wirklich wünschte. Eines Tages wirst du die Quittung dafür bekommen.«
John Gallagher ballte die Hände, und seine Kinnmuskeln verkrampften sich. »Merke dir eins, Kirk«, stieß er rauh hervor, »niemand nimmt mir etwas weg, das mir gehört, weder du noch irgendein anderer.«
Kirk begann schon wieder zu grinsen.
»Vielleicht, Bruder«, murmelte er zynisch. »Wir werden es erleben, wenn wir die Sache in Mexiko hinter uns gebracht haben. An deiner Stelle würde ich wahrhaftig nicht ganz so sicher sein.«
»Hinaus!« John Gallagher zeigte zur Tür, als er schroff und abgerissen diesen Befehl gab. »Und in Zukunft wirst du dieses Haus...«
Er brach unvermittelt ab, weil auch er die Gestalt bemerkte. Jethro füllte beinahe die ganze Türfüllung aus. Er hatte den Hut abgenommen und vermied es, Kirk Gallagher oder die Frau anzuschauen. Seine versteinerte Miene ließ nicht den geringsten Rückschluß zu, ob er die Auseinandersetzung mitbekommen hatte.
»Es ist alles fertig zum Aufbruch, Boß«, meldete er ausdruckslos.
»Gut«, sagte John Gallagher mit einem harten Räuspern, das seine Kehle nicht ganz klären konnte, »wir kommen gleich.«
*
Mit verschlossenem, maskenhaft starrem Gesicht stand Fay Gallagher vor der Tür, als die hartgesottene Revolvermannschaft davonritt. Die Dunkelheit war inzwischen hereingebrochen, so daß sich ihre schlanke Gestalt wie ein Schattenriß gegen den Lichtschein aus dem Haus abhob. Sie sagte kein Wort, ihr Erscheinen draußen war die einzige Geste, zu der sie sich in ihrer maßlosen Erbitterung bereit fand. Ein Dutzend Männer und drei Packpferde mit Wasserschläuchen verschwanden in der Nacht. Erst als der Hufschlag verklungen war, wandte sich die Frau um und kehrte ins Haus zurück. Dem zurückbleibenden Ranchhelfer Manuel schenkte sie keinen Blick.
Die Grenze zwischen den Staaten und der Republik Mexiko verlief nur ungefähr drei Meilen südlich von Yucca Canyon. Es gab keinerlei Bewachung außer den Patrouillen von Rurales, die auf der mexikanischen Seite sehr selten und in unregelmäßigen Zeitabständen den Grenzstreifen abritten. Zudem kannten sich John Gallagher und seine Leute hier aus. Trotz des offenen Geländes bereitete es also keine Schwierigkeiten, nach Mexiko zu gelangen.
Rund siebzig Meilen waren bis zu den Tina Springs über die Ausläufer der Sierra und das karge, wasserlose Wüstenplateau von Sonora zurückzulegen. Sie brachten sie in zwei nächtlichen Etappen hinter sich und erreichten im Morgengrauen des zweiten Tages die Wasserstelle. Hier tränkten sie die Pferde und legten eine Stunde Rast ein. Dann übernahmen Jethro und Zachary im Schein der aufgehenden Sonne die Führung nach Camp Penasco, das sie bei der Ablieferung der Pferde kennengelernt hatten.
*
Jesse Szabo war Amerikaner, ein mittelgroßer, unscheinbarer Mann mit einem rosigen Babygesicht, einem unverkennbaren Bauchansatz und prallen Wurstfingern, die er unbedachterweise auch noch dadurch zur Schau stellte, daß er ständig mit seinem Daumen an den Nasenlöchern herumzupolken pflegte. Man hätte ihn als vollkommen harmlos ansehen können, wenn nicht seine dunklen, dicht beieinanderstehenden und unsteten Augen gewesen wären. Sie stempelten ihn zum typischen Intriganten und Spitzel, auch wenn er sich Mühe gab, ein leutseliges und übertrieben freundliches Wesen an den Tag zu legen. Ein argloses Gemüt mochte darin vielleicht Piffigkeit und eine gewisse Bauernschläue erblicken, tatsächlich aber war Jesse Szabos Charakter von einer kaum zu überbietenden Verschlagenheit. Gerade sie befähigte ihn, die Aufgaben zu erfüllen, die ihm von Don Ramon de Mendoza y Salazar zugewiesen wurden.
Zusammen mit einem schnurrbärtigen Mexikaner stand er vor der kleinen Cantina von Campo Penasco, als die Reiterkavalkade auf dem holprigen, von Radfurchen gezeichneten Weg aus dem Bergeinschnitt kam. Jesse
Szabo schützte mit der Hand seine Augen gegen die noch tiefstehende Sonne, nickte dann und sagte mit gequetschter Falsettstimme: »Sie sind es. Gallagher scheint also eine Meute von Halsabschneidern zusammengebracht zu haben, wie ich vorausgesehen habe. Sag den anderen Bescheid, Jimenez!«
Wortlos wandte der Mexikaner sich um und verschwand in der Cantina, die das größte Gebäude der winzigen Ortschaft darstellte. Die Übersetzung des Namens Campo Penasco bedeutete soviel wie ›Feld der großen Felsen‹, und tatsächlich war dieses einsame, karge Hochtal in den Ausläufern der Sierra Madre an vielen Stellen von gelbbraunen oder grauen, verwitterten Felsformationen durchsetzt. Dazwischen gab es ebene Flächen, die früher einmal bestellt worden waren, inzwischen aber verödeten. Nur in der Nähe der Hütten und entlang einem dünnen Rinnsal gab es noch ein paar bebaute Felder.
Ganz Campo Penasco bestand aus einem halben Dutzend Adobehütten und ärmlichen Gehöften. Die während mehrere Jahre anhaltende Dürre hatte den Ackerbau zum Erliegen gebracht und die meisten Bewohner veranlaßt, von hier fortzuziehen. Nur eine der Fincas wurde noch bewirtschaftet. Der Besitzer dieses Gehöftes führte zugleich die Cantina, deren Ertrag in Ermangelung von Gästen dürftig genug sein mochte.
Einige verstreut wachsende Saguaros betonten noch die Verlassenheit dieser Gegend, die in der Nähe der Sonora-Wüste spürbar wurde. Gleichwohl bewegten sich in dem von Lehmwällen und einer Kaktushecke umgebenen Corral hinter dem Haus mehrere Pferde und ein Esel. Durch die verdorrten Maisfelder streunten zwei magere Kühe, und ein Dutzend Hühner scharrten auf dem staubigen Hof nach Futter. Allerdings ließen sich in ganz Campo Penasco keine Menschen mehr blicken, nachdem Jimenez in der Cantina verschwunden war. Nur Jesse
Szabo harrte im Schatten des Vordaches aus, bis die Mannschaft herangekommen war.
Die Reiter ließen die Pferde im Schritt gehen und hielten schließlich in einer weit auseinandergezogenen Kette vor der Cantina an. Zusammen mit seinen beiden Leuten, Zachary und Jethro, bildete John Gallagher die Spitze. Dahinter folgten sein Bruder Kirk und Yarnell, denen sich noch der magere Calem Fisher zugesellt hatte.
»Sie kommen wie bestellt, Gallagher«, begrüßte sie Jesse Szabo, wobei er mit einem schnellen, taxierenden Blick die ganze staubige und stoppelbärtige Mannschaft umfaßte. »Gerade gestern erhielten wir die Nachricht, daß sich seine Exellencia im Palacio Pinacate aufhält. Auch Mendoza ist schon unterrichtet und wird wahrscheinlich noch im Laufe des Tages hier eintreffen.«
»Fein«, sagte John Gallagher gleichmütig und wischte sich mit dem Taschentuch Schweiß aus den Rillen seines Halses. »Aber bevor es losgeht, werden wir den Gäulen und uns selbst wohl noch eine Pause gönnen müssen. Wir waren die ganze Nacht im Sattel.«
»Dann satteln Sie ab, und suchen Sie sich ein Quartier«, erwiderte Jesse
Szabo. »Die drei Hütten dort drüben sind leer und stehen Ihnen zur Verfügung. Für ein paar Cents können Sie hier auch eine ordentliche Mahlzeit bekommen.« Er wies mit dem Daumen auf die Cantina, bemerkte dabei die beiden Mexikaner, die eben aus der Tür gekommen waren, und setzte hinzu: »Das sind Jimenez und Getuellio. Sie werden Ihnen zeigen, wo Sie Futter für Ihre Gäule finden und die Sättel unterbringen können.«
Steifbeinig ließ sich John Gallagher zu Boden gleiten und nahm sein Pferd beim Zügel. Mehrere der Männer folgten seinem Beispiel, während andere im Sattel blieben und nach hinten zum Corral ritten, wohin ihnen die beidem Mexikaner vorausgingen. Während dann die Pferde versorgt wurden, löste sich die Mannschaft allmählich in einzelne Gruppen auf. One-Eyed-Cole, der Reverend und die beiden Canarys gingen mt ihren Deckenrollen und Satteltaschen bereits zu einer der Hütten, während Obadja Sterling und der sommersprossige Kid offenbar von der Cantina angelockt wurden. Kirk Gallagher und Duff Yarnell schienen ihnen folgen zu wollen und ließen ihr Gepäck zunächst beim Corral zurück, als sie zum Haus gingen. Aber sie hatten die Hintertür noch nicht erreicht, als der piratengesichtige Kopfgeldjäger plötzlich einen Fluch zwischen den Zähnen zerbiß und erstarrte.
Die drei Männer, die eben um die Ecke des Hauses gekommen waren, blieben ebenfalls stehen. Es waren Amerikaner wie Jesse Szabo, und ihre Bewaffnung verriet, daß es sich um Hartgesottene handelte. Die führende Rolle des Trios spielte ganz offenkundig der Mann in der Mitte. Er wirkte untersetzt und muskulös und hatte ein kantigtes, brutales Gesicht mit außergewöhnlich starken Kinnbacken, die zum Vergleich mit einem Nußknacker herausforderten.