Parker!«
»Sind Ihnen Männer bekannt, die sich ›Lange Messer‹ nennen?« stellte der Butler seine nächste Frage.
»Nein …!« schnaufte Hayes. »Was sollen diese blödsinnigen Fragen?«
»Ihr Norman Culler hat auch keineswegs Messer nach Mr. Rander oder nach mir geworfen?«
»Nein«, keuchte Hayes, der an seinem Verstand zu zweifeln begann. »Aber das wird sich verdammt schnell ändern.«
»Wer, so frage ich mich dann, könnte die Messer dann wohl geworfen haben?«
»Interessiert mich nicht, Parker, Hauen Sie ab …!«
»Haben Sie Feinde, wenn ich diese Frage stellen darf?«
»Ich erwürg Sie …!« stammelte Hayes, doch er blieb vorsichtshalber sitzen und rührte sich nicht.
»Ich glaube zu bemerken, daß Sie jetzt nicht in der richtigen Stimmung sind, eine kleine Unterhaltung mit mir zu pflegen«, stellte der Butler fest. Nach einer kleinen, höflichen Verbeugung fügte er dann hinzu: »Ich werde mir die Freiheit nehmen, zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal vorzusprechen. Ich wünsche Ihnen das, was man einen schönen guten Morgen nennt.«
Parker verließ das Büro und ließ die drei vollkommen konsternierte Gangster zurück, die den Glauben an ihre Welt verloren hatten. Sie merkten überhaupt nicht, daß Parker den Schlüssel der Tür mitgenommen hatte und sie nun von außen verschloß.
Parker schritt gemessen wie ein Haushofmeister durch den Korridor und blieb vor einem Vorhang stehen, der eine Wandnische zum Korridor hin abschloß. Er schlüpfte hinter diesen Vorhang und verschwand so erst einmal von der Bildfläche.
Wie richtig seine Taktik war, sollte sich sehr schnell zeigen.
Plötzlich wurde an der verschlossenen Tür gerüttelt, dann, es klang wie eine Explosion, wurde sie aufgerammt. Norman Culler und Lee Harris purzelten hinaus in den Korridor und nahmen mit einiger Verspätung die Verfolgung des Butlers auf.
Wahrscheinlich brannten sie darauf, ihn noch vor dem Erreichen der Straße umzubringen.
Glenn Hayes folgte mit einiger Verspätung.
Als er am Vorhang vorüberkam, wischte er sich die letzten Tropfen der rot eingefärbten Flüssigkeit aus den Augen …
*
»Also, raus mit der Sprache, Lee! Bist du hinter Rita her?«
Glenn Hayes war mit seinen beiden Männern zurück ins Büro gekehrt und forschte nun nach den Gründen von Parkers Erscheinen.
»Rita kann mir gestohlen bleiben«, erwiderte Lee Harris gereizt. »So was wie die, ist leicht zu ersetzen.«
»Sag’ die Wahrheit, Lee …!«
»Nein, Chef, ich hab’ sie wirklich seit Monaten nicht mehr gesehen. Aber …«
»Was aber …?«
»Sie hat mich gestern angerufen. Sie hat wie dieser verdammte Butler etwas vom Messerwerfen gequasselt. Ich hab’ kein Wort verstanden. Sie drohte noch, ich sollte nur ja die Finger von ihr lassen, sonst wär’ was gefällig.«
»Warum, zum Teufel, erfahre ich das erst jetzt?« brüllte Hayes aufgebracht.
»Nehmen Sie Rita etwa ernst?« gab Lee Harris unsicher zurück. »Die hat doch nicht alle Tassen im Schrank. Aber wenn Sie meinen, kann ich ja mal zu ihr gehen und ihr auf den Zahn fühlen.«
»Finger weg von Rita«, sagte Glenn Hayes, dessen Gesicht den sprichwörtlich nachdenklichen Ausdruck angenommen hatte. »Das riecht alles nach irgendeiner Falle, ich weiß nur nicht, wer uns da was einbrocken will …!«
»Dieser verdammte Parker natürlich«, schaltete sich Norman, Culler in die Unterhaltung ein. »Is’ doch vollkommen klar, Chef, der will, uns hochnehmen.«
»Möglich, aber nicht vollkommen sicher«, meinte Hayes, dessen Gesicht noch nachdenklicher wurde. »Lee hat schon recht, wir müssen mit Rita sprechen. Sie muß sich ja was gedacht haben, als sie Lee anrief.«
»Vielleicht hat Parker sie angestiftet«, gab Culler zu überlegen und vergaß nicht, seine schmerzenden Fingergelenke zu massieren. »Er sucht irgendeinen Vorwand, um mit uns anbandeln zu können.«
»Krach kann er haben.« Hayes stand auf und nickte nachdrücklich. »Paßt auf, wir mobilisieren unsere Leute. Ab sofort gibt es eine Treibjagd auf Parker und seinen Boß …! Ob die was gegen uns im Schilde führen oder nicht, Hauptsache, sie verschwinden so schnell wie möglich.«
»Und was steht auf dem Programm?« erkundigte sich Lee Harris.
»Nichts einfacher als das.« Hayes grinste tückisch. »Irgendwann gehen sie ja mal in ihre Wohnung oder kommen heraus …! Das reicht, um eine Serie aus einer Maschinenpistole auf sie abzufeuern. Dagegen ist kein Kraut gewachsen.«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, aus der vor einer knappen, halben Stunde Norman Culler gekommen war.
Parker trat ein.
»Ich muß mich entschuldigen«, sagte er höflich, vielleicht sogar etwas zerstreut. »Nach Lage der Dinge habe ich mich beim Verlassen des Hauses verlaufen. Ein Versäumnis, das sich hoffentlich schnell korrigieren läßt.«
Die drei Gangster fielen, bildlich gesprochen, aus allen Wolken.
»Ich möchte und werde auf keinen Fall länger stören«, redete der Butler weiter und lüftete höflich seine schwarze, steife Melone. »Bei dieser Gelegenheit möchte ich offen und ehrlich, wie es meine Art ist, gestehen, daß ich Ohrenzeuge Ihres Planes geworden bin, Mr. Hayes. Demnach scheinen Sie ein unverträglicher Mensch zu sein. Wollen Sie denn wirklich schießen lassen?«
»Ich … ich bringe Sie um …!« stöhnte Hayes.
»Das sagten Sie schon einmal, wenn mich nicht alles täuscht«, erwiderte der Butler. »Bestehen Sie unbedingt darauf?«
»Los, ran, Jungens …!« kreischte Hayes wie von Sinnen. Er selbst riß die Schreibtischlade auf und griff nach der Waffe, die dort griffbereit lagerte.
Parker ließ in diesem Augenblick einen kleinen Glaskörper zu Boden fallen. Er war nicht größer als eine kleine Glühbirne.
Das dünne Glas zerschellte beim Aufprall auf den Boden.
Und augenblicklich, bevor die drei Gangster aktiv werden konnten, wallten dichte, schwefelgelbe Nebelschwaden hoch, die den Raum in Bruchteilen von Sekunden ausfüllten und jede Sicht nahmen.
Durch diese Schwaden hindurch war das Zuklappen einer Tür zu hören.
Parker war gegangen, wie die drei Gangster erst nach aufregenden fünf Minuten genau feststellten, nachdem sie im Nebel Parker vergeblich gesucht hatten …
*
Parker hatte den Hinterhof verlassen, in dem das Installationsgeschäft von Glenn Hayes untergebracht war und ging eilig, wenn auch nicht unter Verzicht von Würde und Gemessenheit, durch den niedrigen Torbogen, der hinaus auf die Straße führte.
Er hielt es für unfein, sich unterwegs noch einmal nach den Gangstern umzusehen. Er wußte, daß sie der Nebel hinlänglich beschäftigte. Mit ihrem Auftauchen war vorerst bestimmt nicht mehr zu rechnen.
Parkers Privatwagen in Spezialausführung stand am Straßenrand. Einige Halbwüchsige hatten sich um ihn versammelt und stießen lästerliche Bemerkungen aus. Was übrigens zu verstehen war, denn Parkers Wägen war nichts anderes als ein hochbeiniges Monstrum auf Rädern. Es handelte sich um ein ehemaliges Taxi aus London, das nach Parkers Spezialwünschen umgebaut worden war. Dieser Umbau hatte seinerzeit darin bestanden, daß der eckige Aufbau auf ein Renngestell gesetzt worden war. Selbstverständlich war der hochgezüchtete Rennmotor nicht vergessen worden. Wenn Parker also wollte – und er wollte oft und gern –, brauchte er nur etwas Gas zu geben, um sein Monstrum wie eine Rakete zu beschleunigen.
Parker