Christoph Hülsmann

Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch


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auch wenn selbst dies nicht immer zutrifft, da Topiks – so Gundel (1988a, 33–35) – problemlos auch postverbal sowie als Nicht-Subjekte, wie zum Beispiel in (41), auftreten können.

(41) en. What about the proposal? – Archie REJECTED it/the proposal. (Gundel 1988a, 35)

      Eine relativ einfache Erklärung für die Initialstellung von Topiks findet sich im Beitrag von Primus (1993, 886): „[T]opics are simpler to conceive of first because they are less complex than predications.“ Mit Komplexität meint Primus in erster Linie das syntaktische „Gewicht“, d.h. die Länge von Topiks, die in der Regel geringer ist als jene des Kommentars. (cf. ibid.) Für Musan (2010) hingegen hängt die Initialstellung von Topiks im Deutschen mit der Tatsache zusammen, dass in dieser Sprache auch Subjekte bevorzugt satzinitial stehen. Ebenfalls von Bedeutung seien die meist zentralen semantischen Rollen von Topiks. (cf. Musan 2010, 32) So wurde gezeigt, dass Topiks oft – wenn auch nicht zwingend – Agens oder Experiencer sind, welche ebenfalls vorzugsweise in satzinitialer Position realisiert werden. (cf. Primus 1993, 886) Auch Givón (1976) führt in seiner topicality hierarchy, in der er jene Eigenschaften auflistet, aufgrund derer eine Nominalphrase tendenziell eine topikale Rolle übernimmt, die semantischen Rollen der Konstituenten an.

      Abb. 5: Topicality hierarchy (Givón 1976, 152/160)

      Für Brunetti (2011) werden agentive Argumente meist als Subjekte kodiert. Die Verbindung zwischen Subjekt und Topik ist für sie nur eine indirekte.

      [L]a sélection du sujet comme AGENT dépend des propriétés lexicales du verbe. Par contre, la sélection du topique AGENT se produit au niveau de l’énoncé: un topique est souvent l’agent de la phrase parce que le locuteur généralement préfère parler de l’AGENT […] le chevauchement de sujet et topique est donc ‚accidentel‘, et ne se produit que quand les règles de sélection des arguments verbaux et les facteurs cognitifs qui déterminent la sélection du topique mènent au même argument. (Brunetti 2011, 11)

      Aus Sicht von Li und Thompson (1976, 484) sind Subjekte wiederum nichts anderes als grammatikalisierte Topiks.20 Und als diese werden sie für Wehr (1984, 12) auch deswegen bevorzugt initial realisiert, um an das zuvor Gesagte anzuknüpfen.

      Dass Topiks nur im konkreten Kontext zu bestimmen sind, illustriert Reinhart (1981) anhand des Beispielsatzes (42). Ohne genauere diskursive und kontextuelle Einbettung würde sich auch bei diesem für das Englische prototypischen Satz mit der Abfolge SVO die Frage stellen, welche der zwei Nominalphrasen als Topik fungiert, teilt der Satz dem Adressaten doch Informationen über beide erwähnte Personen mit. Die Schwierigkeit der Topikidentifikation führt in der Literatur oft dazu, dass versucht wird durch die Angabe eines passenden Ko(n)texts – meist in Form von vorausgehenden Fragen – das Topik der Antwort schon im Voraus festzulegen. Ist der Satz (42) die Antwort auf die Frage (43), wird nach dem aboutness-Kriterium Max zum Satztopik. Wird der Satz hingegen als Replik auf die Frage (44) realisiert, ist die Konstituente Rosa, die weder in der satzinitialen Position steht, noch die grammatische Funktion des Subjekts innehat, als Topik zu analysieren. (cf. Reinhart 1981, 56–57)

(42) en. Max saw Rosa yesterday.
(43) en. Who did Max see yesterday?
(44) en. Has anybody seen Rosa yesterday? (Reinhart 1981, 56)

      Damit scheiden die beiden Versuche, das Topik syntaktisch oder grammatisch zu definieren, endgültig aus. Zwar ist das Topik in (42) in keinen der beiden Fälle akzentuiert, jedoch ist dies vielmehr eine Beobachtung über die mögliche (Nicht-)Markierung von Topiks als ein tatsächlich valides Definitionskriterium.21

      Für die Topikdefinition bleibt somit auch weiterhin in erster Linie das oft als zu unpräzise erachtete diskurspragmatische Kriterium der aboutness relevant. Die fehlende terminologische Präzision von Topik wird auch von Klein (2012, 107) problematisiert: „I do not think, incidentally, that an aboutness definition of topic-hood is meaningless; but it is very difficult to make it so precise that it discriminates between what one feels is the topic and between other elements of a sentence.“22

      Eine weitere Konsequenz der Definitionsproblematik besteht darin, dass auch die Frage nach der Anzahl an potenziellen Topiks pro Äußerung relativ kontrovers diskutiert wird. In einem passenden Kontext, wie jenem in (45), können offensichtlich auch mehrere Topiks (Max, Moritz) auftreten. (cf. Musan 2010, 30) Andererseits werden kognitive Beschränkungen angenommen, da davon ausgegangen wird, dass Menschen ihre Aufmerksamkeit nicht auf mehrere Entitäten bündeln und gleichzeitig über diese sprechen können. Vermutet wird, dass zumindest zwei Topiks möglich sind, die nach dem Grad ihrer Salienz gegebenenfalls als primäres bzw. sekundäres Topik klassifiziert werden können. (cf. Dalrymple/Nikolaeva 2011, 53–54)

(45) dt. Ich erzähl dir was über Max und Moritz: Max hat Moritz beim Schachspielen geschlagen. (Musan 2010, 30)

      Um die problematischen Aspekte des Topikbegriffs besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung des Terminus. Wie Konerding (2003) erläutert, geht die Topik-Kommentar-Gliederung einerseits auf die Unterscheidung zwischen kategorischen und thetischen Urteilen zurück. Erstere bestehen aus zwei sukzessiven Schritten, nämlich der Nennung einer Entität sowie der Zuschreibung einer Qualität. Die Nennung der Entität dient der Identifikation und – nach heutigem Standpunkt – der kognitiven Fokussierung auf diese, die Zuschreibung der Qualität der näheren prädikativen Beschreibung der genannten Entität. Thetische Urteile sind im Gegensatz dazu einfach. Sie zeichnen sich durch das Fehlen der Herausstellung einer Entität aus. (cf. Konerding 2003, 211–212) „[N]o argument is picked out as a predication base; the entire situation, including all of its participants, is asserted as a unitary whole.“23 (Sasse 1995b, 4–5) Da thetische Äußerungen keine Topikkonstituente aufweisen, werden sie auch als Anti-Topik-Sätze bezeichnet. Diese Sätze machen zwar Aussagen, worüber jedoch wird, wie etwa in Satz (46), nicht explizit genannt.24 (cf. Musan 2010, 30–31)

(46) dt. Es kamen viele Gäste. (Musan 2010, 30)

      Vallduví (1990) nennt zwei mögliche Gründe, aus denen ein Topik nicht versprachlicht wird. Entweder nimmt der Sprecher an, dass das Topik dem Hörer bereits bekannt ist, womit die Notwendigkeit es zu realisieren wegfällt, oder es ist ganz einfach kein konkretes Topik verfügbar. (cf. Vallduví 1990, 63) Gundel (1988a, 36) hingegen schlägt vor, in Fällen wie (46) die jeweilige Situation, d.h. die temporale und lokale Verankerung, auf die sich die Äußerung bezieht, als Topik heranzuziehen.25 Aber auch wenn ein Topik verfügbar ist, hat der Sprecher offensichtlich – je nach pragmatischem Kontext – die grundsätzliche Möglichkeit einen Satz als zweigliedrig strukturierte Äußerung, und damit als Topik-Kommentar-Abfolge, oder als Ganzes, und damit als thetischen Satz, zu konstruieren. Markiert werden kann die getroffene Wahl, wie in (47) bzw. (48), durch die Akzentsetzung.26 (cf. Molnár 1993, 161) Féry (2010a) bezeichnet Sätze wie (46) und (48), die ein Ereignis in unzergliederter Form einführen, als eventiv.27 Ihr Beispielsatz (49) verdeutlicht, inwiefern mit den jeweiligen informationsstrukturellen Gliederungen auch unterschiedliche Lesarten erzielt werden können. In eventiver Lesart ist der Satz (49) laut Féry etwa eine Erklärung für eine Verspätung und nicht unbedingt eine Aussage über das Auto. (cf. Féry 2010a, 3–4)

(47) en. The CAT is MIAOWING. (kategorisch)
(48) en. The CAT is miaowing. (thetisch) (Molnár 1993, 161)
(49)