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Die großen Western Staffel 5


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Gunn schaute zum Schuppen hinüber. Sein Blick streifte zuerst den hochgewachsenen Neger mit der Schrotflinte und den krummbeinigen Zachary, ehe er schließlich an John Gallagher haften blieb.

      »Einverstanden«, sagte er nach einer Weile. Dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort schroff um und verschwand wieder um die Ecke.

      Fast im gleichen Moment tauchte am Hintereingang der Cantina Jesse Szabo auf. Sein Gesichtsausdruck schien vollkommene Harmlosigkeit und Unwissenheit auszudrücken, aber seinen flackernden Augen merkte man an, daß er sich keine Einzelheit der Szene hatte entgehen lassen und darüber beinahe befriedigt war.

      »Was hat es denn hier gegeben?« wandte er sich scheinbar erstaunt an John Gallagher, als jener vom Schuppen herüberkam. Doch Gallagher ging an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

      *

      Obwohl Campo Penasco in einem Hochtal lag, machte sich schon eine Stunde später die drückende Hitze bemerkbar und erstickte jegliche Unternehmungslust. Sogar die Pferde im Corral suchten den Schatten an der Schuppenwand, verschmähten das verstreute Heu und standen reglos mit hängenden Köpfen.

      Die Männer verschliefen den größten Teil dieses heißen Sommertages und kamen erst wieder zum Vorschein, als die Sonne schon tief im Westen stand und eine leichte Brise aufkam. Nach und nach fand sich die ganze Mannschaft in der Cantina ein.

      Die Verpflegung, von der Jesse Szabo gesprochen hatte, beschränkte sich auf Tamales mit Essiggemüse und Tortillas, aber sie fand reißenden Absatz. Dazu gab es roten, säuerlichen, aber gerade deshalb erfrischenden Landwein. Nur Obadja Sterling und die beiden Canarys hatten sich eine Flasche Tequila kommen lassen. Doch angesichts der Tatsache, daß das geplante Unternehmen möglicherweise schon in der nächsten Nacht vonstatten gehen konnte, waren auch sie vernünftig genug, sich nicht zu betrinken.

      Clayton Gunn, Floyd Nash und Sid Hagney saßen an einem Tisch in der Ecke und sprachen gedämpft mit Calem Fisher, der sich gleich nach ihrem Erscheinen zu ihnen gesellt hatte. Der magere Revolvemann schien die Rolle eines Parlamentärs oder Vermittlers übernommen zu haben, denn einige Zeit später wechselte er den Platz und redete nun mit Kirk Gallagher, Duff Yarnell und Obadja Sterling. Letzterer ging dann ebenfalls zu den Banditen hinüber. Es sah fast so aus, als ob er irgendwelche geheimnisvollen Verhandlungen fortsetzen wollte. Schließlich sprach sogar Duff Yarnell mit Clayton Gunn und den anderen, und als er zu Kirk Gallagher zurückkehrte, schien er mit dem Ergebnis recht zufrieden zu sein.

      Das grelle Tageslicht war verschwunden. Der Sonnenuntergang spiegelte sich rot in den staubigen Fensterscheiben der Cantina. Jesse Szabo, der die Kontakte der Hartgesottenen argwöhnisch beobachtet hatte, hob plötzlich den Kopf und eilte hinaus, als draußen Hufschlag zu hören war. Die beiden Mexikaner an seinem Tisch, Jimenez und Getullio, blieben zurück.

      Es bedurfte nur eines unmerklichen Kopfwinkes von John Gallagher, damit sich auch Zachary zur Tür begab. Nach einer Minute kam er wieder zurück, griff nach seinem Glas und sagte leise: »Das scheint der Don zu sein. Er hat noch drei andere Burschen bei sich und läßt sich offenbar durch Szabo über die Lage informieren.«

      Auch Gunn und die anderen waren inzwischen aufmerksam geworden, und die Gespräche in der Cantina verstummten. Wenige Augenblicke später trat dann tatsächlich Don Ramon de Mendoza ein und registrierte die Stille mit einem dünnen Lächeln.

      »Buenas tardes, Señores«, murmelte er und umfaßte mit großartiger Bewegung die ganze Runde. »Ich freue mich, Sie so zahlreich versammelt zu sehen.«

      Ein leiser Spott lag in seinem Tonfall, der den anderen nicht verborgen blieb. Zum erstenmal an diesem Abend tauschten nun John Gallagher und Clayton Gunn einen Blick, und diesmal glaubte Gallagher in den Augen des Bandenführers so etwas wie ein stillschweigendes Einverständnis zu entdecken. Auf welche Weise auch immer Clayton Gunn und seine beiden Hartgesottenen an den Hidalgo geraten waren, auch sie schienen nicht aus reiner Sympathie seinen Lockungen erlegen zu sein. Wahrscheinlich hatte auch in diesem Falle der vielseitige Jesse Szabo die Verbindungen geknüpft.

      Gallagher erhob sich und ging dem Don ein Stück entgegen.

      »Hallo Mendoza«, begrüßte er ihn trocken. »Wie Sie sehen, habe ich also unsere Abmachungen eingehalten und eine zwölfköpfige Mannschaft in die Sättel gebracht. Was es mit den Männern auf sich hat, kann Ihnen besser mein Bruder erklären.«

      Kirk stand schon bereit und deutete vor Mendoza eine leichte Verbeugung an, die der Kreole mit herablassendem Nicken beantwortete. Zweifellos hatte Mendoza ganz genau erfaßt, warum John Gallagher gleich zu Anfang die Zahl der Männer so deutlich herausstellte. Schließlich ging es hier um die vereinbarte Anwerbungsprämie von hundert Dollar pro Kopf. Zunächst aber stellte Kirk Gallagher nacheinander mit knappen Worten die Burschen vor, und Mendoza zeigte sich höflich interessiert, wenngleich er zweifellos schon draußen von Jesse Szabo unterrichtet worden war.

      Er selbst trug einen schwarzen Sombrero, eine bestickte Charro-Jacke und eine knappsitzenden Hose mit langen Knopfreihen an den Seitennähten. Große silberne Sporen klirrten an seinen Gamaschenstiefeln, und er hatte einen Gurt umgeschnallt, aus dessen Halfter der mit vergilbtem Elfenbein eingelegte Griff einer Pistole hervorragte. Im Vergleich zu seiner prächtigen Aufmachung wirkten die stoppelbärtigen Burschen wie eine Meute reißender Coyoten.

      Eine Einzelheit jedoch fesselte John Gallaghers besondere Aufmerksamkeit: Als er einen Moment auf den Gurt des Hidalgos schaute, bemerkte er die gelben Messingpatronen und die Geschoßkuppen, die unten ein Stück aus den Schlaufen hervorragten. Normalerweise wies dieses Geschoßblei eine stumpfgraue Färbung auf und zeigte keinerlei Reflexe. Bei den Kugeln Mendozas jedoch fiel ein Glitzern auf. Jedes einzelne Geschoß war mit einem Messer oder einer Feile tief und kreuzweise eingekerbt. Es gab demnach kaum einen Zweifel, daß auch die Patronen in der Waffe auf dieselbe Weise bearbeitet worden waren. Das aber war die gemeinste Art, eine Kugel zu präparieren. Denn während ein normales Geschoß bei einem Treffer im allgemeinen seine Form bewahrte und einen glatten Schußkanal hinterließ, sofern es nicht gerade einen Knochen traf und sich daran abplattete, hatten gekerbte Bleikugeln die Eigenheit, beim Aufschlag vorn auseinanderzureißen und dadurch schwere Verletzungen hervorzurufen, so daß es für den Verwundeten kaum eine Überlebungschance gab. Nur ein Mann, dessen tödlicher Haß keine Grenzen und keine Hemmungen mehr kannte, konnte auf die Idee kommen, solche Geschosse zu verwenden.

      Durch diese Kugeln wurde Ramon de Mendozas glattes und höfliches Lächeln Lügen gestraft. Sie enthüllten mehr als alles andere den Charakter dieses Mannes.

      Die Mexikanerin, die in der Cantina bediente, zündete bereits die Lampen an und verschwand dann rasch wieder in die Küche. Mendoza lehnte sich gegen die primitive Theke und stellte mit lässigen Handbewegungen seine Begleiter vor. Es handelte sich um Pablo Robles, den stummen Majedero, und einen weiteren Mann namens Calvaro, der barfüßig war und außer seiner Hose und einem zerlumpten Hemd nur einen ausgefransten Strohsombrero trug. Die bronzene Hautfarbe, die ausgeprägten Backenknochen und der breite, grausame Mund ließen Calvaro wie einen Indianer oder Yaqui erscheinen, doch war er vermutlich ein Mestize. Er bewegte sich mit einer lautlosen Geschmeidigkeit und sprach mit einer kehligen, gutturalen Stimme. Man hätte ihn für einen Peon halten können, wenn nicht die beiden Revolver gewesen wären, die er in Schlingenhalftern an den sehnigen Schenkeln befestigt hatte. Für Mendoza schien er eine Art Leibwächter zu verkörpern, denn er hielt sich stets im Hintergrund und fixierte jeden einzelnen der Männer mit seinen jettschwarzen, glänzenden Knopfaugen.

      »Nun«, beendete der Hidalgo gleichsam den offiziellen Teil, »ich denke, wir können zur Sache kommen. Unseren letzten Nachrichten zufolge hält sich seine Excellencia Don Antonio Villegas im Palacio Pinacate auf. Leider hat er sich bei seiner Reise von Hermosillo von einer starken Eskorte begleiten lassen, so daß die Wache des Palacio aus rund zwanzig Mann bestehen wird. Damit haben wir von Anfang an rechnen müssen. Da unsere Vorbereitungen abgeschlossen sind, besteht also kein Grund, länger zu warten. Wir werden noch heute nacht zuschlagen.«

      Kid, der sich erhoben hatte und näher herangetreten war, stieß einen Seufzer aus. »Wir haben nichts dagegen, Mister«, sagte er gedehnt, »aber da wir schon einmal von den Vorbereitungen reden, würde