Christoph Hülsmann

Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch


Скачать книгу

1981, 65) Dass belebte Referenten im Vergleich zu nicht belebten tendenziell häufiger als Topiks fungieren, wurde unter anderem von Dahl und Fraurud (1996, 59–60) gezeigt.

(28) dt. ??Irgendein / *Jedes / *Kein Buch, ich hoffe, wir haben noch ein Exemplar. (Jacobs 2001, 652)
(29) en. Parents don’t understand. But all grownups, they do it to kids, whether they’re your own or not. (Reinhart 1981, 65)

      Gundels topic-identifiability condition zufolge muss der Hörer darüber hinaus in der Lage sein, das Topik der Äußerung eindeutig zu identifizieren: „An expression, E, can successfully refer to a topic T, iff E is of a form that allows the addressee to uniquely identify T.“ (Gundel 1988b, 214) Dies ist, so die Autorin, vor allem bei definiten Ausdrücken der Fall.7 Zusätzlich nimmt Gundel mit der topic-familiarity condition eine zwingende Korrelation zwischen Topikalität und der assumed familiarity nach Prince an: „An entity, E, can successfully serve as a topic, T, iff, both speaker and addressee have previous knowledge of or familiarity with E.“ (Gundel 1988b, 212) Mit diesem letzten Kriterium verbindet Gundel die Topik-Kommentar-Struktur nun auch direkt mit dem Informationsstatus von Referenten und postuliert eine 1:1-Entsprechung zwischen Topiks und gegebener bzw. identifizierbarer Information. Die Antwort auf die Frage in Beispielsatz (30) zeigt den durchaus als typisch zu bewertenden Fall, in dem das Topik Teil der gegebenen Information ist, während der Kommentar neue Information enthält.8 Aufgrund ihrer Gegebenheit, d.h. ihrer Nennung im Diskurs, sind Topiks wie das in (30) sehr empfänglich für Pronominalisierungen: „Die einmalige Setzung des Topiks zu Anfang genügt; es muß im folgenden nicht explizit benannt werden, solange es identisch bleibt und als Subjekt kodiert wird.“9 (Wehr 1984, 13)

(30) dt. Was hat Wolfgang gelesen? – Wolfgang/Er hat einen englischen Familienroman gelesen. (Musan 2010, 29)

      Reinhart (1981, 66) hingegen ist der Ansicht, dass auch neue, indefinite Nominalphrasen als Topiks interpretiert werden können, sofern sie, wie in (31), spezifisch sind.10 Wehr (1984, 11) sieht keinen Grund, warum nicht auch neue, indefinite Konstituenten in all-new-Sätzen wie dem in (32) als Topiks fungieren sollen, da hier das aboutness-Kriterium eindeutig erfüllt ist. Indefinite Nominalphrasen mit generischer Lesart sind Lambrecht (1994, 154) zufolge wiederum deshalb als Topiks möglich, da sie auf ein Set verweisen, wie etwa in (33). Auch in Beispiel (34) entspricht das Topik einer indefiniten, neuen Nominalphrase, die in der Folge jedoch pronominal wiederaufgenommen wird.11

(31) en. When she was five years old, [a child of my acquaintance]T announced a theory that she was inhabited by rabbits. (Reinhart 1981, 66)
(32) it. Un re s’ammalò. (Wehr 1984, 11)
(33) dt. Ein Arzt kann dir nicht helfen. (Lambrecht 1994, 154)
(34) en. A daughter of a friend of mine, she got her BA in two years. (Gundel 1985, 89)

      Ein auf den ersten Blick besonders deutliches Beispiel dafür, dass Topiks nicht immer auf gegebene oder identifizierbare Referenten beschränkt sind, ist die Äußerung (35), da hier die (potenzielle) Nicht-Identifizierbarkeit vom Sprecher explizit verbalisiert wird.

(35) en. Pat McGee, I don’t know if you know him, he – he lives in Palisades […]. (Reinhart 1981, 78)

      Unmittelbar nachdem der Sprecher den Eigennamen Pat McGee äußert, wird er sich dessen bewusst, dass der Hörer möglicherweise nicht in der Lage ist den Referenten zu identifizieren.12 Nach Lambrecht (1988, 146) verstößt er damit gegen folgende diskurspragmatische Maxime: „Do not introduce a referent and talk about it in the same clause.“13 Für Stechow (1981, 124) könnte der Einschub I don’t know if you know him folglich „an excuse of the speaker for possibly inappropriate speech“ sein. Wenn etwas alte Information sein sollte, aber nicht ist, verändere der Sprecher den common ground oft auch stillschweigend und agiere einfach so, als wäre die Information bekannt. (cf. ibid.) Lambrecht und Michaelis (1998, 495) haben in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, zwischen zum Zeitpunkt der Äußerung bereits etablierten Topiks (ratified topics) und nicht etablierten Topiks (unratified topics) zu unterscheiden.14

      Eine Art Vermittlerposition nimmt Lambrecht (1994) ein. Für ihn sind gegebene Elemente aufgrund ihrer pragmatischen Zugänglichkeit eher Topiks.15 Im Gegensatz zu Gundel geht er jedoch, wie in Abbildung 4 deutlich wird, von einer skalaren Topikalität aus.

      Abb. 4: Topic acceptability scale (Lambrecht 1994, 165)

      Sein Modell, das sich auf die Kategorien von Prince (1981) stützt und damit sowohl die Wissensebene als auch die Bewusstseinsebene von Sprechern berücksichtigt, bietet den Vorteil, dass Topiks, die brand-new sind, zwar als weniger akzeptabel eingestuft, jedoch nicht a priori ausgeschlossen werden. Ähnlich argumentieren Dalrymple und Nikolaeva (2011). Kategorien wie die Definitheit und die Belebtheit erhöhen für sie die Wahrscheinlichkeit, dass eine Konstituente als Topik fungiert.16 Ob sie dies tatsächlich auch tut, hängt vom Sprecher im jeweiligen Kontext ab.17 (cf. Dalrymple/Nikolaeva 2011, 57)

      Betrachtet man nun ausgehend von Lambrechts Modell den oben angeführten Satz (31), zeigt sich, dass hier zwar neue Information eingeführt wird, diese aber verankert und damit als Topik akzeptabler als die nicht verankerte Konstituente in (32) ist. Der Vergleich der beiden Sätze legt nahe, dass die Akzeptabilität von Topiks auch mit der diamesischen Variation von Sprache und den jeweiligen Textsorten in Zusammenhang steht. So ist Satz (32) der (sehr spezifischen) Textsorte Märchen entnommen, in der Lambrechts Maxime nicht zwingend Geltung hat, sodass der Satz als völlig unproblematisch und – innerhalb der Textsorte – als durchaus unmarkiert angesehen werden kann.18 In spontaner (Nähe-)Sprache kommen derartige all-new-Sätze jedoch, wie bereits in Kapitel 2.2 thematisiert wurde, deutlich seltener vor.19 (cf. Downing 1995, 12 und Féry 1993, 29) Dass im Falle einer Realisierung oft – wie auch in (34) – eine zusätzliche Topikalisierung in Form einer Linksdislokation erfolgt, könnte u.a. darin begründet liegen, dass dem Hörer so die Dekodierung erleichtert wird, da er durch die pronominale Wiederaufnahme des Topiks und durch die Pausen, die im Zuge dieser Konstruktionen auftreten können, über mehr Zeit zur kognitiven Verarbeitung des neuen Topiks verfügt.

      Neben der Referenzialität, der Belebtheit, der Identifizierbarkeit und der Gegebenheit werden in der Literatur noch weitere Kriterien als mögliche Voraussetzungen für Topiks genannt. So wurde versucht, das Topik syntaktisch-linear als das erste Element des Satzes, grammatisch als das Subjekt und phonetisch als nicht akzentuiertes Element zu definieren. (cf. Reinhart 1981, 56) Nach Hallidays Definition des Themas als „what comes first in the clause“ (Halliday 1967b, 212) müssten jedoch, wie Gundel (1988a, 27) anhand der Beispielsätze (36)–(40) zeigt, höchst diverse Elemente wie Objekt- und Interrogativpronomen, Auxiliare, Adverbien und Verben als Thema bzw. Topik interpretiert werden.

(36) en. Him I like.
(37) en. Did he call?
(38) en. Who called?
(39) en. Perhaps John won’t come.
(40) en. Close the door. (Gundel 1988a, 27)