und Ränzchen an und gingen, ab und zu einen Soldaten anschreiend, an den Reihen entlang; die Fuhrleute und Burschen spannten an, luden die Gepäckstücke auf und banden sie fest. Die Adjutanten, die Bataillons- und Regimentskommandeure stiegen zu Pferd, bekreuzten sich, erteilten den zurückbleibenden Fuhrleuten die letzten Befehle, Anweisungen und Aufträge, und nun ertönte der gleichmäßige, stampfende Tritt mehrerer tausend Füße. Die Kolonnen marschierten ab, ohne zu wissen wohin, und infolge der sie umgebenden Kameraden und des Rauches und des zunehmenden Nebels sahen sie weder die Örtlichkeit, die sie jetzt verließen, noch die, nach der sie hinzogen.
Der Soldat wird auf dem Marsch von seinem Regiment ebenso umgeben, beschränkt und mitgezogen, wie der Seemann von dem Schiff, auf dem er sich befindet. Wie weit er auch fortmarschieren, in welche fremdartigen, unbekannten, gefährlichen Gegenden er auch gelangen mag, um sich hat er (wie der Seemann immer und überall dasselbe Verdeck, dieselben Masten und Taue seines Schiffes) immer und überall dieselben Kameraden, dieselben Reihen, denselben Feldwebel Iwan Mitritsch, denselben Kompaniehund Schutschka, dieselben Vorgesetzten. Der Soldat hat nur selten den Wunsch, die Breiten kennenzulernen, in denen sich sein »Schiff« befindet; aber am Tag einer Schlacht macht sich, Gott weiß wie und woher, in der Gedankenwelt der Truppen gleichsam ein einheitlicher, ernster Ton vernehmbar, der das Herannahen von etwas Entscheidendem, Feierlichem zu bedeuten scheint und bei ihnen eine Neugier erweckt, die ihnen sonst fremd ist. Am Tag einer Schlacht suchen die Soldaten in lebhafter Erregung die enge Interessensphäre ihres Regiments zu überschreiten, sie horchen umher, blicken sich um und erkundigen sich eifrig nach dem, was um sie herum vorgeht.
Der Nebel hatte sich so verdichtet, daß man, obwohl es schon Tag geworden war, nicht zehn Schritte weit vor sich sehen konnte. Sträuche sahen aus wie riesige Bäume, Ebenen wie Abhänge und Schluchten. Überall, auf allen Seiten, konnte man mit dem auf zehn Schritte unsichtbaren Feind zusammenstoßen. Aber schon lange marschierten die Kolonnen immer in demselben Nebel dahin, bergab und bergauf, an Gärten und Feldern vorbei, durch eine neue, unbekannte Gegend; und nirgends stießen sie auf den Feind. Vielmehr nahmen die Soldaten bald vorn, bald hinten, auf allen Seiten, wahr, daß da russische Kolonnen in derselben Richtung marschierten. Jedem Soldaten war es ein angenehmes Gefühl, zu wissen, daß ebendahin, wohin er selbst ging, wiewohl das Ziel ihm unbekannt war, noch viele, viele andere der Unsrigen gingen.
»Nun sieh mal an, die Kursker sind auch vorbeimarschiert«, wurde in den Reihen gesagt.
»Es ist gar nicht zu glauben, Bruder, was für eine Unmasse von unsern Truppen hier zusammengekommen ist. Ich habe es mir am Abend angesehen, als die Feuer angezündet wurden: es war kein Ende davon zu erblicken. Ordentlich wie Moskau!«
Obgleich keiner der höheren Kommandeure an die Reihen heranritt und zu den Soldaten sprach (die höheren Offiziere waren, wie wir beim Kriegsrat gesehen haben, verstimmt und mit der in Aussicht genommenen Aktion unzufrieden und beschränkten sich daher darauf, die Befehle auszuführen, ohne sich um die Aufmunterung der Soldaten zu bemühen), marschierten die Soldaten dennoch in heiterer Stimmung, wie immer, wenn es zum Kampf und namentlich zum Angriff geht. Aber nachdem sie ungefähr eine Stunde, immer im dichten Nebel, marschiert waren, mußte ein großer Teil der Truppen haltmachen, und es verbreitete sich in den Reihen das unangenehme Gefühl, daß etwas in Unordnung gekommen sei und die Dispositionen nicht stimmten. Auf welche Weise ein solches Gefühl sich verbreitet, ist sehr schwer festzustellen; aber jedenfalls verbreitet es sich, einmal aufgekommen, mit außerordentlicher Sicherheit und sickert schnell immer weiter, unmerklich und unaufhaltsam, wie Wasser, das einen Abhang hinabläuft. Wären die russischen Truppen für sich allein gewesen, ohne Verbündete, so hätte es vielleicht noch längere Zeit gedauert, bis dieses Gefühl von einer Unordnung zur allgemeinen Überzeugung geworden wäre; aber jetzt schob man, als müßte das so sein, diese Unordnung den verdrehten Deutschen in die Schuhe, und alle waren überzeugt, daß da eine nachteilige Konfusion entstanden sei, an der diese Wurstmacher schuld wären.
»Warum haben wir haltgemacht? Ist der Weg versperrt? Oder sind wir schon auf die Franzosen gestoßen?«
»Nein, es ist nichts zu hören. Dann würde doch geschossen werden.«
»Da haben sie es nun so eilig gehabt mit unserm Ausmarsch, und nun sind wir ausmarschiert und stehen hier ohne Sinn und Zweck mitten auf dem Feld; diese verfluchten Deutschen richten immer nur Verwirrung an. Solche verrückten Kerle!«
»Ja, wenn's auf mich ankäme, ich würde sie ins Vordertreffen stellen; aber die, da kann man sicher sein, die drücken sich nach hinten zusammen. Da müssen wir nun stehen, ohne etwas Ordentliches im Leib zu haben!«
»Na? Geht's bald wieder weiter? Es heißt, die Kavallerie versperrt uns den Weg«, sagte ein Offizier zu einem andern.
»Ach, diese verdammten Deutschen! Kennen ihr eigenes Land nicht!« antwortete der.
»Von welcher Division sind Sie?« schrie ein Adjutant, der herangeritten kam.
»Von der achtzehnten.«
»Warum sind Sie denn dann hier? Sie müßten schon längst vorn sein! Jetzt kommen Sie vor Abend nicht durch!«
»Das kommt von den törichten Anordnungen; die hohen Herren finden selbst nicht darin zurecht«, sagte der eine Offizier und ritt weg.
Dann kam ein General geritten und rief zornig etwas, aber nicht auf russisch.
»Tafa-lafa; was der da schimpft, kann unsereiner nicht verstehen«, sagte ein Soldat, indem er dem fortreitenden General nachäffte. »Totschießen möchte ich sie, die Kanaillen!«
»Vor neun Uhr sollten wir an Ort und Stelle sein, und nun haben wir noch nicht einmal die Hälfte des Weges hinter uns. Das sind nette Anordnungen!« wurde von verschiedenen Seiten räsoniert.
Und der Kampfeswille, mit welchem die Truppen zum Gefecht aufgebrochen waren, fing an in Ärger und Zorn über die sinnlosen Anordnungen und über die Deutschen überzugehen.
Die Ursache der Verwirrung lag darin, daß während des Vorrückens der österreichischen Kavallerie auf dem linken Flügel die oberste Leitung gefunden hatte, unser Zentrum sei doch gar zu weit vom rechten Flügel entfernt, und daher der ganzen Kavallerie Befehl erteilt hatte, auf die rechte Seite hinüberzugehen. So zogen denn mehrere tausend Mann Kavallerie vor dem Fußvolk vorbei, und das Fußvolk mußte warten.
Bei der Tete der Infanterie kam es zu einem harten Zusammenstoß zwischen einem höheren österreichischen Offizier und einem russischen General. Der russische General verlangte, zornig schreiend, die Reiterei solle anhalten; der Österreicher wies darauf hin, daß nicht er, sondern die oberste Leitung daran schuld sei. Inzwischen standen die Truppen da, bekamen Langeweile und ließen den Mut sinken. Nach einem einstündigen Aufenthalt konnten sie sich endlich wieder in Bewegung setzen und begannen bergab zu marschieren. Der Nebel, der sich oben auf der Anhöhe zerteilt hatte, breitete sich in den Tälern, in die die Truppen hinabstiegen, nur um so dichter aus. Vorn erscholl im Nebel ein Schuß, ein zweiter; anfangs fielen die Schüsse unregelmäßig, in verschieden langen Zeitabständen: »Tratta ... tat«, dann immer regelmäßiger und häufiger, und es entspann sich das Gefecht am Goldbach.
Da die Russen nicht damit gerechnet hatten, unten am Bach dem Feind zu begegnen, sondern im Nebel unvermutet auf ihn gestoßen waren, da von seiten der höheren Vorgesetzten keine ermunternden Worte an sie gerichtet wurden, da ferner unter den Truppen das Gefühl verbreitet war, sie seien schon zu spät gekommen, hauptsächlich aber, da sie in dem dichten Nebel nichts vor sich und um sich sahen: aus diesen Gründen erwiderten sie das Feuer des Feindes nur lässig und langsam; bald rückten sie vorwärts, bald blieben sie wieder stehen, weil sie nicht rechtzeitig die nötigen Weisungen von den höheren Vorgesetzten und Adjutanten erhielten, die sich bei dem Nebel in dem unbekannten Terrain verirrten und die betreffenden Truppenteile nicht fanden. So begann der Kampf für die erste, zweite und dritte Kolonne, die ins Tal hinabgestiegen waren. Die vierte Kolonne, bei der sich Kutusow selbst befand, stand auf den Höhen von Pratzen.
In der Tiefe, wo der Kampf begonnen hatte, herrschte überall noch dichter Nebel. Oben hatte es sich ja aufgeklärt, aber trotzdem konnte man nichts von dem sehen, was weiter vorn vorging. Ob wirklich alle Streitkräfte des Feindes, wie auf unserer