sehen, daß ihm auf einmal die Hände zitterten.
*
Niemals sollte Cal den nächsten Morgen vergessen.
Nichts warnte sie vorher.
Es war alles so friedlich. So, daß man annehmen konnte, die Gefahr wäre vorbei.
Die Farmhelfer waren schon auf den Beinen. Zwei vom Aufgebot schälten sich gerade aus den Decken. Die Pferde rumorten in Stall und Scheune. Die Hühner machten sich bemerkbar.
Über den Feldern ringsum hing noch feiner Dunst. Die Morgenröte zog herauf. Niemand bemerkte die Reiter. Es waren vier. Sie kamen aus verschiedenen Richtungen. Als sich der Dunst erhob und der Morgenwind einsetzte, waren Reiter und Pferde nicht mehr zu entdecken.
Cal richtete sich auf seinem Lager auf. Die Wunden schmerzten. Er fluchte verhalten, zog sich an, stieg in die Stiefel. Dann legte er Harris’ Waffengurt an und schob die geladenen Whitneyville Walker Colts in die Halfter. Die große Farmerjacke stieß er mit dem Fuß in eine Ecke.
Nebenan rührte sich die Mexikanerin. Stimmen im Haus hatten sie geweckt.
Nur kurz blickte Cal aus dem Fenster. Neben dem Schuppen hatten Männer ein Feuer entfacht. Über den Flammen hing an einem Dreifuß ein Kessel mit Wasser für den Morgenkaffee.
Es war alles ganz friedlich.
Arlene Rooster wollte wie jeden Morgen die Hühner füttern und ins Freie lassen. Die Farmhelfer boten sich an, ihr diese Arbeit abzunehmen, doch sie ließ sich die alten Gewohnheiten nicht nehmen. Die Arbeit lenkte sie ab. Dann dachte sie nicht immer an ihren Mann Lee.
Nolan Fury war ein grausamer Mann. Gnadenlos. Er wollte blutige Rache nehmen. Und das wollte auch Rhambo. Kid und Archie machten aus reiner teuflischer Lust mit.
Jeder kannte seinen Fluchtweg. Auf getrennten Wegen wollten sie nach Sundance Corral reiten. In jener gesetzlosen Stadt wollten sie
die letzte und tödliche Stunde einläuten.
An diesem Morgen hatten sie es auf den blonden jungen Rooster abgesehen. Sie wollten Cal schon an der Türschwelle zusammenschießen.
Die Tür war angelehnt. Einer der Farmhelfer ging Arlene Rooster voraus und öffnete die Tür. Er war blond wie Cal, sah ihm auch aus einiger Entfernung ähnlich –?aber das war bisher keinem auf der Farm aufgefallen.
Mit einem Sack voll Körnerfutter unterm Arm, folgte Mrs. Rooster dem Farmhelfer.
Schüsse peitschten herüber.
Kugeln aus Gewehren trafen den Farmhelfer. Er stolperte, krümmte sich. Mrs. Rooster geriet in den Kugelhagel, wurde ins Haus zurückgestoßen, stürzte zu Boden. Draußen fiel der Farmhelfer tot in den kalten Staub.
Die Männer des Aufgebots brüllten. Irgendwo abseits wieherten Pferde unter erbarmungslosen Sporenstößen und rasten gepeinigt davon.
Cal raste aus seinem Zimmer, sah seine Mutter am Boden liegen, stürmte hinaus, warf sich herum und kehrte zurück. Hart fiel er auf die Knie, beugte sich über seine Pflegemutter.
Sie blickte ihn an. Ihre Lippen bewegten sich. Sie hauchte irgendwas, aber er verstand es nicht. Draußen herrschte tumultartiger Lärm. Männer rannten zu ihren Pferden, brüllten durcheinander.
»Mam!« schrie Cal auf.
Sie hörte ihn nicht mehr.
Arlene Rooster war tot!
Wie von Krämpfen geschüttelt, kam Cal hoch, starrte fassungslos auf die Tote, schüttelte immer wieder den Kopf, konnte nicht begreifen, was geschehen war.
Die Killer nutzten das Chaos auf der Farm. Einzeln jagten sie davon und gewannen jeder einen riesigen Vorsprung.
Das Aufgebot bildete vier kleine Gruppen und folgte.
Cal ließ sie reiten. Er saß auf einem Stuhl und sah mit geröteten Augen auf die Tote, die nun auf der Couch lag.
Weinend stand Rosanna im Raum. Ihr Mund schwieg, doch ihre Augen sprachen.
Der Farmhelfer war vom Hof getragen worden. Draußen brütete die Hitze. Cal umfaßte die Hände der Toten. Schwer atmete er ein. Dann sprach er wie sein Vater – und es waren dieselben Worte: »Ich krieg’ sie alle. Irgendwann hab’ ich sie. Ich bin ein Rooster, Mam. Es soll so sein, glaub’ mir das.«
Cal blieb noch bis zur Beerdigung.
Als die Sonne im Westen stand, wurde Arlene Rooster unter den Eichen bestattet. Und neben ihr der Farmhelfer.
Niemand sah in diesem Augenblick den einsamen Reiter.
Zusammengesunken saß er im Sattel des abgetriebenen Pferdes, kürzte den Weg über die Felder ab und hielt auf die Eichen zu.
Er kam aus der Sonne.
Rooster.
Unbemerkt saß er unter den Eichen ab. Mit flachen und erdhaft schweren Schritten kam er heran.
Plötzlich stand er neben Caleb vor den Gräbern.
Es war das erste Mal, daß Cal den Mann sah, der sein Vater war.
Alle wußten, wer gekommen war. Schweigend zogen sie sich zurück und warteten abseits bei den Pferden und dem Wagen.
Nur die junge Mexikanerin war geblieben. Stumm kniete Rosanna nieder und blickte Rooster unverwandt an.
Um Cals Lippen zuckte es, als wollte er lächeln. Unruhig drehte er den Hut zwischen den Händen. Tief stach der Sonnenschein durch die Baumlücken und ließ sein Haar rötlich glänzen. In den braunen Augen war es fast Nacht. Er brachte kein Wort über die Lippen.
Sein Vater sah dem Bruder sehr ähnlich. Doch das Gesicht seines Onkels war längst nicht so hart gewesen, so rauh und zerfurcht und von Sonne und Pulverrauch gebeizt. Das Gesicht seines Vaters ähnelte einer zerklüfteten rauhen Landschaft.
Dieser Augenblick war schwer für Cal.
Noch war der Vater für ihn beinahe ein Fremder.
Bis Rooster ihn in die Arme nahm. Da war der Bann gebrochen.
Rosannas Augen glänzten. Sie lächelte und freute sich. Als Rooster das Mädchen sah, wußte er sofort, wo er es gesehen hatte. In dem Drecknest ohne Namen. Unten im Süden. Dort, wo er zwei Banditen gestellt und erschossen hatte, wo er Donovan Fairbanks nach langer Zeit wieder begegnet war. Und er hörte Cal sagen: »Rosanna. Sie ist dir zu Fuß gefolgt. Ich weiß nicht, warum.«
Rooster nickte Rosanna zu und wandte sich dann ab, ging zu seinem Pferd und saß auf. Er kam herangeritten und blickte auf die Gräber.
»Wo sind sie?« fragte er mit plötzlich harter Stimme.
»Wahrscheinlich nach Sundance Corral, Vater. Vier Mann.«
»Besorg mir ein ausgeruhtes Pferd, Cal.«
*
Sundance Corral.
Hier sollte es geschehen. Der Showdown begann schon…
Nellie beugte sich aus dem Fenster im Obergeschoß.
Die Mittagshitze brütete über der Stadt. Verlassen lag die Hauptstraße in der grellen Sonne.
Weit draußen am gleißenden Schienenstrang ragten die Pfosten und Stangen des letzten Corrals wie ein hingestrecktes Skelett in die glasige Luft.
Dort trieben im Glutwind Staubfahnen über den roten Boden. Reiter näherten sich der Stadt. Vier Mann.
Nellie hatte das richtige Gespür. Sie wußte sofort, daß es Banditen waren. Vielleicht sogar jene, die hinter Rooster her waren, um ihn zu töten. Nellie war sich aber nicht sicher, weil sie nur vier Reiter sah.
Vielleicht kamen die fehlenden zwei hinterher –?oder waren schon in der Stadt.
Sie dachte an Roosters Worte.
»Sei nett zu ihnen. Halte sie auf.«
Langsam