Jethro diesen langen Ritt unternommen hatte, saßen mit zwei anderen in der Ecke bei einer Pokerrunde.
Kirk Gallagher hatte seine Jacke über die Stuhllehne gehängt und den Hut weit in den Nacken geschoben. Es war ein Zug von verborgener Wildheit an ihm, der sich nur dann bemerkbar machte, wenn er mit einem scharfen, blitzenden Grinsen seine Mitspieler musterte. Er hatte ein schmales, gebräuntes Gesicht und rauchgraue, skeptische Augen. Eine Ähnlichkeit mit seinem Bruder zeigte sich nur in den Kerben an seinen Mundwinkeln und in der Art, wie er mitunter das Kinn hob und die Augen zusammenkniff. Sonst wirkte er schmaler und hagerer als John Gallagher, fast wie ein sehniger und wachsamer Wolf. Zwei 44er Navy-Colts steckten in den tiefgeschnallten Halftern seines Buscadero-Gurtes. Wenn man verfolgte, wie seine langgliedrigen Hände geschickt mit den Karten hantierten, dann hatte man auch einen ungefähren Begriff davon, wie diese Hände mit den Revolvern umzugehen verstanden.
Duff Yarnell, sein Partner, saß ihm schräg gegenüber, ein gedrungener, stiernackiger Mann mit schütterem Haar, einem stupiden Bullenbeißergesicht und leicht vorquellenden Augen. Auf seiner Stirn zeichnete sich die rote Spur des Hutrandes ab. Wie Duff Yarnell stellte man sich einen Schlächter vor, vielleicht auch einen Schmied. Daß seine Tätigkeit jedoch weniger harmlos war, davon zeugten die beiden Sechsschüsser, die mit den Kolben nach vorn in den Futteralen seines Gürtels steckte. Die sture Beharrlichkeit war Duff Yarnells hervorstechendste Charaktereigenschaft. Diesen Eindruck jedenfalls hatte Jethro gewonnen, als die beiden Kopfgeldjäger sich zu einem kurzen Besuch auf der Pferderanch in Yucca Canyon aufhielten.
Schon unmittelbar nach seinem Eintritt traf Jethro ein verschlossener Blick Kirk Gallaghers, verbunden mit einem unmerklichen Runzeln der Brauen. Der piratengesichtige Bursche senkte erst dann wieder den Kopf, als er bemerkte, daß Jethro verstand und sich der Theke zuwandte, wobei sein Gesicht völlig ausdruckslos blieb. Der Schwarze fand also genug Gelegenheit, die Pokerrunde zu beobachten.
Ungefähr eine halbe Stunde später standen sie auf. Kirk Gallagher wechselte einen Blick mit seinem Partner und zog seine Jacke über. Auch jetzt verriet er mit keinem Wimperzucken, daß er und Jethro sich kannten. Doch der Schwarze begriff auch ohne Worte, was der verstohlene Wink mit dem Kopf zu bedeuten hatte. Er zahlte und verließ das Lokal durch den Hinterausgang.
Knapp fünf Minuten später trafen sie sich hinter dem verfallenen Gemäuer aus Adobeziegeln, das den Hof und den Corral den Saguaro Inn begrenzte. Jethro lehnte in einem schattigen Winkel und gab einen leisen Pfiff von sich, als er Kirk Gallagher beim Corral auftauchen sah. Der Kopfgeldjäger kam herübergeschlendert und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Was soll das?« fragte er leise, jedoch mit unüberhörbarer Schärfe. »Läßt mein ehrenwerter Bruder mich jetzt schon bespitzeln?«
Jethros dunkelhäutiges Gesicht bieb vollkommen ausdruckslos. »Quatsch«, gab er einsilbig zurück. »John Gallagher ist froh, wenn er möglichst wenig von Ihnen hört und sieht, Kirk.«
»Soll das heißen, daß du ganz zufällig hier in Bisbee erscheinst, Mister?«
»Nein«, erwiderte der Schwarze. »Zachary und ich haben über eine Woche nach Ihnen gesucht, ehe wir in Fort Benson einen Hinweis bekamen.«
»Demnach ist Zachary auch hier?«
»Er sucht noch in Tombstone nach Ihnen.«
»Und warum, zum Teufel, sucht ihr überhaupt?«
»Der Boß will Sie sprechen – Sie und Ihren Partner. Er erwartet Sie möglichst bald auf der Ranch in Yucca Canyon.«
»Warum? Will er mich womöglich anpumpen, wie er’s vor einem Jahr schon mal versucht hat?«
»Davon weiß ich nichts«, entgegnete Jethro abweisend. »Aber ich bin sicher, daß es diesmal genau um das Gegenteil geht. Ich habe einen Brief für Sie. Vielleicht können Sie daraus schon Näheres entnehmen.«
Aus seinem Hut brachte er einen Umschlag zum Vorschein und reichte ihn dem Kopfgeldjäger. Ein paar Sekunden lang wog ihn Kirk Gallagher mit verkniffenen Augen in der Hand, dann riß er ihn auf und entfaltete das Blatt, das darin enthalten war.
Beim erstenmal schien er die Zeilen nur flüchtig zu überfliegen, doch dann fing er noch einmal von vorn an zu lesen. Über seiner Nasenwurzel standen dabei zwei steile Falten.
»Dazu kann er mich also brauchen, mein prächtiger Bruder «, sagte er, als er endlich aufblickte. »Ich soll ihm zu einer Mannschaft von Hartgesottenen verhelfen und dann womöglich noch bei den Greasern die Kastanien aus dem Feuer holen, wie?«
Jethro hatte einen staubigen Grashalm ausgezupft, wischte ihn mit seiner schwarzen Pranke ab und klemmte ihn zwischen die Lippen. »Mir ist es ziemlich egal, was Sie tun«, erwiderte er gleichzeitig. »Ich halte das Ganze ohnehin für eine Wahnsinnsidee.«
Kirk Gallagher grinste geringschätzig.
»Aber wie ich dich kenne, wirst du trotzdem mitreiten.«
»Ich bin es Ihrem Bruder schuldig.«
»Du bist ein Narr«, sagte Kirk Gallagher. »Und wenn du ihm hundertmal dein Leben zu verdanken hättest, deshalb brauchst du noch lange nicht für ihn deine Haut zu riskieren. Wenn du es wenigstens für Geld tätest...«
»Ich werde ihm meinen Anteil geben, damit er endlich aus dem Verdruß und den Schulden herauskommt«, erwiderte Jethro starr. »Ganz gleich, ob dieses Unternehmen mit einem Erfolg endet oder mit einer Katastrophe – ich werde mit ihm quitt sein und kann meine eigenen Wege reiten. Schon das wäre ein Grund.«
Mit einem Achselzucken schaute Kirk Gallagher zur Seite. »Du bist ein sentimentaler Idiot und wirst es auch immer bleiben«, entgegnete er verächtlich.
Der Neger ging einfach über die Bemerkung hinweg. »Was ist mit diesem Yarnell?« fragte er beherrscht. »Wird er mitmachen?«
»Für zweitausend Dollar?« Kirk Gallagher grinste. »Was für eine Frage. Schon für die Hälfte würde er seine eigene Großmutter verkaufen.«
»Und die Mannschaft?«
Kirk Gallagher lehnte sich gegen die riesige Ziegelwand und zog die Mundwinkel herab. »Dieser Don soll seine Revolvermannschaft bekommen«, erwiderte er verkniffen. »Yarnell und ich nehmen den Umweg über Tomstone. Dort gibt es ein paar wilde Jungs, an denen die Greaser ihre Freude haben werden. Du kannst direkt nach Yucca Canyon zurückkehren und John Bescheid sagen. In spätestens drei Tagen kommen wir nach und bringen die anderen Burschen mit.«
*
Fay Gallagher war zweifellos eine schöne Frau, und die zweieinhalb Jahre in der Einsamkeit, in Hitze und Staub von Yucca-Canyon, hatten ihrer Schönheit nichts anhaben können. Ihr starrer Blick und die harte Linie ihres Mundes allerdings sprachen von einem übersteigerten Selbstbewußtsein – und von der Enttäuschung über ein trostloses Leben, das sie sich damals ganz anders vorgestellte hatte.
Gerade trat sie aus dem Haus, als die Männer in einer dichten Traube auf den Hof geritten kamen. Ruckartig blieb sie stehen und streifte ihr kastanienfarbenes Haar zurück. Ihre Züge hatten sich gespannt, doch sie suchte einen möglichst gelassenen Eindruck zu erwecken, als sie gegen die grelle Sonne blinzelte und zu Kirk Gallagher aufschaute, der zusammengesunken im Sattel seiner hochbeinigen Rappstute saß.
»Hallo, schöne Schwägerin«, murmelte er schleppend und schob seinen schwarzen Stetson aus der Stirn. »Da sind wir also. Und wir haben genau die Mannschaft mitgebracht, die deinem Mann vorschwebte – lauter prächtige Jungs, die sogar dem Teufel ins Auge spucken würden, wenn es etwas einbringt.«
Um seine Worte unnötigerweise zu verdeutlichen, zeigte er mit dem Daumen über die Schulter nach hinten, wo Duff Yarnell mit seinem lehmgelben Wallach hielt. Außer ihm gab es da noch sieben andere Burschen.
Sie waren ein schlimmes Rudel. Auf den ersten Blick sah man diesen Männern an, daß es sich um Revolerhelden und Hartgesottene handelte. Einer von ihnen zählte bestimmt noch keine zwanzig Jahre und hatte ein pausbäckiges, sommersprossiges Gesicht. Ein anderer trug einen struppigen Vollbart, der rings um seinen Mund vom Tabakkauen gelbbraun gefärbt