schwer atmend. Plötzlich spürte sie etwas, das sie nicht hätte spüren dürfen. Sein Schwanz presste sich gegen ihren Bauch. Er schien es auch zu bemerken und sagte trocken: »Die natürliche Reaktion auf Stärke und Schwäche.« Er ließ sie los und ging.
Lisa lief ihm hinterher. »Sie können nicht einfach gehen. Wenn Sie es tun, haben Sie die Zukunft einer Frau ruiniert, die Sie geküsst haben.«
Er lachte auf. »Es wäre nicht das erste Mal.« Dabei nahm er seinen Mantel vom Haken.
»Tom, bitte! Helfen Sie mir!«
Er blickte ihr in die Augen, streichelte ihre Wange und sagte: »Jeder ist für sich selbst verantwortlich, meine Kleine.« Mit einem Kuss auf die Stirn verließ er ihre Wohnung.
Minutenlang starrte Lisa die geschlossene Wohnungstür an, und hörte, wie ihre Tränen dauerhaft auf den Parkettboden tropften.
***
Die nächsten beiden Tage bis zum Wochenende hatte Lisa frei. Sie war totunglücklich, nutzte aber die Zeit, um weitere erotische Modelle zu entwerfen, die ihr selber überhaupt nicht gefielen. Stattdessen, um sich wenigstens ein bisschen aufzumuntern, zeichnete sie Abendkleider in den verschiedensten Formen und Farben mit vielen Accessoires und Liebe zum Detail. Das Wochenende nutzte Lisa, um sich von ihrem Traum, der Teilnahme an der Modenschau, zu verabschieden. Dauerhaft spukte Tom Monroes Satz: »Jeder ist für sich selbst verantwortlich« in ihrem Kopf herum. Über ihn wollte sie nicht mehr nachdenken. Sie zwang sich dazu.
So kam Lisa am Montagmorgen entschlossen und alle Gefühle in die hinterste Schublade ihres Seins verdrängend, in die Firma und bat ihre Chefin, sofort als sie das Büro betrat, um einen Besprechungstermin.
***
Lisa klopfte und trat sofort ein. Sie hatte wohl zu viel Kaffee getrunken, denn ihr Adrenalin schoss durch ihre Adern.
»Guten Morgen, Ma’am.«
Amanda Fox erhob sich. »Guten Morgen, Lisa.«
Lisa wunderte sich kurz über das Erheben ihrer Chefin, das hatte sie bisher noch nie an ihr beobachtet, legte aber sofort mit ihrer Rede los, bevor sie der Mut verließ. »Ich möchte gleich zum Punkt kommen. Ich möchte mit meinen Modellen, die nicht ausreichend für die Modenschau sind, zurücktreten.«
Amanda nickte anerkennend. »Gut. Ich hatte so sehr gehofft, dass Sie das sagen würden, Miss Harrington.«
Lisa wusste, dass es diese Schlange von Frau freuen würde. So versuchte Lisa die Freudentänze ihrer Chefin nicht an sich heranzulassen und so schnell wie möglich dieses verhasste Zimmer zu verlassen.
»Von daher sage ich nun: Herzlichen Glückwunsch!«
Lisa gefror alles im Gesicht, und ärgerte sich, dass sie diese Gemeinheiten nun doch an sich heranließ. »Sie beglückwünschen mich zu meinem Rückzug?«, spie Lisa verächtlich aus.
»Aber, aber, meine Liebe. Nicht doch! Ihre Werke waren ganz scheußlich. Aber die, die Sie mir am Freitag auf den Tisch gelegt haben, sind einfach wunderbar, fantastisch, einmalig! Damit werden Sie alle Modeschöpfer vor Neid erblassen lassen.«
Lisa schluckte. Was ging hier vor?
»Warum sehen Sie mich an wie das siebte Weltwunder? Hatten Sie nicht erwartet, dass ich so einen Geschmack besitze. Ja, ich weiß, ihre Robe ist provokativ, sehr provokativ, aber ich werde sie anfertigen lassen und dann geht’s ab zur Modenschau. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Ich habe sie am Freitag bereits zur Produktion angewiesen. Nun ist es an Ihnen, sich Ihre Models zu suchen. Sie brauchen drei. Sie wissen ja: Jedes Model kann zwei Mal laufen.«
Lisa nickte. Sie war wie paralysiert.
»Nun, ab! Beeilen Sie sich, wir haben nicht mehr viel Zeit. In zwei Wochen sind die Roben da.«
***
An Models, an gute Models, heranzukommen, war verdammt schwer. Lisa legte entnervt den Hörer auf. Das war nun die fünfte Agentur, die ihr absagte. Zwar hatte sie sich über das Internet diverse Frauen schicken lassen, aber die Videobänder, die ihr den Catwalk zeigten, waren nur mäßig gut. Und die Models, die sie wunderbar fand, waren entweder nicht zu bezahlen oder schon gebucht.
Lisa strich sich durch ihre Haare und dachte wieder an die Zeichnungen, die sie noch immer nicht zu Gesicht bekommen hatte. Wie auch! Sie konnte wohl schlecht hingehen und sagen: »Darf ich die Entwürfe noch mal sehen, ich hab ganz vergessen, wie sie aussehen.« Und wer hatte sie Amanda auf den Schreibtisch gelegt? Kamen sie von Tom? Aber er konnte unmöglich ins Gebäude. Oder hatte er sie per Post geschickt? Doch dann hätte der Umschlag mit auf Amandas Tisch gelegen und sie hätte Lisa mit Sicherheit zur Rede gestellt. Oder kamen die Zeichnungen etwa von Betty? Aber fragen konnte sie sie nicht, weil, sollte Betty es nicht gewesen sein, herausgekommen wäre, dass es nicht Lisas Entwürfe waren.
»So ein Mist!«, fluchte Lisa und fuhr sich erneut mit beiden Händen durch die Haare. Wo bekam sie bloß ihr letztes Model her? Mit sechs Outfits bei einer Modenschau ins Rennen zu gehen, war schon nicht viel, aber dann nur zwei Models zu haben, um vier Roben zu präsentieren, war noch weniger. Lisa ging wieder ins Internet.
***
»Die Outfits sind da, Miss Harrington«, flötete Amanda Fox ins Telefon. »Sie müssen versuchen, dringend herzukommen, sonst müssen wir sie ohne Sie anprobieren und anpassen.«
»Ich weiß, Mrs Fox, aber ich kann heute einfach nicht kommen. Ich saß zwei Stunden beim Arzt und fühle mich noch kranker als vorher. Ich habe hohes Fieber«, krächzte Lisa ins Telefon und ließ sich erschöpft aufs Kissen sinken. Sie schloss die Augen und hielt die Tränen zurück. Wieso wurde sie ausgerechnet heute krank! In zwei Tagen war der Catwalk bei der »Hot & Sexy«. Eigentlich konnte sie nicht hin. Doch das käme nicht in Frage, sie musste wenigstens live und in Farbe die Modelle sehen, die ihr heimlicher Helfer oder heimliche Helferin ihr hatte zukommen lassen.
»Versuchen Sie, alles möglich zu machen, Miss Harrington. Denken Sie an Ihre Zukunft!«
Lisa drängte die wieder aufsteigen wollenden Tränen zurück. Sie dachte in all den Wochen an nichts anderes. Auch kam ihr immer wieder das Gesicht und die Statur von Tom in den Sinn. Er ließ sie nicht los. Sein drängender Kuss, sein harter Schwanz, den er nicht hatte verbergen können ...
»Sind Sie noch dran, Miss Harrington?«
Lisa kämpfte mit einem Hustenanfall und ächzte: »Ja, Ma’am.«
»Na, dann gute Besserung.« Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Amanda auf.
***
Der große Tag war da. Mit zittrigen Händen stand Lisa vor ihrem großen Spiegel, der in die Tür ihres Schlafzimmerschrankes eingelassen war, und zog sich ein lilafarbenes Schlaukleid an, das im Schulterbereich schräg geschnitten war. Eine Schulter hielt einen Träger, die andere war nackt und der obere Rand führte über ihrer Brust unter dem Arm durch. Der Rand war mit helllila Federn besetzt, die sich auch am Saum wiederfanden. Dazu trug Lisa mittelhohe lila Pumps. Die hohen Schwarzen sahen zwar um Welten besser aus, aber sie fühlte sich schon so wackelig genug auf den Beinen. Ihr Hals wurde von einem dezenten, dünnen Goldkettchen mit einem Strassanhänger verziert mit passenden Ohrringen und Armband.
Als sie das Taxi hupen hörte, nahm sie ihren roten Mantel vom Haken und dachte sofort an den braunen Mantel, der noch vor drei Wochen hier gehangen hatte. Schnell wischte sie die Erinnerung fort und lief auf wackeligen Beinen zum Taxi. Sie wusste, dass sie noch Fieber hatte, aber den heutigen Abend konnte sie nicht verpassen. Unmöglich! Es war einer der wichtigsten Abende ihres Lebens. Hoffentlich würden die Modelle gut aussehen und hoffentlich würden die Models den Walk gut machen und hoffentlich ...
»Wir sind da, Ma’am«, riss der Taxi-Fahrer sie aus ihren Gedanken. Sie bezahlte ihn und stieg mit klopfendem Herzen aus. Viele Leute hatten sich schon eingefunden, obwohl es lange noch nicht soweit war. Mit ihrem Veranstalterausweis kam sie sofort ins edle Gebäude und suchte sich den Weg hinter die Kulissen.
Schnell fand sie Amanda, die sie in die Arme schloss und mit Küsschen