Unterhalb des Terrassenendes wandte er sich mit den anderen nach links, während Jesse Szabo in der entgegengesetzten Richtung lief. Es sah ganz so aus, als habe die nervenzermürbende Erwartung des Kampfes
Szabo völlig kopflos gemacht. Doch Gallagher gestand sich ein, daß es auch ihm fast lieber gewesen wäre, wenn dieser Kampf schon begonnen hätte. Die Stille war geradezu unheimlich.
Unter ihren Schritten knirschte der Kies, bis sie endlich zu einer breiten Freitreppe gelangten. Clayton Gunn und seine Burschen stürmten bereits die wenigen Stufen hinauf, als Calem Fisher plötzlich scharf hervorstieß: »Was ist denn mit Szabo los? Ist dieser klebrige Bursche übergeschnappt?«
Gallagher fuhr herum und sah den Schatten, der auf eines der Wirtschaftsgebäude losrannte. Daß es sich tatsächlich um Jesse Szabo handelte, konnte man nur aus dem weißen Taschentuch schließen, das er jetzt wie eine Parlamentärflagge schwenkte, während er unvermittelt ins Stolpern geriet.
»Achtung, da!« keuchte Jethro plötzlich und ließ in seiner Lautstärke jegliche Vorsicht außer acht. Mit seiner Schrotflinte deutete er auf eine offene Wagenremise, in deren dunkler Höhlung ein metallisches Blinken zu erkennen war.
»Fuego!« schrillte von dort eine überschnappende Stimme. Im selben Moment krachte die Salve.
Fünf oder sechs Mündungsfeuer waren auf den ersten Blick zu erkennen. Sie wirkten wie ein orangefarbene Blitze, die für einen Sekundenbruchteil das Innere des dunklen Schuppens erhellte. So erkannte man aufgestapelte Fässer und Kisten, die zu einer Brustwehr zusammengetragen waren, und dahinter helle Gesichter und blitzende Uniformknöpfe.
Zachary gab ein heiseres Stöhnen von sich und brach in die Knie. Jethro packte ihn mit der linken Hand um die Schulter und hielt ihn aufrecht, während er mit der Rechten seine Schrotflinte abfeuerte. Aus der Remise ertönte ein Schmerzensschrei, und daneben vernahm man deutlich das Prasseln, als ein Teil der Buckshot-Ladung die Brustwehr traf. Auch John Gallagher schoß mit seinem Karabiner, und sein Bruder Kirk eröffnete das Feuer aus beiden Colts zugleich.
»Dieser Hund!« heulte Calem Fisher, der am Schenkel getroffen war und nur noch schwankend auf den Beinen stand. »Er hat uns an die Greaser verraten!«
Die wilde Anklage galt selbstverständich Jesse Szabo, der sich stolpernd in Deckung zu bringen suchte und noch immer verzweifelt mit seinem Taschentuch winkte. Er war noch ein ganzes Stück von der Schuppenecke entfernt, als er plötzlich herumgerissen wurde. Calem Fishers erste Kugel schien ihn in die Seite getroffen zu haben, denn sein Oberkörper knickte nach links. Obwohl nun auch die Mexikaner im Schuppen ihr Feuer fortsetzten, ließ es der magere Revolvermann nicht bei diesem ersten Treffer bewenden. Jesse Szabo reckte noch immer das Taschentuch in die Höhe, als ob er damit die Kugeln abwehren könnte. Dann plötzlich sank seine Hand herab, und er kippte schlaff nach vorn.
Calem Fisher hatte sich mit den Schüssen auf den Verräter zu lange aufgehalten und dabei auf jede Deckung verzichtet. Hinkend lief er nun die wenigen Stufen der Freitreppe hinauf. Auf einmal, als er gerade bei Clayton Gunn und dessen Kumpanen angelangt war, zuckte er zusammen und begann wei ein Betrunkener zu taumeln. Im nächsten Augenblick folgter der schmetternde Feuerschlag von den Arkaden. Calem Fisher, der Revolvermann, rollte die Freitreppe der Terrasse hinab, die er Sekunden zuvor erst heraufgestolpert war.
Seit dem Krachen der ersten Salve gab es keinen Zweifel mehr, daß sie in einen Hinterhalt der Palastwache geraten waren. In gewissem Sinne schien Ramon de Mendoza recht zu behalten, es war kein Mexikaner, der sie verraten hatte, sondern der verschlagene Amerikaner Jesse Szabo. Die Leibgarde von Antonio Villegas hatte sich nicht nur drüben in der Remise und ein paar weiteren Quartieren und Wirtschaftsgebäuden verschanzt, sondern ein paar Burschen steckten auch unter den dunklen Arkaden an der Seitenfront des Gebäudes. Sie alle hatten abgewartet, bis sich der größte Teil der Angreifer zwischen ihnen befand und damit in ein mörderisches Kreuzfeuer geraten mußte. Aber auch an der Rückseite des Palacio, wo sich Mendoza mit seinen Gresern befand, ertönte nun das Krachen von Schüssen.
Außer Calem Fisher war auch Floyd Nash getroffen worden, der sich zusammen mit Clayton Gunn und Sid Hagney bereits oben auf der Terrasse befand. Der Kugeleinschlag warf ihn zurück bis gegen die steinerne Balustrade neben der Treppe, hinter der er und die anderen hatten Deckung suchen wollen. Doch es gab keine Deckung gegen die Schüsse, die nun auf kürzeste Distanz unter den Arkaden, also hinter ihrem Rücken, abgefeuert wurden. Floyd Nash lag bereits auf den Knien, aber noch in dieser verkrümmten Stellung jagte er sein Blei zu jenen dunklen Bögen und Pfeilern hinüber, wo mindestens drei oder vier Gegner stecken mußten.
Für Clayton Gunn und Sid Hagney gab es nur eine Alternative: Wenn sie wieder die Treppe hinabliefen, setzten sie sich den Schüssen von der Remise aus und hatten kaum einen Chance, bis zu dem steinernen Brunnen oder den Steinbänken zu gelangen, hinter denen Gallagher und die anderen zunächst Deckung gesucht hatten. Blieben sie jedoch oben auf der Terrasse, dann fielen sie unweigerlich den Kugeln der Burschen unter den Arkaden zum Opfer.
In diesem Moment bewies Clayton Gunn, daß er nicht umsonst zum gefürchtetsten Desperado im Südwesten der Staaten aufgestiegen war. Während Floyd Nash das Feuer der Gegner auf sich zog, faßte er blitzschnell den einzig möglichen Entschluß und hetzte in geduckten Zickzacksprüngen zur Ecke des Palacio hinüber, wo der Arkadengang anscheinend endete. Sid Hagney wurde von diesem Beispiel mitgerissen und stürmte ihm nach. Wie durch ein Wunder gelangten sie heil bis zu einem der massiven Pfeiler. Dann schnellte sich Clayton Gunn auch schon vor und eröffnete aus beiden Waffen ein rasendes Schnellfeuer den Gang entlang.
Durch ihren jähen Angriff hatten sie die Verteidiger des Palacio von der Seite erwischt und stifteten panische Verwirrung. Eine uniformierte Gestalt warf sich herum und wurde noch in der Drehung von den Beinen gefegt. Und schon jagte Clayton Gunn entschlossen wieder vorwärts.
Ihre Schüsse weckten in dem Bogengang einen dumpfen Hall. Auf kürzestes Entfernung zuckte Clayton Gunn blendend ein Mündungsfeuer entgegen, als er gerade hinter einem Pfeiler hervorsprang. Mit einem wilden Satz sprang er die uniformierte Gestalt an, die mit dem Gewehr auf ihn geschossen hatte. Zum Nachladen oder Repetieren ließ er dem Mexikaner keine Zeit mehr. Während der Mann kreischend rückwärts wankte, drückte der Desperado ab. Klappernde Schritte am anderen Ende der Arkaden verrieten, daß sich wenigstens ein Gegner in Sicherheit gebracht hatte.
Floyd Nash lag bei der Balustrade auf dem Gesicht, und auch Calem Fisher am Fuße der Treppe regte sich nicht mehr. Weiter hinten auf dem offenen Hof waren drei dunkle Flecke zu erkennen. Dort mußte Obadja Sterling mit seiner Gruppe von der ersten mörderischen Salve erfaßt worden sein. Doch der bärtige Revolvermann selbst hatte offenbar überlebt, man hörte sein krächzendes Gebrüll zwischen den Wirtschaftsgebäuden. Anscheinend unternahm er, ähnlich wie Clayton Gunn unter den Arkaden, mit dem Rest seiner Crew den Versuch, die Stellung der Gegner von der Flanke her aufzurollen.
Am kritischsten jedoch war zweifellos die Lage der Gallaghers. Die beiden Brüder hatten sich hinter den Steinbänken zu Boden geworden und schossen in die Remise, wo immer wieder die Mündungsfeuer aufblitzten. Jethro hatte seinen verwundeten Gefährten mitgeschleppt und kauerte nun hinter dem Rand eines Brunnens, kaum mehr als fünfundzwanzig Yards von dem offenen Wagenschuppen entfernt. Seine Situation war beinahe hoffnungslos zu nennen, denn es bestand nicht die geringste Chance, von dieser Stelle jemals wegzukommen, ohne daß ihm die Haut durchlöchert wurde.
Wie es um den verwundeten Zachary stand, war aus der Entfernung nicht zu unterscheiden. Der kleine, krummbeinige Zureiter lag auf dem Rücken, nur Schultern und Kopf gegen den steinernen Brunnenrand gelehnt, und rührte sich nicht. Etwas anderes kam noch hinzu: Solange die fünf oder sechs Mexikaner in der Remise mit ihrem Feuer den ganzen Hof und einen großen Teil der hinteren Terrasse beherrschten, war an eine Fortführung des Angriffs gegen den Palacio gar nicht zu denken. Also mußte etwas geschehen, wenn das ganze Unernehmen nicht schon jetzt mit einer Katastrophe enden sollte.
Es war John Gallagher, der daraus als erster eine Schlußfolgerung zog. Er wandte sich um und sah für einen Moment Clayton Gunn hinter der Balustarde der Terrasse auftauchen.
»Aufgepaßt, Gunn!« rief er scharf. »Und auch