Christoph Hülsmann

Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch


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it. La dieta, non la rispetta tanto. (2) fr. Les moustiques, là-bas, il y en a beaucoup. (3) sp. Un ÓSCAR se lleva.5 (C-Oral-Rom, Cresti/Moneglia 2005)

      Die Arbeit verfolgt mehrere Ziele. Zunächst sollen die einzelnen Dimensionen, aus denen sich die Informationsstruktur zusammensetzt, eingehend beschrieben werden. Nach einem kurzen, theoretisch möglichst unvoreingenommenen Überblick zu den grundlegenden Mechanismen des Zusammenspiels zwischen Informationsstruktur, Syntax und Prosodie im Allgemeinen sowie für das gesprochene Französische, Spanische und Italienische im Speziellen sollen die bisherigen Erkenntnisse zu den grammatisch-syntaktischen, pragmatisch-semantischen sowie prosodischen Eigenschaften der Topik- und Fokus-Fronting-Strukturen zusammengefasst werden. Die Ergebnisse dieses Teils sollen in der Folge durch eine empirische Analyse gesprochener Belege aus dem C-Oral-Rom-Korpus von Cresti und Moneglia (2005) überprüft werden. Die Verifizierung bzw. Falsifizierung der postulierten Eigenschaften der Konstruktionen6 anhand von authentischen Belegen ist insofern von Relevanz, als bislang vor allem nicht spontane oder semi-spontane Sprachaufnahmen für prosodische Analysen zur Informationsstruktur herangezogen wurden. Neben der mangelnden Authentizität dieser Äußerungen ist auch die Tatsache problematisch, dass der Großteil der Studien auf Daten basiert, die von einer relativ geringen Anzahl von Sprechern stammen.7 Bei der vorliegenden Arbeit handelt sich um die meines Wissens erste Studie, die die Thematik auf der Grundlage authentischen spontansprachlichen Korpusmaterials, das in möglichst natürlichen Kontexten erhoben wurde, in den drei genannten romanischen Sprachen kontrastiv untersucht.

      Das Interesse an informationsstrukturellen Fragestellungen ist in der Linguistik bereits seit längerer Zeit ausgeprägt. Die zahlreichen Publikationen und Forschungsprojekte der letzten Jahre geben eine ungefähre Vorstellung von der Forschungsrelevanz des thematischen Großkomplexes der Informationsstruktur, der zentrale Fragen des Funktionierens von Sprache umfasst, die teils noch nicht hinreichend verstanden sind.8

      Dabei sind die theoretischen Zugänge und Methoden, die zu dessen Erforschung herangezogen werden, sehr heterogen. Auch die rezentesten Monographien, die sich mit der Informationsstruktur romanischer Sprachen auseinandersetzen, spiegeln die Diversität der Ansätze wider. Der pragmatisch basierte Beitrag von Ewert-Kling (2010) etwa untersucht die funktionalen Aspekte von Links- und Rechtsdislokationen im gesprochenen Französischen und Spanischen anhand von Korpusanalysen. Als analoge Untersuchung für das Italienische kann die Arbeit von Meier (2008) genannt werden. Einen vor allem diskursorientierten Ansatz wählt Hidalgo-Downing (2003) für das Spanische. Auch Avanzi (2012) gründet seine Analysen zum Französischen auf Korpora gesprochener Sprache. Er widmet sich in erster Linie der Prosodie ausgewählter Strukturen wie Links- und Rechtsdislokationen. Die Tatsache, dass in den letzten Jahren vermehrt auch generative Beiträge im Bereich der Informationsstruktur zu verzeichnen sind, wie etwa die Arbeiten von Frascarelli (2000) und Bocci (2013) zum Italienischen sowie von Gabriel (2007) zum Spanischen, zeugt von der zunehmenden Bedeutung, die dieser sprachlichen Dimension mittlerweile auch in stärker auf formalen Theorien basierenden Ansätzen beigemessen wird.9

      Zweifellos bedarf die gleichzeitige Beschäftigung mit verschiedenen sprachlichen Ebenen wie der Informationsstruktur, der Syntax und der Prosodie einer Kombination unterschiedlicher Methoden. Es ist ersichtlich, dass für den Zweck dieser Arbeit, deren Untersuchungsgegenstand die gesprochene Sprache ist, primär jene Zugänge geeignet sind, die die Akzeptabilität bzw. Angemessenheit von (markierten) Strukturen aus dem Zusammenspiel von grammatisch-syntaktischen und nicht syntaktischen, d.h. prosodischen, aber auch diskursspezifischen sowie außersprachlichen Faktoren zu erklären versuchen, und die damit auch den kommunikativen Kontext von Äußerungen in ihrer Analyse berücksichtigen.10 Einen derartigen Zugang bieten vor allem funktional-pragmatische Ansätze.

      Die vorliegende Untersuchung zielt darauf ab, einen klärenden wie auch neue Aspekte erschließenden Beitrag zum Gesamtbild dieser komplexen Thematik zu leisten. Aus funktionaler Perspektive ist die initiale Realisierung von Fokus- und Topikkonstituenten zunächst auf die informationsstrukturellen „Bedürfnisse“ der Gesprächsteilnehmer zurückzuführen. Die im Vergleich zur als unmarkiert geltenden Struktur häufig zu beobachtende Alternation der linearen Abfolge der Konstituenten im Satz und die prosodischen Charakteristika, die mit dieser modifizierten Wortfolge einhergehen, sind demnach – wie die vorliegende Arbeit darzulegen versuchen wird – in erster Linie diskursanalytisch zu erklären und als Manifestationen bzw. als Markierungsmechanismen der Informationsstruktur zu analysieren.

      Die Arbeit gliedert sich wie folgt: Kapitel 2 befasst sich mit den Grundlagen und wichtigsten Modellen der Informationsstruktur. Diesem Abschnitt muss insofern relativ viel Raum gewidmet werden, als die Beschäftigung mit Informationsstruktur seit jeher von einer höchst heterogenen Terminologie geprägt ist. Auch in der aktuellen Literatur manifestiert sich die grundlegende Problematik des Gegenstandbereichs darin, dass elementare informationsstrukturelle Termini mit zum Teil sehr unterschiedlichen Bedeutungen verwendet werden. Ziel des Kapitels ist demnach eine klare Abgrenzung der einzelnen Dimensionen innerhalb der Informationsstruktur sowie die Festlegung einheitlicher und möglichst operabler Definitionen zentraler Termini.

      Das anschließende Kapitel 3 soll einen kurzen, theoretisch unvoreingenommenen Überblick über die grundlegenden, teils universalen Aspekte des Zusammenspiels von Informationsstruktur, Syntax und Prosodie geben, ohne bereits systematisch sprachenspezifische Aspekte zu berücksichtigen. Es erhebt dementsprechend keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen die verschiedenen Grundannahmen, die in der Literatur vorherrschen, und ihre zentralen Argumente skizziert werden. Näher eingegangen wird in diesem Kapitel darüber hinaus auf die wichtigsten theoretischen Grundlagen der autosegmentalen Phonologie, die aufgrund der guten übereinzelsprachlichen Komparabilität auch für den empirischen Teil der Arbeit von Relevanz sein werden.

      Ab Kapitel 4 wird sprachenspezifisch und sprachvergleichend vorgegangen. Kapitel 4.1 klärt zunächst die Frage der Markiertheit von Sätzen im code parlé der drei romanischen Sprachen. Nach einem Überblick über die unmarkierten Muster auf syntaktischer, informationsstruktureller sowie prosodischer Ebene werden in Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3 die bisherigen Erkenntnisse zum Topik- bzw. Fokus-Fronting in den jeweiligen Sprachen resümiert.

      Kapitel 5 beinhaltet den empirischen Teil der Arbeit. Nach einer kurzen Vorstellung des gewählten Korpus werden Belege mit initialen Topiks und Foki auf unterschiedlichen Ebenen analysiert. Berücksichtigt werden die Art und die Definitheit der Konstituenten, ihre syntaktischen Funktionen, die Belebtheit der Referenten und mögliche kontrastive Lesarten zu entsprechenden Topik- bzw. Fokus-Alternativen. Ebenfalls untersucht wird der syntaktische und prosodische Integrationsgrad der Topiks und Foki. Neben einzelsprachlichen Analysen wird auch ein kontrastiver Vergleich zwischen den drei Sprachen angestrebt, der typologische Ähnlichkeiten und Differenzen aufzeigen soll.

      In Kapitel 6 werden die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst und ein Ausblick auf zukünftige Forschungsfragen gegeben.

      2 Grundlagen der Informationsstruktur

      2.1 Geschichtlicher Überblick und erste Termini

      Der Terminus Informationsstruktur, der heute jenen Teilbereich der Linguistik bezeichnet, der die Art und Weise der Vermittlung von Information auf Satz- und Diskursebene untersucht, geht auf den Beitrag von Halliday (1967a/b) zurück. (cf. Konerding 2003, 209) Halliday (1967a, 55) verwendet den Begriff erstmals, um die Akzeptabilität von Strukturen zu erklären: „[T]he acceptability of a given item is not in fact determined solely by the verb, […] it is often possible to construct acceptable clauses by selecting appropriate lexical items and arranging them in appropriate information structures […].“1

      Das Bewusstsein über informationsstrukturelle Aspekte von Sprache reicht bis zur aristotelischen Logik und der dort erfolgten Differenzierung eines Satzes in hypokeimon (‚das Zugrundeliegende‘, ‚Vorhandene‘) und kategorumenon (‚das