Annabeth Albert

Frozen Hearts: Arctic Wild


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sich nicht erinnern, ob er jemals etwas anderes als Begeisterung beim Fliegen verspürt hatte. Selbst bei schlechtem Wetter vertraute er auf seine Fähigkeiten und sein Flugzeug. Und bei gutem Wetter wie diesem gab es wenig im Leben, das ihm größere Freude bereitete, als in der Luft zu sein und sein geliebtes Land unter sich zu haben – in dem der Frühling endlich angekommen war und der wahre Sommer nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Hier oben konnte er sich wahrhaft entspannen, sich öffnen und einfach nur sein. Seine Erläuterungen über den Cook Inlet und Turnagain Arm hatte er schon unzählige Male abgegeben, sodass sie seine Freude am Fliegen nicht dämpften, auch als Reuben weiterhin schwieg.

      »Funktioniert das Headset?«, fragte er, als sie Teile des Chugach State Park und National Forest überflogen, was ihnen eine spektakuläre Aussicht auf den Prince William Sound in der Ferne hinter Whittier bescherte. »Irgendwelche Fragen für mich?«

      »Ja, ich kann dich wunderbar hören. Keine Fragen.« Die Anspannung in Reubens Stimme war unmissverständlich.

      »Unter deinem Sitz gibt es eine Tüte für Luftkrankheit, falls dir übel ist. Ich gehe jetzt runter und gebe dir einen hübschen Blick auf Esther Island, bevor wir uns Richtung Seward wenden.«

      »Mir ist nicht übel.« Jetzt klang Reuben gereizt, was vermutlich besser war als kaum beherrschte Panik.

      »Gut. Also, wir landen auf einem See nahe Seward und legen direkt neben einer kleinen Hütte an, die die besten Brötchen mit Wurstsoße in Alaska serviert.« Er hatte so eine Ahnung, dass Reuben sich mehr auf die Landung und festen Boden freute als auf das Essen, aber solange er nicht zugab, dass er sich schlecht fühlte, hatte Toby keine andere Wahl, als seinem Skript zu folgen. »Die werden dich von den Socken hauen, aber es gibt eine große Auswahl.«

      »Von den Socken hauen, hm?« Reuben stieß ein vielversprechendes, wenn auch zittriges Lachen aus. »Klingt interessant.«

      »Wir ziehen zuerst Kreise, um die Landung einzuleiten, und gleiten dann auf dem Wasser zur Hütte hinüber. Bleib angeschnallt, bis ich die Luken öffne, okay?«

      Er legte eine seiner besten Landungen auf dem See hin, streifte kaum die Wasseroberfläche und holperte nicht zu hart. Als sie landeten, ruckte es kaum, trotzdem hörte er einen unterdrückten Fluch von Reuben.

      »Wie wäre es mit einem Spaziergang, bevor wir essen?«, fragte Toby, nachdem er das Flugzeug gesichert und die Luken geöffnet hatte. Erfahrungen mit anderen Reisenden hatten ihm gezeigt, dass frische Luft erholsamer wirkte als seine Gesellschaft oder Unterhaltung.

      »Na gut.« Reubens Ausdruck war resolut, als er ausstieg, sein Mund zu einer schmalen, entschlossenen Linie zusammengepresst und sein Blick hart.

      »Hey, ich meine nur einen leichten Spaziergang am Ufer entlang, keine Wanderung auf den Denali. Oder einen Frosch-Ess-Wettbewerb.« Den letzten Teil fügte er nur hinzu, um zu sehen, ob er Reuben ein Lächeln entlocken konnte – wie sich herausstellte, konnte er das nicht. Na gut. »Hör mal, ich bin einfach offen mit dir. Du hast den Flug gehasst, oder? Und die Vorstellung, die Gegend zu erkunden, fühlt sich wie eine weitere Bürde an?«

      »Ich habe ihn nicht gehasst.« Reuben reagierte empört und nahm die Schultern zurück, um seine überlegene Größe zu betonen. »Schließlich ist diese ganze Reise außerhalb meiner Komfortzone.«

      »Genau.« Toby schenkte ihm ein hoffentlich ermutigendes Lächeln. »Also, was ich sagen will, ist, dass diese paar Tage für dich sind. Du willst zurückgehen und dich mit deiner Arbeit im Hotel verschanzen? Ich werde niemandem außer meiner Chefin verraten, dass du nur diesen einen Flug gemacht hast. Oder ziehst du eine Reise über Land vor? Solche bieten wir auch an. Um ehrlich zu sein, die Flugreisen sind der teure Luxusservice unseres Unternehmens. Fotografie- und Wanderreisen veranstalten wir vor allem per Kleinbus. Wenn du über Land reisen willst, könnte Annie für dich sicher etwas am Preis ändern.«

      Toby war ehrlich – zwar liebte er das Fliegen, aber Reubens Komfort war ihm wichtig und sie konnten per Fahrzeug mehr als genug erkunden. Das bedeutete vielleicht, dass er den Zeitplan und die Unterkünfte ein wenig anpassen musste, aber er hatte lieber einen glücklichen Kunden als ein paar beschissene Tage für sie beide.

      »Ich brauche keine Sonderbehandlung.« Reuben schürzte die Lippen, aus seinen Augen blitzte Ärger. Toby war nicht sicher, welche Art Anwalt Reuben war, aber Mann, er wäre verdammt einschüchternd im Gerichtssaal, wenn er finster blickend auf und ab ging, bereit, alle seine Gegner allein mit seinem Blick zu Asche zu verbrennen. »Was auch immer Craig und deine Chefin für den Ablauf ausgearbeitet haben, ist schon in Ordnung. An die Flüge werde ich mich sicher gewöhnen.«

      »Das wirst du.« Toby widerstand dem Drang, ihm auf die Schulter zu klopfen, um ihn noch mehr zu beruhigen. »Aber ich will nicht, dass du es nur erträgst. Das hier soll Spaß machen, wenn wir also noch irgendetwas tun können, damit du eine gute Zeit hast, dann sag einfach Bescheid.«

      »Mache ich.« Reuben nickte knapp und Toby fragte sich, ob er tatsächlich etwas sagen würde, wenn er sich wirklich miserabel fühlte.

      »Also ein Spaziergang?« Toby führte ihn vom Dock zu dem Pfad, der am Ufer entlangführte. »Oder gleich zum Essen? Und ich habe ein paar Tabletten gegen Reisekrankheit, die du zum Essen nehmen könntest, die helfen vielleicht.«

      »Der Spaziergang wäre gut. Der könnte meinen Magen so weit beruhigen, dass ich diese Brötchen genießen kann. Über die Tabletten denke ich nach.« Reuben sog einen tiefen Atemzug ein, als gäbe er sich deutlich Mühe, umgänglicher zu sein, und tatsächlich klang er schon fröhlicher und weniger mürrisch. »Aber ich bin vielleicht langsamer, als du gerne hättest. Ich war nie viel wandern, abgesehen vom Sommercamp als Kind. Fand es immer effizienter, drinnen Sport zu treiben, wo ich auf dem Crosstrainer oder wo auch immer noch etwas lesen oder anhören kann. Aber geh ruhig voran und ich gebe mein Bestes.«

      »Das ist die richtige Einstellung.« Toby schlug ein gemächliches Tempo an und hielt auf den Wanderweg zu. Es war ein schön anspruchsloser und asphaltierter, den vor allem Radfahrer und Tagesausflügler nutzten und der eine beeindruckende Aussicht auf die schneebedeckten Berge über dem Tal bot. Boote sprenkelten die andere Seite des Sees und über ihnen kreiste eine rot-weiße Cessna. Die kühle Luft strich über seine Wangen. Diese Tage im Juni sorgten immer dafür, dass er glücklich war, am Leben zu sein. Aber er könnte schwören, dass er beinahe spürte, wie Reuben nur auf den Moment wartete, an dem er sein Handy wieder herausholen konnte.

      »Siehst du die Kajakfahrer?« Nachdem sie einige Minuten lang schweigend gegangen waren, deutete er auf die blauen und orangen Flecken auf dem Wasser. »Deine Freunde wollten das probieren – es steht für den dritten Tag auf dem Plan. Warst du je in einem? Oder überhaupt auf einem Boot?«

      »Zählt eine Fähre?« Reuben hielt mit seinen langen Beinen mühelos mit Toby mit. »Ich bin in Brooklyn aufgewachsen und bin daher recht oft mit der Fähre gefahren. Dann im Camp mit Kanus, aber das ist… Jahre her.«

      »Ich wette, das ist wie Fahrradfahren. Deine alten Kanufähigkeiten werden helfen und am Kajakverleih bekommst du auch eine Einweisung.« Toby war froh, dass Reuben die Erfahrung nicht gleich abgelehnt hatte. Und ehrlich gesagt war er ebenfalls froh, dass Reuben sein Angebot, ihn nach Anchorage zurückzubringen, damit er mit seinem verdammten Handy kommunizieren konnte, nicht angenommen hatte. Toby hatte schon schwierigere Kunden gehabt und Arbeit war Arbeit. Er würde das Beste daraus machen.

      »Fährst du auch mit dem Kajak raus?«

      »Als Reiseführer mache ich mehr oder weniger alles mit der Gruppe mit – Angeln, Radfahren, Wandern, Segeln und so weiter. Das Einzige, was ich nicht mache, ist Jagen, weil es Beschränkungen gibt, wie viel Wild man zu bestimmten Jahreszeiten schießen darf – das überlasse ich den Kunden, aber ich gehe mit und helfe ihnen, gute Stellen zu finden.« Außerdem hatte Toby ein persönliches Vorurteil gegen Trophäenjagd, das er nicht erläutern wollte. Es war in Ordnung, wenn die Kunden es taten, aber er war dazu erzogen worden, die Jagd zum eigenen Lebensunterhalt zu schätzen. Er genoss es, gelegentlich einen Elch für seine Familie zu erlegen, versuchte dabei jedoch, ihren traditionellen Werten treu zu bleiben. »Dasselbe gilt für Fotografie. Ich bin auf keinen