fördernde Schüler‹.
Was hatte man sich jetzt darunter vorzustellen? Handelte es sich bei diesen Kindern und Jugendlichen um solche, die der Volksmund als ›schwachsinnig‹ bezeichnete? Sollten die Ärmsten hier einen Sonderunterricht genießen, der auf ihre eklatanten Lernschwächen und geistigen Defizite, die selbst die so beliebte ›Inklusion aller‹ überforderte, im Besonderen einging und sie bestmöglich förderte, um ihnen als Erwachsene eine einigermaßen akzeptable Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen?
Die Dorfbewohner von XYhausen jedenfalls nahmen das an, nachdem sie mit der Überraschung konfrontiert worden waren, von jetzt auf gleich ihre inzwischen vertrauten ›Pfarrerbastarde‹ zu verlieren. Der Ausdruck klang nicht gerade liebevoll, war aber längst nicht mehr böse gemeint gewesen. Mittlerweile hatten ihn die Heimbewohner selbst benutzt, sobald sie sich im Ort vorstellten …
Man konnte damals zuletzt sogar den Eindruck gewinnen, die solchermaßen stigmatisierten Jugendlichen habe eine gewisse Art von Stolz erfüllt: Immerhin waren sie der ›normalen‹ Liebe von Männern und Frauen entsprungen!
In Zeiten, in denen man den Eindruck hatte gewinnen können – und wie böse Zungen auch nicht müde wurden, zu verbreiten –, die katholische Kirche sei, des Pflichtzölibats wegen, ein willkommenes Sammelbecken für Schwule, sowie ein praktisches Auffanglager für Pädophile und Päderasten, waren ›Pfarrerbankerte‹ in ihrer Wertigkeit doch um etliche Stufen höher anzusiedeln! Im Übrigen sahen das die Einwohner von XYhausen genauso.
Warum sollte also das Heim nicht mehr weitergeführt werden?
Tatsache war, dass es im Laufe der Jahrzehnte immer weniger dieser ›Sündenkinder‹ gab. Ob es daran lag, dass die katholische Geistlichkeit, die sich nach wie vor ans völlig widernatürliche Zölibat halten musste, mittlerweile gelernt hatte, Kondome zu benutzen, oder die Pfarrersköchinnen die Pille nahmen oder sonstige Verhütungsmaßnahmen anwandten – oder dass es fast nur noch schwule Kleriker gab?«
Den meisten Zuhörern war das mit den »Sündenkindern« völlig neu gewesen. Darüber war offenbar vonseiten der katholischen Kirche sehr effizient der Mantel des Schweigens gebreitet worden …
»Tatsache war, meine Damen und Herren: Das riesige Gebäude war auf einmal leer gestanden und die Kirche bemühte sich, es loszuwerden, ehe es jahrelang nutzlos vor sich hingammelte und trotzdem eine Unmenge Kosten für Heizung und Instandhaltung verschlang.
Die Suche nach einem zahlungskräftigen Käufer gestaltete sich aufgrund der Lage nicht ganz einfach, aber auf einmal gab es gleich zwei Interessenten zur selben Zeit: Ein Pekinger »Maschinenbaubetrieb«, der erneut irgendwelche unnützen Roboter entwickelte, und die Bundesregierung. Letztere war es dann auch, die den Zuschlag für das Objekt ›in der Pampa‹ bekam.
Dass man den Bau als Internat und Bildungseinrichtung für Schüler nutzte, lag eigentlich aufgrund der räumlichen Aufteilung, sowie der gut ausgestatteten Sporteinrichtungen auf der Hand. Bloß welche das sein sollten, darüber kursierten nur wilde Gerüchte.
Die Kinder und Jugendlichen lebten zu Anfang weitgehend abgeschottet von der Dorfbevölkerung. Aber Handwerker und Lieferanten, die notgedrungen mit den Zöglingen in Berührung kamen, berichteten den neugierigen Dörflern, dass es sich keineswegs um ›geistig Defizitäre‹ handelte.
Hm. Hatte man es vielleicht mit Schwererziehbaren zu tun? So argwöhnten daraufhin besonders Ängstliche. Waren die Jungen und Mädchen womöglich gefährlich für die Allgemeinheit? Müsste man künftig abends die Haustüren sorgfältig verschließen und sich zum Schutz Wachhunde anschaffen? Dass man die Betreffenden quasi kasernierte, sprach jedenfalls dafür …
Ehe es von der furchtsamen Bevölkerung zu größeren Protestveranstaltungen und damit zu unliebsamem Aufsehen kam, lockerte die Internatsleitung die ›Residenzpflicht‹ der Kinder und Jugendlichen ein wenig. Am Wochenende etwa durften sie für einige Stunden ins Dorf hinunter gehen und manche freundeten sich sogar mit der Dorfjugend an, wurden in die Familien eingeladen und richteten gemeinsame Fußballturniere aus.
Das Ganze war und blieb aber eine Einbahnstraße: Umgekehrt war es nämlich nicht erlaubt, dass die Dorfkinder einen Gegenbesuch unternahmen …
Auffallend waren die guten, ja exzellenten Manieren der jungen ›Burgbewohner‹, wie man sie in XYhausen nannte. Sie grüßten jedermann, lärmten nicht ungebührlich, tranken kaum Alkohol, stritten sich so gut wie nie mit den Einheimischen, machten nichts kaputt – und falls doch, geschah es aus Versehen und nicht aus Übermut oder mit Absicht; sie entschuldigten sich umgehend und sorgten für Wiedergutmachung.
Bürgermeister, Gemeinderat und Bewohner von XYhausen waren nicht nur beruhigt, sondern im Laufe der Zeit geradezu begeistert von den wohlgesitteten Insassen des Internats, über das die Leitung schließlich, um das dauernde Gerede abzuwürgen, das Gerücht streute, es handele sich bei den jungen Leuten um ›Waisenkinder‹. Eine Behauptung, die widerspruchslos angenommen wurde.
›Drum erzählen die auch nie was über ihre Eltern und ihre Familien!‹, verlautete im Dorfwirtshaus. ›Die meisten verraten noch nicht mal, wo genau sie geboren sind!‹, kritisierte einer der Stammtischbrüder.
›Vielleicht wissen es die armen Würmer auch gar nicht!‹, gab darauf einer vom Stamme der sogenannten ›Gutmenschen‹ zu bedenken. Und dabei beließ man es.«
»Wie schon beim letzten Mal angemerkt, wird demnächst das Gebäude tatsächlich aus allen Nähten platzen«, fuhr der Referent fort. »Wie ich vermelden darf, werden wir nämlich neuen und kräftigen Zuzug aus den einzelnen Bundesländern erhalten! Das hat mir die Frau Bundeskanzlerin definitiv zugesagt und mich – und damit Sie alle – ihrer großen Zufriedenheit mit unserem Projekt versichert, meine Damen und Herren! Auch, dass wir es über drei Jahrzehnte verstanden haben, dieses Projekt vor den Augen einer vermutlich missgünstigen, weil verständnislosen Öffentlichkeit wirksam zu verbergen, indem wir es so grandios getarnt haben, findet ihren ungeteilten Beifall.
Unsere Regierungschefin gab ihrer Hoffnung Ausdruck, das möge auch so bleiben, denn die Aufgaben, vor denen wir als Bundesrepublik stehen, sind ja keineswegs kleiner geworden und die Probleme mit USA, Russland und China sind für alle Europäer und damit auch besonders für uns eine permanente Herausforderung!
Wir werden uns nur behaupten können, wenn wir geistige Eliten heranziehen und fördern – und zwar so viele wie irgend möglich! Kein Talent darf unentdeckt verloren gehen – das können wir uns schlichtweg als Land ohne Bodenschätze – außer ein bisschen Kohle, die aus Umweltschutzgründen sowieso keiner mehr will – nicht leisten.
Und, meine Freunde, das wollen wir auch nicht! Zum Glück ist es unseren Vätern vor dreißig Jahren gelungen, das Ruder gerade noch rechtzeitig herumzureißen, um der wachsenden Verblödung unserer Kinder und Jugendlichen zumindest partiell entgegenzutreten! Und zwar dergestalt, dass wir die anspruchs- und niveaulosen Lehrpläne, die wir vor allem linken Spinnern und sonstigen ›Heilsbringern‹ zu verdanken hatten, anstandslos der ›großen Masse‹ der Bevölkerung überlassen haben und für unsere lernwilligen und intelligenten Schüler ganz andere, den Geist tatsächlich fordernde Pläne auf den Tisch gelegt – und für die damals relativ wenigen Kinder auch durchgesetzt haben!
Sie erinnern sich sicher noch, was ein deutsches Abitur vor drei Jahrzehnten wert gewesen ist? Nichts, verglichen mit den Leistungen und dem Kenntnisstand von jungen Menschen anderer relevanter Staaten!
Selbst Länder Afrikas und Asiens, die man vor fünfzig, sechzig Jahren noch als ›Entwicklungsländer‹ eingestuft hat, hatten uns, was Wissen und Fertigkeiten junger Leute anbelangte, zu diesem Zeitpunkt bereits überflügelt. Hochschulprofessoren schlugen regelmäßig die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie mit den ›Leistungen‹ dieser Studienanfänger konfrontiert wurden.
Ja, meine lieben Mitstreiter, den Rückwärtsgang einzuschalten, um den Rutsch in den Abgrund aufzuhalten und noch rechtzeitig umzusteuern in eine Gesellschaft, die wusste, dass ihre einzigen Ressourcen in den Köpfen ihrer einzelnen Mitglieder liegen, die weiß Gott nicht