des kargen Wüstenplateaus ankündigte. Nach etwa einer Viertelstunde hatten sie sie hinter sich gelassen. Nördlich davon lag eine weite Mulde, durchsetzt von weiteren Felshöckern und Arroyos. Und nun entdeckten sie auch die Straße, von der Ramon de Mendoza gesprochen hatte. Das gelbe, staubige Band kam von Westen, von Caborca, zog sich in mehreren Windungen durch die weite Senke und führte nach Osten, wo es hinter einer schroffen Bergflanke verschwand. Nirgendwo zeigte sich ein Anzeichen von Gefahr.
Durch eine steinige Rinne ritten sie in die Mulde hinab und verloren die Straße zeitweilig aus den Augen. Auch hier machte der Abstieg den entkräfteten Pferden wieder zu schaffen, deshalb waren die Männer erleichtert, als sie wieder auf halbwegs ebenen Grund gelangten. Links von ihnen erhob sich ein grauer, verwitterter Felsrand, an dessen Fuß sich das Geröll türmte, während sich rechter Hand noch die Ausläufer der Barranca erstreckte, die in einem kahlen Buckel endeten und den Ausblick auf die Senke versperrten. Die Straße, die sie überqueren mußten, konnte höchstens noch eine halbe Meile entfernt sein. Dahinter folgte dann bis zur Grenze nur noch die weglose Einöde des Wüstenplateaus von Sonora – siebzig Meilen wasserlose Hölle für Mensch und Tier.
Der heisere, krächzende Schrei kam aus Kirk Gallaghers Kehle, der sich zeitweilig an die Spitze gesetzt hatte. Obadja Sterling heulte einen Fluch. Dann sahen es auch die anderen.
Mehr als ein Dutzend Reiter schwenkten in einer geordneten Formation um die steil abfallende Flanke des Felsbuckels. Sie trugen die hellblauen, weiß abgesetzten Uniformen der republikanischen Lanzenreiter. Ein scharfes Kommando tönte herüber, als sie plötzlich eine exakter Wendung vollführten und das hintere Glied in die Lücken aufrückte. Mit einem Schlag war aus der Kolonne eine breite Kette geworden. Ein Offizier am äußeren Flügel, der einen Busch an seiner Uniformkappe trug, riß den Säbel aus der Scheide. Im nächsten Moment hoben die Uniformierten bereits die Lanzen aus dem Steigbügelschuh und legten sie ein.
Es gab keine Chance mehr, diesem Angriff auszuweichen. Der Weg in die Senke war versperrt. Und ein Rückzug in die steinige, ansteigende Rinne kam nicht in Betracht. Also blieb nur der Durchbruch. Schon setzten sich die Lanciers in Galopp und stießen dabei scharfe Schreie aus.
»Achtung!« keuchte Clayton Gunn und riß bereits die Colts aus den Halftern. »Wir nehmen diese lausigen Paradesoldaten auf die Hörner! Bleibt dicht beisammen und schießt sie aus den Sätteln, ehe sie uns mit ihren verdammten Zahnstochern aufspießen.«
Man brauchte kein Hellseher zu sein, um für das überraschende Auftauchen der Soldaten eine Erklärung zu finden. Zweifellos war die Garnison in Caborca noch in der Nacht alarmiert worden, und bestimmt hatten die entkommenden Palastwachen auch erkannt, daß es sich bei den Desperados, die den Überfall auf den Palacio Pinacate ausführten, größtenteils um Amerikaner handelte. Der Kommandant der Lanzenreiter hätte ein Narr sein müssen, wenn er daraus nicht den Schluß gezogen hätte, daß diese Männer die Richtung nach Norden, zur Grenze einschlagen würden. Um diesen Fluchtweg abzuriegeln, bot sich die Straße nördlich des Bosque Grande geradezu an. So hatte der Offizier dieser starken Patrouille irgendwo auf den Rocas del Aguila Beobachtungsposten ausgestellt, die den größten Teil der Bosque Grande überschauen konnten.
Was immer den Offizier zu einer solchen Attacke veranlaßt haben mochte, er hatte sich dabei von Vorstellungen leiten lassen, die vielleicht noch vor wenigen Jahren, während des mexikanischen Bürgerkrieges, zutrafen, inzwischen jedoch überholt waren. Damals, als sich die Bewaffnung der Fußtruppen auf Gewehre und zudem noch recht primitive Einzellader beschränkte, hatte die Kavallerie – und hier die besonders als grausam geltenden Lanzenreiter – Furcht und Schrecken verbreitet.
Lanciers waren nun einmal darauf gedrillt, mit eingelegter Lanze zu attackieren und den Gegner über den Haufen zu reiten. Wie hätten dem Offizier auch Bedenken kommen sollen, da seine Truppe diesem Gegner an Zahl fast dreifach überlegen war. Sein Verhängnis bestand darin, daß seine Soldaten es ausnahmslos mit hartgesottenen Revolvermännern zu tun hatten.
Kirk Gallagher und Obadja Sterling hatten dicht zu Clayton Gunn aufgeschlossen. Und im letzten Augenblick gesellte sich auch John Gallagher dazu, nachdem er sich mit einem Blick über die Schulter vergewissert hatte, daß Jethro die drei aneinandergekoppelten Pferde mit dem Schatz nach wie vor sicher an der Leine führte.
Deutlich erkannte man nun bereits die verzerrten Gesichter der Lanciers und die Einzelheiten ihrer Uniformen. Clayton Gunn spornte sein Pferd als erster zum Galopp an, und die anderen folgten seinem Beispiel. Ihre Aufgabe bestand darin, in diese tödliche Phalanx glitzernder Lanzenspitzen eine Bresche zu schießen, die auch dem Neger mit den Packpferden den Durchbruch erlaubte. Denn natürlich hatten es die Soldaten in erster Linie auf den geraubten Schatz abgesehen. Daneben aber kam es darauf an, diese starke Patrouille so zusammenzuschießen, daß dem Rest der Lanciers die Lust zu weiterer Verfolgung verging.
»Den Offizier, Sterling!« brüllte Clayton Gunn. »Du nimmst den Offizier aufs Korn.«
Verbissen senkte der bärtige Desperado den Kopf nach vorn. Zunächst hatte es so ausgesehen, als bliebe ihnen genügend Zeit zur Verständigung untereinander. Nun aber entwickelte sich das Drama mit rasender Geschwindigkeit. Keiner der vier Männer beging den Fehler, seine Munition zu verschwenden. Erst als die Entfernung bis auf fast dreißig Yards zusammengeschmolzen war, eröffnete Kirk Gallagher das Feuer und streckte gleich mit dem ersten Schuß einen der Gegner nieder. Einen Sekundenbruchteil später brach das Inferno los, und das Krachen der Colts steigerte sich zu einem rasenden Stakkato.
Vier, fünf der Lanzenreiter stürzten, Pferde brachen mit schrillem Wiehern zur Seite aus, und einer der Uniformierten wurde förmlich aus dem Sattel gehoben, als er sich zusammenkrümmte und dabei seine Lanze in den Boden rammte. Doch die überlebenden Lanciers machten dem Ruf ihrer gefürchteten Truppe Ehre. Die Flügel der dichtgeschlossenen Kette schwenkten nach innen. John Gallagher sah die Lanzenspitze, die ihn zu durchbohren drohte, und warf sich zur Seite. Ein wahnsinniger Schmerz durchzuckte seinen linken Oberarm fast genau an der Stelle, wo er schon beim Überfall auf den Palacio einen Streifschuß davongetragen hatte. Der wilde Ruck drohte ihn vom Pferd zu reißen, und er vermochte ihm nur zu entgehen, indem er seine Schenkel bis zum Zerreißen anspannte. Im nächsten Moment kam sein durchbohrter Arm dann wieder frei, als sein Pferd einem anderen Tier in die Flanke krachte. Aus nächster Nähe sah er den Gegner, der die Uniformkappe verloren hatte und sich auf ihn werfen wollte. Da drückte er ab, und der Mexikaner fiel mit ausgebreiteten Armen nach hinten.
Das wilde Getümmel entwickelte sich zum Chaos. Doch die unablässig krachenden Colts der Revolvermänner brachten die Entscheidung. Nur einer konnte davon nicht mehr profitieren: Obadja Sterling. Der Anweisung Clayton Gunns folgend, hatte er sich ganz auf den Offizier der Lanciers konzentriert und ihn tatsächlich mit dem zweiten oder dritten Schuß niedergestreckt. Aber dabei beging er den Fehler, sein Pferd zu weit nach rechts hinüberzuziehen. Auf diese Weise kam er ein Stück von seinen Kumpanen ab und bot gleichzeitig zwei heranjagenden Mexikanern die ungedeckte Flanke. Er fand keine Gelegenheit mehr, diesen Fehler zu korrigieren. Er wurde von einer Lanze durchbohrt und krachte zu Boden.
Der wilde Schmerz in seinem Arm entfachte John Gallaghers Selbsterhaltungstrieb bis zur Raserei. Einen der gestürzten Mexikaner sah er zu Fuß davonrennen. Einen anderen, der eben im Begriff war, seinen Bruder aufzuspießen, traf er in letzter Sekunde in die Brust. Kirk riß sein Pferd herum und starrte ihn mit einem wilden, verzerrten Grinsen an. Dann schien alles vorbei zu sein. Von vierzehn oder fünfzehn Lanzenreitern waren nur noch vier im Sattel, und auch noch einer von ihnen stürzte, als plötzlich im Hintergrund Jethros Schrotflinte dröhnte.
»Los, weiter!« heulte Clayton Gunn mit überschnappender Stimme. Ebenso wie Kirk Gallagher war er unverletzt geblieben und hatte beide Colts in den Händen, während er seinen Kastanienbraunen nur mit den Schenkeln beherrschte.
Trotz der würgenden Übelkeit, die zweifellos von seinem zerfetzten linken Arm hervorgerufen wurde, brachte John Gallagher es nicht über sich, einfach davonzujagen. Mit einer matten Bewegung stieß er den Colt ins Halfter, ergriff den Zügel und lenkte das Pferd in einem kurzen Bogen herum. In dem wallenden Staub sah er Jethro, der sich verzweifelt bemühte, auch die entkräfteten Packpferde in Galopp zu bringen, um diese Stätte des Grauens so rasch wie möglich hinter sich zu lassen.