Lily Hunt

An meinen Liebhaber | Roman


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      Überrascht blickte ich in seine Augen, die schelmisch funkelten. Meinte er das ernst?

      »Danke«, stotterte ich leicht verlegen. Was sollte das heißen? Fand er mich in dem Kleid etwa sexy? Absurd. Ich war gewiss nicht hässlich, hielt mich eher für Durchschnitt. Ich trug am liebsten Jeans, T-Shirts oder Hemdblusen. Für Kleider hatte ich wenig übrig und trug sie nur zu besonderen Anlässen.

      Natürlich, mein Mann fand mich sexy. Auch von anderen Männern hatte ich dann und wann mal ein Kompliment bekommen. Und doch ... Dieses fühlte sich anders an.

      Ich war dankbar für das schummrige Licht. So bemerkte hoffentlich niemand meine Verlegenheit. Das Lied, zu dem wir tanzten, verklang. Ich wollte mich von ihm lösen und verspürte leises Bedauern dabei. Doch er hielt mich fest, tanzte einfach weiter mit mir zum nächsten Song.

      »Das Büro, in dem du arbeitest, liegt doch in der Wilhelmstraße in eurer Stadt, richtig?«

      Er wohnte mit Ines in einer Kleinstadt, unweit unserer.

      Mein Kopf flog hoch, sprachlos starrte ich ihn an, bevor ich mich zu einem Nicken durchrang. Wo führte dieses Gespräch nur hin? Meine Nervosität nahm zu. Ich klammerte mich an seine Hand, bemerkte dies und versuchte, mich zu entspannen. Es kribbelte immer mehr in meinem Bauch und fühlte sich verboten an. Verboten gut.

      »Ich könnte dich dort doch mal besuchen. In der Mittagspause oder so. Hast du Lust dazu?«

      Mir schoss das Blut in den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich schauen sollte. Er zog mich näher an sich. Sein Mund flüsterte verführerisch an meinem Ohr:

      »Es muss ja keiner etwas davon wissen. Willst du?«

      Meine Knie wurden weich. Ich wollte dieses Treffen. Wollte es unbedingt. Doch das war falsch. Alle Alarmglocken in meinem Kopf schrillten.

      Entgegen aller moralischen Bedenken, nickte ich. Er strahlte mich an.

      »Gut.«

      Ich senkte meinen Kopf, hätte ihn am liebsten an seine Schulter gelegt. Wir tanzten schweigend, bis der Song vorbei war und er mich an den Tisch zu Mathias brachte.

       2. Kapitel

      Gegenwart

      Mein Geliebter,

      heute, am Abend der Party, dann der Super-GAU. Mathias fiebert. Seine Wangen sind knallrot und ein ständiger Hustenreiz quält ihn. Er gehört ins Bett und auf keine Party. Ich bin erleichtert und gleichzeitig fast etwas traurig. Zu groß die Angst, aber auch die Neugier, dich wiederzusehen. Ich rufe bei euch an, hoffe fast, dass du an das Telefon gehst. Ines meldet sich. Ihre Stimme klingt hektisch, gestresst. Wahrscheinlich ist das aber kein Wunder, bei den vielen Vorbereitungen für die Feier. Ich hole tief Luft, um abzusagen.

      »Ines, es tut mir leid. Wir können heute nicht kommen. Mathias ist krank.«

      Ines protestiert sofort. Wortreich erklärt sie mir, dass ich ja auch allein kommen kann.

      »Hör mal«, versuche ich, sie zu überzeugen. »Ich will Mathias so nicht allein lassen ...«

      »Papperlapapp«, unterbricht sie mich. »Er ist ein erwachsener Mann mit einer Erkältung. Er wird die ganze Nacht über schlafen. Die Kinder sind nicht da.«

      Sie unterbricht sich und schnappt hörbar nach Luft. Ich sehe sie vor meinem inneren Auge, wie sie nach weiteren Gründen sucht.

      »Du musst einfach kommen!«, bestimmt sie. »Du übernachtest wie geplant bei uns und kannst morgen deinen Mann wieder umsorgen.«

      »Ja, geh bitte«, drängelt Mathias jetzt auch noch aus dem Hintergrund. »Ich werde schlafen und du gehst dich mal amüsieren.«

      Amüsieren!

      Wie ein Hohn wiederholt sich dieses Wort in meinem Kopf.

      Amüsieren!

      Ich gebe nach; packe meine Tasche.

      Amüsieren!

      In die Angst vor unserem Wiedersehen mischt sich jetzt auch eine leise Erregung. Etwas zieht mich unwiderstehlich zu dir hin. So war es auch schon vor fünf Jahren gewesen. Ich war dir vollkommen ausgeliefert.

      Wie wird es sein, dir gegenüberzustehen?

      Ich halte inne beim Packen und setze mich. Meine Knie sind weich wie Pudding. Wenn mich allein der Gedanke an dich schon so schwachmacht, was passiert, wenn ich mich im selben Raum mit dir aufhalte? Bei einer Sache bin ich mir ganz sicher. Du wirst charmant sein. Jovial. Und falls wir miteinander sprechen sollten, wird – wahrscheinlich im Gegensatz zu mir - dir niemand ansehen, was du mit mir vor langer Zeit getrieben hast.

      Du hattest mich ins Visier genommen und verführt. Mich umworben und als ich dir verfallen war, hast du mir die Seele aus dem Leib gevögelt. Unsere gemeinsame Zeit habe ich wie im Rausch verbracht. Süchtig nach dir und deinen Berührungen.

      Wird diese alte Leidenschaft wieder aufflammen? Ich seufze. Von meiner Seite aus gibt es da gar keinen Zweifel. Seit ich von der Einladung weiß, ist mein Höschen dauerfeucht.

      Bei dir bin ich mir nicht sicher. Du hattest vor mir viele Frauen und nach mir sicherlich auch. Daran habe ich keinen Zweifel. Nur, welchen Stellenwert nehme ich unter all deinen ehemaligen Geliebten ein? Für mich war unser Beisammensein etwas ganz Besonderes. Vielleicht bin ich für dich ja nur eine von vielen. Kaum wert, noch einmal daran zu denken. Das wäre schlimm für mich. Oder wäre es ein Segen?

      ***

      Fürs Erste habe ich mir umsonst Sorgen gemacht. Als ich bei eurem Haus ankomme, bist du schon unterwegs, die letzten Partyvorbereitungen treffen. Ich richte mich in dem kleinen Gästezimmer ein. Die Zeit ist etwas knapp, aber Ines ist auch noch nicht fertig. Eilig schlüpfe ich in mein neues Kleid. Es ist raffiniert ausgeschnitten und bringt meine Brüste gut zur Geltung. Dazu trage ich schwarze Strumpfhosen und elegante Pumps. Als ich mich prüfend im Spiegel betrachte, schiebe ich den Gedanken, dass dir dieses Outfit wohl äußerst gut gefallen wird, weit zurück. Ich will jetzt nicht an dich denken. Sonst kommt die Angst zurück. Oder ich werde wieder feucht. Beides behagt mir im Moment nicht.

      Ines läuft hektisch durch das Haus und lässt dadurch meine Aufregung noch weiter steigen. Meine Hände fühlen sich feucht an. Sie plappert unaufhörlich irgendwelches Zeug und ist keine Sekunde ruhig. Eigentlich passt mir das ganz gut, da ihr so hoffentlich nicht auffällt, dass ich so still bin. Erst als wir im Auto sitzen, schweigt sie.

      Als wir in dem Gasthaus ankommen, ist die Party schon in vollem Gange. Es sind zahlreiche Leute gekommen. Ich schaue mich um, und entdecke viele Kollegen meines Mannes. Den meisten nicke ich aus der Ferne zu. Andere begrüßen mich persönlich, fragen nach dem Befinden von Mathias und bedauern, dass er nicht da ist. Irgendwer drückt mir ein Glas Wein in die Hand. Meine innere Unruhe legt sich ein wenig. Irgendwie habe ich das Gefühl, neben mir zu stehen und zuzusehen. Alles ist so entrückt.

      Ich plaudere mit den Leuten, kenne viele von ihnen seit Jahren. Bald stelle ich überrascht fest, dass ich tatsächlich Spaß habe. Du bist in meinem Kopf ganz an den Rand gewichen. Es tut gut, einmal aus dem Alltagstrott auszubrechen. Die Musik dröhnt.

      »Hey! Das ist aber schön, dass du auch da bist!«

      Ein schlaksiger Mann mit Brille drängelt sich durch die Menge direkt auf mich zu. Er arbeitet ebenfalls in Mathias’ Firma und ich habe mich schon ein paarmal mit ihm unterhalten. Angestrengt suche ich in meinem Kopf nach seinem Namen. Er beugt sich vor und drückt mich mit einem Arm kurz an sich. Unbeholfen tätschele ich ihm die Schulter. Wie hieß er denn nur?

      Das Einzige, was mir zu ihm einfällt, ist, dass er unglaublich langweilig ist. Seine Monologe sind endlos und ichbezogen. Und dann legt er auch schon los.

      »Ich hatte ja gar nicht damit gerechnet, dich hier heute zu treffen, als ich erfuhr, dass Mathias krank ist. Was hat er denn? Die Grippe?«

      Ich öffne den Mund, um ihm zu sagen, dass es wohl nur ein Infekt sei, doch schon spricht er weiter.

      »So