch einmal in sein Schlafzimmer hinüber. Als er zurückkehrte, legte er einen prallen und offenbar sehr schweren Lederbeutel