und hatte sich die Füße blutig gelaufen.
Da stand es dick auf dem Papier.
ROOSTER.
*
Sie standen sich gegenüber: Zwei Giganten der Colts.
Nur ein paar Schritte trennte sie voneinander. Zwischen ihnen befand sich die spitze Ecke des alten Stangencorrals.
Am Eckpfosten stand Nellie, die reife und schöne Frau. Wind bewegte ihr langes braunes Haar, kräuselte es lockig, drückte das lange rote Kleid sanft an ihren schlanken Körper.
Nellie sah hin und her, blickte abwechselnd auf Donovan Fairbanks und Maverick »Lobo« Rooster.
Der eine war gekommen, der andere wollte gerade ausbrechen. Und Nellie hatte es sich nicht nehmen lassen, Rooster zum Corral hinauszubegleiten.
Hier am Corral waren bislang nur wenige Worte gefallen, doch diese Worte mußten folgenschwer sein! Nellie kannte ihren Rooster schon zu gut, um das zu wissen.
Sein Bruder Lee war an seiner Stelle erschossen worden. Eine Verwechslung, die nicht wiedergutzumachen war.
Roosters Gesicht war rauh und ausdruckslos. Nur die Stirn hatte er gerunzelt. Ein Zeichen dafür, daß in ihm kalter Zorn war.
Jetzt nahm er sein Sattelpferd am Zügel und stapfte am Corral entlang, näherte sich der Ecke, wo Nellie stand.
Vor ihr verharrte er: »Es soll wohl nicht sein mit uns beiden, Nellie. Ich reite nach Cottonfield. Sollten diese Halunken nach Sundance Corral kommen, dann sei nett zu ihnen. Halte sie auf. Keiner soll mir entkommen. Ich krieg’ sie alle.«
Das hatte er schon einmal gesagt. Und zuvor auch noch andere Male. Und er hatte sie tatsächlich alle zur Strecke gebracht.
Langsam kam Donovan Fairbarks von der anderen Corralseite heran.
»Verschon den einen, Maverick.« Seine Stimme klang schwer. »Diesen Kid. Der Junge weiß nicht, was er tut. Er ist mein Sohn.«
Maverick ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Er bereitete sich schon auf Kampf vor. Das war jedesmal so. Er mußte innerlich dazu bereit sein. Und er mußte von der Notwendigkeit völlig überzeugt sein. In diesem Fall war er es schon.
»Das kann ich nicht, Don«, entgegnete er schroff, »und du weißt das Wenn ich sie vor dem Lauf habe, dann sind sie alle meine Gegner. Da gibt es keine Ausnahme. Glaubst du etwa, daß dein Sohn Kid nicht auf mich schießen wird? Alle werden es tun! Zumindest versuchen. Dann werde ich keine Zeit haben, auf deinen Sohn zu achten.«
Fairbanks krampfte die Linke um den Zügel und blieb stehen. In seinem Gesicht arbeitete es. Für einen Augenblick sah er alt und müde aus. Dann war er wieder der siegesgewohnte und kaltblütige Revolvermann.
»Gut, Maverick –?wie du willst. Ich will dir nur noch das eine sagen: Kid ist mein einziger Sohn. Ich lasse mir nichts wegnehmen. Das weißt du. Wenn du ihn erschießt, sind wir beide Todfeinde.«
Beinahe wütend blickte Rooster ihn an.
»Erwartest du von mir, daß ich mich erschießen lasse, he? Sag’ deinem Kid, daß er sich aus meiner Schußrichtung halten soll! Sonst gibt es keine Chance für ihn. Sechs Mann, Donovan –?das ist eine Meute! Da kann ich nicht lange fackeln.«
Fairbanks blaue Augen verengten sich.
»Du hast doch auch einen Sohn, Maverick! Was würdest du tun, wenn man dir deinen Sohn abschießt?«
Da zog Rooster sich in den Sattel. »Vielleicht ist er schon erschossen worden!« antwortete er mit nachdenklicher Miene. »Ich will dir trotzdem darauf eine Antwort geben. Mein Sohn gehört keiner Bande an. Das ist der Unterschied.«
»Ja.« Donovan senkte den Blick. »Ich hab’ dich noch nie um was gebeten, Maverick. Jetzt tu ich es. Schieß an Kid vorbei. Verwunde ihn. Dann hab’ ich die Chance, aus ihm einen ordentlichen Kerl zu machen.«
Das Pferd galoppierte los, wirbelte eine lange Staubfahne auf und zog sie wie eine wallende Schleppe hinter sich her.
Lobo Rooster verschwand.
Nellie wandte sich vom Corral ab. Sie vermied es, Donovan Fairbanks anzusehen. Langsam schritt sie durch den Feuerschein der sinkenden Sonne und näherte sich der staubigen, wilden Stadt.
Donovan Fairbanks führte sein abgetriebenes Pferd an eine Tränke. Er rauchte ein Zigarillo an und sah Nellie nach, wie sie die breite Straße hinaufging.
»Sie liebt Rooster«, sagte er in
den sengenden Abendwind hinein. »Lobo Rooster –?einen Toten. Rooster will es nicht anders haben. Irgendwann mußte es ja dazu kommen.«
*
Mavericks Sohn saß schon lange an den Gräbern.
Die Dämmerung schob sich wie eine graue Wand über die Felder und erreichte die drei Eichen.
Schon jetzt war der Tod nahe!
Die Wild Angels hatten sich getrennt. Vier waren zur Farm aufgebrochen, zwei näherten sich den Eichen.
Diese beiden skrupellosen jungen Killer hatten Cal Rooster gesehen, als er zu den Eichen geritten war.
Weit abseits davon hatten sie gewartet, aber bis jetzt war Cal noch nicht unter den Eichen hervorgekommen.
Da hatte es für die beiden »wilden Engel« festgestanden, daß unter den Bäumen Lobo Rooster begraben worden war.
Jetzt waren sie unterwegs. Ohne Pferde. Die hatten sie hinter hohem Gesträuch zurückgelassen. Solche Buschinseln gab es überall auf den weiten Feldern. Sie waren ein natürlicher Windfang.
Harris und Talco waren wieder zusammen. Sie witterten in den Wind, rochen Baumwollblüten, Gras und Eichen –?und sie hörten ganz schwach ein Pferd schnauben. Es rupfte Blätter von den Sträuchern. Immer wieder knackte Geäst und raschelten Blätter.
Von Cal war nichts zu merken. Gedankenverloren saß er am Rand der Senke, Dunst ließ seine Konturen verschwimmen.
Er war ahnungslos.
Ausgefranst und mürbe hing die viel zu große Farmerjacke von seinen Schultern. Die Taschen waren so tief, daß die darin steckenden alten Whitneyville Walker Colts auf dem Erdboden lagen.
Beide Waffen waren geladen. Munition hatte Cal im Haus gefunden. Die Colts funktionierten. Aber selbst die besten Waffen nutzen einem Mann nichts, wenn er heimtückisch von hinten angegriffen wurde. Dann kam es einzig nur noch auf blitzschnelle Reaktion an. Auf viel Erfahrung. Und auf verdammt viel Glück. Ob er das hatte, mußte sich in diesem Fall noch herausstellen. Danach sah es jedenfalls nicht aus.
Denn Talco und Harris waren klug. Sie kamen gegen den Wind, so daß Cals Pferd die fremde Witterung nicht aufnehmen konnte. Und sie nutzten die Sträucher als Deckung.
Greifbar nahe ragten vor ihnen dunstverhangen die massigen Eichen dunkel in den Himmel hinein. Die weit ausladenden Baumkronen schienen sich im Dunst aufzulösen.
Für die beiden Halunken war es nicht ungefährlich. Sie wußten nicht genau, wo sich der junge Blonde befand. Sie wollten ihn fertigmachen. Doch sie mußten damit rechnen, daß er das gleiche mit ihnen vorhatte. Er brauchte nur mißtrauisch zu werden, ein schwaches fremdes Geräusch zu hören.
»Lobo Roosters Sohn!« flüsterte Talco und grinste. »Den legen wir auch um! Nolan will nach Sundance Corral. Heute nacht schon. Wir machen ihm ein kleines Geschenk. Die Roosters als Leichen! Vater und Sohn!«
»Vielleicht ist das gar nicht sein Sohn, sondern der von seinem Bruder!«
»Ist doch egal. Rooster ist Rooster!«
Natürlich konnten sie nicht wissen, wie sich alles verhielt. Das war selbst für Cal völlig überraschend gekommen. Und er mußte auch jetzt noch daran denken. Vor ihm lag nicht der Vater begraben, obwohl er es viele Jahre für ihn gewesen war.
Nun waren schon zwei Roosters tot. Doch Lobo Rooster