Christoph Hülsmann

Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch


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ein zuvor inaktives Element aktivieren kann. Diese Beschränkung bezeichnet er als one new concept at a time constraint.11 (cf. Chafe 1987, 31–32) Dass Sprecher als prototypisch geltende Sätze wie (8) realisieren, in denen alle Konstituenten neue Information kodieren, ist in der Tat deutlich seltener der Fall als man generell versucht ist anzunehmen. Vielmehr ist die Tendenz festzustellen, dass neue und nicht neue Information in Sätzen kombiniert wird.12 (cf. Downing 1995, 12)

(8) en. A farmer kills a duckling. (Downing 1995, 12)

      Der Grund dafür liegt sehr wahrscheinlich in der mentalen Verarbeitung des Menschen, der größere Mengen an neuer Information nicht auf einmal bewältigen kann. (cf. Downing 1995, 13) Dem schließt sich auch Molnár (1991, 4) an:

      Dadurch, dass die Hinzufügung von neuen Wissenselementen schrittweise auf dem Weg über etwas Bekanntes, bereits Etabliertes erfolgt, wird die Aufnahmefähigkeit des Adressaten nicht überstrapaziert, und der Zusammenbruch der Kommunikation wird vermieden.

      Chafe (1976, 28) spricht in diesem Zusammenhang von packaging, um hervorzuheben, dass sich Sprecher eigens – und zwar im ersten Schritt – mit dem „Wie“ einer Mitteilung befassen müssen, bevor sie sich der Mitteilung selbst, also der Inhaltsseite, widmen können. Im Idealfall sind laut Chafe die Elemente der Äußerung für den Sprecher unmittelbar vor der Realisierung der entsprechenden Intonationseinheiten aktiviert. Gleichzeitig hat der Sprecher auch eingeschätzt, welche Konzepte für den Hörer bereits aktiviert sind. Das Resultat dieses Prozesses kann in der konkreten Realisierung der Äußerung beobachtet werden. (cf. Chafe 1987, 26)

      Wie Wehr (2000, 247) zu Recht kritisch anmerkt, vernachlässigt Chafe in seinen früheren Beiträgen die Möglichkeit, dass ein Sprecher im Zuge einer Äußerung auch Konzepte versprachlichen kann, die für den Hörer nicht nur auf der Bewusstseins-, sondern auch auf der Wissensebene neu sind. Um den Unterschied zwischen dieser beiden Ebenen zu illustrieren, kann Beispielsatz (9) herangezogen werden. In diesem Satz ist der Referent von Larry beiden Gesprächspartnern insofern vertraut, als sie von der Existenz dieser (spezifischen) Person wissen und daher in der Lage sind, den konkreten, individuellen Referenten der Konstituente zu identifizieren. Im Bewusstsein des Hörers aktiviert wird der Referent jedoch erst durch die Realisierung im Diskurs. (cf. Chafe 1994, 72)

(9) en. I talked to Larry last night. (Chafe 1994, 72)

      Während Konzepte durch ihre Versprachlichung im Diskurs also ein Teil des temporären Registers von Sprechern werden, ist Wehr zufolge zusätzlich ein permanentes Register von Sprechern anzunehmen, das einerseits Weltwissen umfasst, wie etwa die Konzepte „die Sonne“, „Ludwig der XIV.“ oder „Wale“, andererseits aber auch Konzepte, die den unmittelbaren Lebensbereich der jeweiligen Personen betreffen („die Katze“, „Fritz“, etc.). Diese müsse ein Sprecher nicht explizit in den Diskurs einführen, da er davon ausgehen kann, dass der Gesprächspartner sie jederzeit präsent hat.13 (cf. Wehr 1984, 6–8) Nach der Terminologie von Ewert-Kling (2011, 81) sind diese Elemente identifizierbar [+IDENT], im Gegensatz zu nicht identifizierbaren Konzepten [-IDENT]. Prince (1992) spricht in diesem Zusammenhang von hearer-old bzw. hearer-new entities, um sich auf das Wissen zu beziehen, und von discourse-old bzw. discourse-new entities auf der Ebene des Bewusstseins. Während discourse-old hearer-old zur Folge habe („since hearers are expected to remember what they have been told“; Prince 1992, 303), können discourse-new entities entweder hearer-old oder hearer-new sein. (cf. ibid) Dem schließt sich auch Ewert-Kling an, die sich mit der Kategorie [±NEU] auf die (Nicht-)Nennung von Konzepten im Diskurs bezieht. Für sie sind die Kombinationen [+IDENT] und [±NEU] sowie [-IDENT] und [+NEU] möglich. „La combinaison des paramètres [-IDENT] et [-NOUV] est, par contre, impossible, car une entité mentionnée dans le discours précédent est toujours identifiable.“14 (Ewert-Kling 2011, 81)

      Ein Ansatz, der für die Klassifikation von Information sowohl die Ebene des Bewusstseins als auch die des Wissens berücksichtigt, ist jener von Prince (1981). In ihrem (vielzitierten) Modell differenziert die Autorin drei Arten von Gegebenheit. Erstere nennt sie predictability bzw. recoverability. Hier geht der Sprecher im Zuge seiner Äußerung davon aus, dass der Hörer vorhersagen kann (oder vorhersagen hätte können), dass ein konkretes sprachliches Element innerhalb eines Satzes in einer bestimmten Position auftauchen wird. (cf. Prince 1981, 226) In Beispiel (10) betrifft dies das deiktische Subjektpronomen you, das der Hörer kontextuell erschließen kann und das vom Sprecher nicht realisiert werden muss.

(10) en. Ø Wanna fight? (Prince 1981, 232)

      Die zweite Art von Gegebenheit, die der (ursprünglichen) Unterscheidung von Chafe in given und new entspricht, nennt Prince saliency. In diesem Fall nimmt der Sprecher an, dass der Hörer bei der Realisierung einer Konstituente eine konkrete Entität in seinem Bewusstsein hat, wie etwa beim Personalpronomen he, das in (11) auf eine sich im Umfeld der Gesprächspartner befindende Person verweist. (cf. Prince 1981, 228)

(11) en. (A to B as C walks by, in view and out of earshot) He’s going to Austria. (Prince 1981, 232)

      Die dritte Form von Gegebenheit, jene des shared knowledge, bezieht sich auf das Wissen von Sprechern. Auf dieser Ebene geht der Sprecher davon aus, dass der Hörer etwas weiß, annimmt oder inferieren kann, aber nicht notwendigerweise auch gerade daran denkt. In Satz (12), der von einer Person produziert wird, die ihre Präsenz ankündigt, betrifft dies das Personalpronomen I, anhand dessen der Hörer auf die Identität des Sprechers schließen kann. (cf. Prince 1981, 230)

(12) en. Hi, I’m home. (Prince 1981, 232)

      Prince verweist in ihrem Beitrag darauf, dass sowohl der Terminus shared knowledge als auch jener der Gegebenheit insofern problematisch sind, als es sich dabei im Grunde genommen – wie von Chafe beschrieben – lediglich um seitens des Sprechers angenommenes oder vermutetes Wissen (bzw. Gegebenheit) handelt. Als präzisere Alternative schlägt die Autorin daher den Begriff der assumed familiarity vor.15 (cf. Prince 1981, 232–233) Die drei Arten der Gegebenheit hängen für Prince nun taxonomisch zusammen:

      If a speaker assumes that the hearer can predict that some particular item or items will occur in some particular position within a sentence, then the speaker must assume that it is appropriate that the hearer have some particular thing in his/her consciousness. And, if the speaker assumes that the hearer has some particular thing in his/her consciousness, then the speaker must assume that the hearer has some assumption or can draw some inference. (Prince 1981, 231)

      Basierend auf den drei genannten Arten von Gegebenheit unterteilt Prince den Informationsstatus von sprachlichen Elementen16 in neu, inferierbar und evoziert. (cf. Prince 1981, 235–236) Neue Elemente differenziert die Autorin in zwei Subtypen. (Brand-)new sind für Prince informationelle Einheiten, die der Hörer neu konstruieren muss. Ein Beispiel dafür ist die initiale Nominalphrase in Satz (13). Die von ihr als unused bezeichneten Einheiten hingegen sind beim Hörer bereits vorhanden und müssen daher nur, wie etwa der Eigenname Noam Chomsky in Satz (14), in das Diskursmodell transferiert werden. (cf. Prince 1981, 235)

(13) en. A guy I work with says he knows your sister.
(14) en. Noam Chomsky went to Penn. (Prince 1981, 233)

      Elemente, die brand-new sind, können ihrerseits differenziert werden. Bei anchored information wie jener in (13) ist im Gegensatz zu unanchored information die betreffende (lexikalische) Nominalphrase mit einem anderen Diskurselement – hier I – verknüpft.