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Die großen Western Staffel 5


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der Schuss über die Straße. Das Pferd machte einen wilden Sprung. Der Strick straffte sich. Die Soldaten wirbelten herum.

      Du hast vorbeigeschossen, dachte Dave erschrocken und schnellte ins Haus, sah zurück. Die Menge der Yankees klaffte auseinander. Eine breite Gasse tat sich auf. Der Mann hing am Strick. Am Boden, fast unter dem Erhängten, lag der Captain, von der Kugel tödlich getroffen.

      Dave warf das Gewehr weg, als wäre es plötzlich ein glühendes Eisen.

      Er hatte doch ganz ruhig auf den Strick gezielt und geschossen! Aber die Kugel hatte den Captain getroffen!

      Dave hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Unter den Hufen der Pferde hatte sich der Lauf ein wenig nur verbogen. Es war eigentlich ein Wunder, dass Dave mit diesem Gewehr überhaupt noch hatte schießen können. Die Kugel hatte ein Ziel gefunden, auf das Dave niemals geschossen hatte.

      Ein Bleihagel kam herüber und prasselte gegen das Haus. Kugeln fauchten durch die offene Tür und schlugen in den Wohnraum hinein. Dave rannte nach hinten, warf sich aufs Pferd und jagte hinterm Haus entlang. Er ritt im Schutz der Häuser, kam an einem brennenden Haus vorbei, jagte davon.

      Angst peitschte ihn in die Nacht hinaus.

      Er sah und hörte nichts mehr.

      Yankees hetzten zu den Pferden und wollten Dave folgen. Der Sergeant rief sie zurück. Schon kniete er neben dem Captain.

      »Ich werde ihn erwischen, Captain!«, keuchte er. »Der Bastard entkommt mir nicht!«

      Noch war Leben im Captain. Er sah hoch und in das raue Gesicht des Sergeant. Mühsam flüsterte er:

      »Verständige – meinen Bruder, Sergeant. Er ist auch – Captain. Ihr werdet ihn – schon finden. Sagt ihm, dass ich …«

      Über ihnen knarrte der Strick am hervorspringenden Dachbalken. Langsam stand der Sergeant auf, sah die Soldaten an und schüttelte den Kopf.

      »Der Captain ist tot.«

      Vielleicht hatten sie ihren Captain verehrt. Sie standen reglos und sagten nichts.

      Düster blickte der Sergeant hoch und betrachtete den Mann am Strick, blickte dann zu den beiden Männern hin, die auf den Pferden hockten und mit dem Schlimmsten rechneten, holte tief Atem und sagte dumpf:

      »Holt sie von den Gäulen. Wir haben diese Stadt erledigt. Ich will den verdammten Kerl erwischen. Soldat Heath, Cassidy und Klondike – ihr kommt mit mir. Corporal, Sie übernehmen das Kommando. Sie reiten mit den Männern weiter nach Süden. Zehn Meilen von hier ist die nächste Stadt. Dort werden wir uns treffen. Noch eine Frage?«

      Niemand fragte.

      Mit wuchtigen Schritten stapfte der Sergeant zu seinem Pferd und saß auf. Heath, Klondike und Cassidy folgten ihm.

      Cassidy war es gewesen, der Dave hinter sich her gezerrt hatte.

      Im Galopp jagten sie in die Nacht hinein.

      Am nächsten Morgen kapitulierte der Süden, ging der Krieg offiziell zu Ende.

      Befreite Farbige zogen in riesigen Scharen durch die Südstaaten. Der Süden entließ seine Soldaten. Der Norden brauchte seine Millionen Soldaten nicht mehr. Hunger und Elend breiteten sich im ganzen Süden aus und bis nach Norden. Auf den verbrannten Feldern gab es keine Ernte. Ausgebrannte Wagenwracks säumten die Wege von Norden nach Süden. Nordstaatler übernahmen die wichtigsten Posten im besetzten Süden. Darunter waren auch Farbige. Präsident Lincoln wollte Frieden und Versöhnung, doch im Süden wurde der Hass geboren. Der Krieg war vorbei, doch nicht der Hass, der zu immer schlimmeren Kämpfen führte.

      Ein Mann, fast noch ein Jüngling, namens Dave Long, wusste davon nichts. Er wurde zum Spielball eines launischen Schicksals und in die wilden Strudel des blinden Hasses hineingetrieben. Er war ein Sohn des Südens, und ein Yankee hatte gesagt:

      »Geh doch vor die Hunde!«

      Diese Zeit kannte keine Menschlichkeit. Vor die Hunde gehen sollte alles. Vor die Hunde.

      *

      Dave ritt nach Südwesten.

      Hell leuchteten die Sterne über dem weiten Texas und tauchten Hügel, Täler und Senken in bleiches Licht.

      Wenn Dave verhielt, wenn das Pferd keuchend unter ihm stampfte und er zurücksah, hörte er den Wind über die Hügel kommen, sah er fernab das Feuer in der Stadt.

      Und bald erkannte er die vier dunklen Staubwirbel hinter sich – die Verfolger.

      Zäh und unerbittlich blieben sie auf seiner Spur. Er hatte keine Möglichkeit, die Spur zu verwischen. Zu weich war der Boden des Graslandes. Und er durfte es nicht zum Kampf kommen lassen, denn er hatte keine einzige Waffe bei sich.

      Im Morgengrauen stieß er auf den Fluss, trieb das Pferd hinein und ließ es im Fluss weiterlaufen. Jetzt hatte er eine kleine Chance, die Spur zu verwischen.

      Manchmal sah er herrenloses Vieh in Flusssenken stehen. Viele Rancher und ihre Söhne hatten gegen den Norden gekämpft. Der Süden hatte viele seiner Einwohner in den Krieg gejagt. Es waren nicht nur Freiwillige gewesen.

      Stunden später sah Dave eine Ranch.

      Er verließ den Fluss und ritt hinüber. Er hoffte, dort Unterstützung zu finden, Hilfe.

      Das Pferd keuchte laut. Deutlich gruben sich die Hufe im Boden ein. Dave atmete rasselnd und spürte noch den Schmerz überall im Körper.

      Niemand trat ihm entgegen und rief ihn an.

      Der Corral war eingerissen, der Stall halb zerfallen. Unkraut wucherte überall. Ein loses Brett knarrte im heißen Wind. Die Tür des Ranchhauses schwang langsam hin und her.

      »He!«, schrie Dave heiser. »Ist da jemand?«

      Seine Stimme fand im Haus ein schwaches und unheimliches Echo.

      Verkrampft stieg er vom Pferd und lief zur Tür. Vorsichtig trat er ein, stand in einem leeren und versandeten Raum, sah zerbrochene Flaschen und Krüge, ein paar Reste von Stühlen und sonst nichts.

      Die Ranch war verlassen.

      Dave hatte Zeit verloren – und dazu auch noch eine deutliche Spur hinterlassen.

      Er kehrte um, lief zum Pferd und zog sich hinauf, ritt wieder los und näherte sich dem Fluss und der Baumkette. Verstaubtes Grün warf Schatten auf den Flusslauf. Dave neigte sich tief nach vorn, um nicht von den Ästen getroffen zu werden, lenkte das Pferd zum Wasser und horchte.

      Dumpfes Hufgetrappel kam näher. Äste brachen, und Wasser spritzte auf.

      Die Verfolger kamen!

      Dave rutschte vom Pferd, hielt es fest und legte die Hand auf die Nüstern des Tieres.

      »Ruhig«, flüsterte er, »mach keinen Lärm.«

      Sonnenlicht durchdrang die Baumkronen und flirrte über den Uferrücken. Hell gleißte das Wasser vor Dave. Er verbarg sich und sein Pferd unter den Bäumen und wartete.

      Und dann sah er sie kommen.

      Der Sergeant ritt vorn, ihm folgten drei Soldaten. Dave erkannte den Mann wieder, der ihn über die Straße gezerrt hatte.

      Sie trieben die Pferde durch den Fluss und zügelten sie plötzlich. Heiser tönte eine Stimme herüber:

      »Hier, das ist seine Spur! Er ist zur Ranch geritten!«

      Ihre Gesichter waren schweißnass und vom Jagdfieber verzerrt. Sie starrten umher und wischten sich übers Gesicht.

      Die Uniformen waren nassgespritzt. Die Armwinkel des Sergeant leuchteten gelb herüber.

      Dave wagte nicht, sich zu rühren. Er hielt das Pferd fest und starrte mit brennenden Augen zum Fluss hinunter. Tief hängende Zweige schützten ihn.

      »Weiter!«, krächzte der Sergeant.

      Sie jagten aus dem Fluss und über den sanften Uferrücken, verschwanden